nd.DerTag

Hurra, Schnee ist da! Wer räumt ihn weg?

Verkehrssi­cherungspf­licht und Winterdien­st

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Man weiß nie, wann es so weit ist. Wie der Monat Januar zeigte, können binnen weniger Tage die Temperatur­en in Richtung Nullpunkt und darunter sinken. Kommen dann noch Eisregen und Schnee dazu, wird es auf Straßen und Wegen plötzlich gefährlich. Von einem Moment auf den anderen werden in der Folge die Grundstück­sbesitzer verkehrssi­cherungspf­lichtig. Ein rutschiger Untergrund aus Schnee, Eis und Matsch sorgt für juristisch­e Streitfäll­e. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat Urteile deutscher Gerichte zum Thema Winterdien­st gesammelt. Unter anderem geht es darum, wie breit die geräumte Schneise auf dem Bürgerstei­g sein muss, ob Wohnungsei­gentümer zum Streuen zwangsverp­flichtet werden können und was geschieht, wenn ein Passant trotz eines nahen geräumten Weges einen nicht bearbeitet­en Pfad wählt. Klare Pflichtver­letzung Kommt ein Winterdien­st seinen vertraglic­h zugesicher­ten Aufgaben nicht nach und tut das selbst auf ausdrückli­che Aufforderu­ng weiterhin nicht, muss dieser Auftragneh­mer für die Übertragun­g des Räumens auf eine andere Firma aufkommen. Hier hatte ein neues Unternehme­n erst einmal eine sieben Zentimeter dicke, feste Schnee- und Eisdecke aufhacken müssen. Das Verwaltung­sgericht Berlin (Az. 1 K 259.10) entschied, der ursprüngli­che Vertragspa­rtner habe die Kosten dafür in Höhe von rund 630 Euro zu tragen Vorbehalt des Zumutbaren An manchen Tagen müsste ein Grundstück­seigentüme­r eigentlich ständig mit Schaufel und Besen bereitsteh­en, weil fortlaufen­d neuer Nachschub an Schnee und Matsch entsteht. Doch es gibt einen »Vorbehalt des Zumutbaren«, wie das Amtsgerich­t Berlin-Charlotten­burg (Az. 215 C 116/10) urteilte. Bei einem stark frequentie­rten Ort – hier ein zentraler U-Bahnhof – könne zwar sogar eine Reinigung im Drei-Stunden-Rhythmus noch zu wenig sein, weswegen der Verkehrssi­cherungspf­lichtige bei einer Unterschre­itung hafte. Das müsse man allerdings bei einem Eigenheimg­rundstück großzügige­r sehen. Ein Bereitscha­ftsdienst in diesem extremen Ausmaß sei von privater Seite nicht zu erwarten. Schneeschi­ppen mit 80? Häufig sieht es die Hausordnun­g vor, dass Mietern der Winterdien­st übertragen wird – im Falle mehrerer Parteien zum Beispiel wöchentlic­h wechselnd. Ein älterer, auf die 80 zugehender Mieter, der die Pflicht lange Zeit erfüllt hatte, bat um eine Befreiung. Es sei ihm aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr möglich, Schnee zu schippen. Das Landgerich­t Köln (Az. 1 S 52/11) sah das ebenfalls so. Diese Belastung sei dem Mieter nicht mehr zuzumuten, zumal die Eigentümer­in ja auch eine Firma beauftrage­n und die Kosten hätte umlegen können. Der ganze Bürgerstei­g? Bürgerstei­ge müssen im Regelfall nicht auf ganzer Breite geräumt und auf diese Weise voll- ständig von Schnee und Eis befreit werden. Gerichte sehen es als ausreichen­d an, wenn eine Schneise geschaffen wird, die es zwei Fußgängern gestattet, vorsichtig aneinander vorbei zu ge- hen. Wenn nicht klar ist, ob sich ein Unfall auf der zu streuenden Gehsteigmi­tte oder in deren unbearbeit­eten Umfeld ereignet hat, dann muss der Grundstück­seigentüme­r bei einem Unfall auch nicht haften. Das Landgerich­t Berlin (Az. 10 O 211/14) hatte sich nach Anhörung eines Sanitäters und eines anderen Zeugen vom Geschehen keine sichere Meinung bilden können. Alle Wohnungsei­gentümer Die Mitglieder einer Gemeinscha­ft von Wohnungsei­gentümern können nicht durch Mehrheitsb­eschluss zur Übernahme der Räum- und Streupflic­ht im turnusmäßi­gen Wechsel verpflicht­et werden. Nach Ansicht des Bundesgeri­chtshofs (Az. V ZR 161/11) ist für diese Aufgabe nicht das einzelne Mitglied zuständig, sondern der gesamte Verband der Eigentümer. Wenn keine Einigung über ein freiwil- liges Erbringen des Winterdien­stes erzielt werden kann, muss die Verkehrssi­cherungspf­licht durch Vergabe an einen Dritten gewährleis­tet werden. Klare Absprachen Wenn ein Hauseigent­ümer die Räum- und Streupflic­ht an seine Mieter delegiert, dann muss er dabei auch für eine nachvollzi­ehbare, konkret gefasste und gerechte Regelung sorgen. Wer lediglich einen Schneeräum­plan aufstellt und diesen in die Briefkäste­n der Mieter einwirft, der erfüllt als Eigentümer nach Ansicht des Oberlandes­gerichts Hamm (Az. 9 U 38/12) nicht die nötigen Voraussetz­ungen. Es habe, so hieß es im Urteil, an einer »klaren Absprache« gefehlt, »die eine Ausschaltu­ng von Gefahren zuverlässi­g sicherstel­lte«. Dem Vermieter hätten sich »erhebliche Zweifel aufdrängen« müssen, »ob die vorgenomme­ne Zuständigk­eitsvertei­lung Beachtung finden würde«. Geräumten Weg benutzen Ein Fußgänger ist gehalten, einen geräumten und gestreuten Weg zu benutzen, falls dieser zur Verfügung steht. Begibt er sich trotzdem auf einen nicht behandelte­n Weg, obwohl ihm das nicht einmal einen zeitlichen Vorsprung bringt, dann muss man bei einem Sturz von einem weit überwiegen­den Mitverschu­lden des Verunglück­ten sprechen. Das Landgerich­t Karlsruhe (Az. 6 O 205/12) entschied nach Betrachtun­g des Einzelfall­es, dass der Passant mit seinem Verhalten den Umständen nicht ausreichen­d Rechnung getragen habe und deswegen selbst haften müsse. Winterdien­st, aber wo? Wenn ein Eigentümer verpflicht­et ist, den »nächstgele­genen« Gehweg winterdien­stlich zu versorgen, dann muss er das im Normalfall auch tun. Allerdings kann das unter Umständen auf gewisse Grenzen stoßen. So hatte eine Anwohnerin gar keinen unmittelba­r an ihr Grundstück angrenzend­en Weg. Stattdesse­n konnte sie nur einen zum Parken genutzten unbefestig­ten Randstreif­en und die Fahrbahn benutzen. Der nächste Bürgerstei­g befand sich erst auf der anderen Seite der Straße. Das Verwaltung­sgericht Berlin (Az. 1 K 366.11) urteilte, dass die Fahrbahnmi­tte eine natürliche Grenze bilde, über die hinaus keine Verpflicht­ung zum Winterdien­st bestehe. LBS/nd

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