Wenn Sportfreunde zum Pokalschreck werden
Wie Trainer Ismail Atalan in Lotte den kleinen Fußballklub und die Stadt zu großen Ehren brachte
Zwei Erstligisten warfen die Sportfreunde Lotte schon aus dem DFBPokal. Nun soll das Erfolgsrezept aus Ehrgeiz und Teamgeist auch gegen 1860 München wirken. Dass man den Ort nicht mehr nur mit einem vollgestopften Autobahnkreuz bei Osnabrück verbindet, verdankt Lotte seinen Sportfreunden. Die Mannschaft hat es in wenigen Monaten vom Aufsteiger in die Dritte Liga zum veritablen Pokalschreck gebracht. Am Mittwoch wartet im Achtelfinale der Zweitligist 1860 München als nächste Hürde.
Geschafft haben die Sportfreunde Lotte gleich zwei Mal das Unerwartete: Erst warf der Verein aus der 14 000-Seelen-Gemeinde am Rande des Teutoburger Waldes im August Erstligist Werder Bremen aus dem DFB-Pokal, im Herbst schlug das Team dann in Unterzahl ChampionsLeague-Teilnehmer Bayer Leverkusen. Entsprechend selbstbewusst ist Trainer Ismail Atalan: »Was wir hier erschaffen haben – dieser Zusam- menhalt, dieser Glaube aneinander – das ist nicht alltäglich. Wir haben diese Mentalität, dass wir jedes Spiel gewinnen können.«
Der 36-Jährige hat in Lotte mehr erreicht, als ihm viele zugetraut hatten. Zum Topkicker auf dem Platz hat es nie gereicht, am Spielfeldrand gilt sein Beitrag als der Schlüssel zum Erfolg. Mit Verein und Trainer haben sich zwei Ehrgeizlinge getroffen. Atalan wollte durch seinen Dienstantritt 2015 unbedingt vom Amateur- in den Profibereich, die Sportfreunde träumten damals seit Jahren von der dritten Liga. Gemeinsam ging es rauf – mit bescheidenen Mitteln, aber viel Willenskraft: »Im Spiel Mentalität gegen Talent, würde Mentalität immer gewinnen«, lautet Atalans Philosophie. Ebenso wichtig: Er habe Augenhöhe hergestellt: »Wenn du deine Spieler menschlich nicht überzeugst, dass sie zusammen Erfolg haben können, dann bringt auch das Fachliche nichts.«
Es wirkt: Nach 21 Spieltagen hat sich der Verein im Mittelfeld der 3. Liga festgesetzt, hinzu kommen die bisherigen Erfolge im DFB-Pokal. »Die ganze Region freut sich über unseren Erfolg«, schwärmt Bürgermeister Rainer Lammers, der selbst kaum ein Heimspiel verpasst. Sogar in Australien sei der Sieg des Underdogs gegen Bayer eine Zeitungsnotiz wert gewesen. »Dass man uns mit so etwas verbindet, ist natürlich ein riesiger Werbeeffekt.«
Für den Verein bedeutet all das erst mal viel Arbeit. Um die Drittligaauflagen zu erfüllen, baute er eine neue Osttribüne. Fernsehteams wollen plötzlich wissen, was hinter dem Slogan »Volle Lotte« steckt. Gleichzeitig gehe es hier aber immer noch zu, wie in einer großen Familie, berichten Mitarbeiter. »Das heißt auch, dass hier jeder noch mit anpackt«, sagt der Vorsitzende Hans-Ulrich Saatkamp.
Die Fans feilen kurz vor dem Achtelfinale noch an einer Choreographie, mit der sie ihre Pokalhelden beim Einzug feiern wollen, verrät Matthias Budke – als Fanbeauftragter plötzlich für weit mehr Menschen zuständig als noch vor einigen Monaten. Wo vorher nur Hunderte kamen, sind es jetzt regelmäßig mehr als 2000. »Es wächst eine richtige Fanszene heran«, sagt er stolz.