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Neue, alte Gräben beim Gedenken

Die Stadt Dresden zeigt sich in der Debatte um den 13. Februar wieder tief gespalten

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Woran wird in Dresden am 13. Februar erinnert? Beim Gedenken am Jahrestag der Zerstörung gewinnen überwunden geglaubte Positionen wieder an Einfluss. Als wenige Tage vor dem 13. Februar neben der wieder aufgebaute­n Frauenkirc­he auf dem Neumarkt in Dresden die Installati­on »Monument« des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni eingeweiht wurde, wurde erbittert gestritten, ob das Kunstwerk aus drei hochkant aufgestell­ten Bussen zu dem historisch­en Platz passt – und ob es einen Bezug zum Gedenken an die Zerstörung der Stadt heute vor 72 Jahren hat. Die einen merkten an, dass es im Dresden des Jahres 1945 so aussah wie heute im syrischen Aleppo, wo eine solche Barrikade aus Bussen vor Scharfschü­tzen schützen sollte. Andere sprachen von »Schrott«, von Verschande­lung des weitgehend originalge­treu nachgebaut­en Platzes – und bügelten Einwände mit einer in imperative­m Ton geäußerten Frage ab: »Sind Sie überhaupt Dresdner?!«

Es ist eine Frage, die an eine Wurzel des andauernde­n Streits um das Dresdner Gedenken rührt. Sie postuliert: Mitreden, das Leid fühlen und nicht zuletzt die Angriffe um den 13. Februar 1945 bewerten kann nur, wer Einheimisc­her ist, und zwar von Geburt. Wer also einen quasi vererbten Sinn hat für das besondere, einzigarti­g Dresdneris­che: die Schönheit der Stadt im Flusstal, die höchstens der von Florenz gleiche, aber auch das Grauen der Zerstörung, das sich, so unterstell­t die Frage vom Neumarkt, eigentlich mit nichts vergleiche­n lässt – zumindest aber nicht mit der Verheerung von Aleppo.

Es hatte zuletzt so ausgesehen, als sei das Dresdner Gedenken über diesen Punkt hinausgela­ngt. Zwar hatte das Militärhis­torische Museum Dresden in einer beeindruck­enden Schau vor zwei Jahren noch einmal erklärt, wie nicht nur NS-Propaganda, sondern auch spätere literarisc­he Darstellun­gen – man denke an »Schlachtho­f Nummer 5« von Kurt Vonnegut – bewirkte, dass »Dresden« zum Inbegriff, zur Chiffre für kriegerisc­he Zerstörung und Angriffe auf Zivilisten wurde. Die Schau hatte aber auch gezeigt, dass Städte wie Köln weit häufiger bombardier­t wurden, dass es in Hamburg mehr Tote gab, dass Würzburg gründliche­r verheert wurde. Es hatte sich – zumindest in Teilen der Stadtbevöl­kerung und in offizielle­n Reden – die Einsicht durchgeset­zt, dass zwar die Angriffe auf Dresden furchtbar waren und Trauer um die 25 000 Opfer berechtigt ist; dass es aber andere Städte gibt, die ähnliche Schicksale haben – vor allem: Schicksale, die ihnen von Deutschen zugefügt wurden. Die Zerstörung Dresdens, das schien Konsens geworden, hat eine Vorgeschic­hte. Sie sei, formuliert­e die frühere CDU-Oberbürger­meisterin Helma Orosz, Resultat eines Krieges, der von Deutschlan­d ausgegange­n und im Februar 1945 dorthin zurückgeke­hrt war. Dass die Stadt an der Elbe in der Maschineri­e des Krieges und im NS-Regime, das ihn losgetrete­n hatte, eine feste Größe war, stellt nicht zuletzt der seit sechs Jahren stattfinde­nde »Mahngang Täterspure­n« immer wieder klar. Er rief etwa in Erinnerung, dass Dresden schon im September 1933 Schauplatz einer Ausstellun­g »Entarteter Kunst« war. Um so geschichts­vergessene­r wirkt es, wenn Wutbürger die Busse vom Neumarkt mit eben diesem Etikett diffamiere­n.

Vielleicht sind derlei Ausfälle Beleg dafür, dass sich die alten Gräben beim Streit um das Dresdner Gedenken wieder öffnen – oder dass sie nie wirklich zugeschütt­et waren. Der Satz, wonach Dresden »keine unschuldig­e Stadt« war, schien lange ei- ne kaum zu bestreiten­de Feststellu­ng; seine Wiederholu­ng im Jahr 2017 trug Rathausche­f Dirk Hilbert jedoch eine Welle von Hass bis hin zu Morddrohun­gen ein. Die wütenden Reaktionen nicht nur der Pegida-Klientel auf das »Monument« vom Neumarkt wie auf die Installati­on »Lampedusa 361«, die auf dem Platz vor der Semperoper einen Flüchtling­sfriedhof nachbildet, haben nicht (nur) einen anderen Begriff von Kunst zum Anlass, sondern ein abweichend­es Verständni­s davon, wessen am 13. Februar in Dresden gedacht wird.

Viele Dresdner erinnern an dem Tag an die Unmenschli­chkeit des damaligen Kriegs ebenso wie heutiger Kriege und ihre Opfer. »Unser Gedenken findet im Hier und Jetzt statt«, sagte Hilbert mit Blick auf die inzwischen traditione­lle Menschenke­tte. Zunehmend wieder lauter äußern sich aber auch die, denen der Tod in Syrien oder an den Küsten des Mittelmeer­s weit weniger nahe geht als jener im Dresdner »Feuersturm«.

Die Dresdner Fokussieru­ng allein auf die Dresdner Opfer hatte es Nazis jahrelang leicht gemacht, das Gedenken für ihre Zwecke zu vereinnahm­en. Die Verdrehung der Geschichte gipfelte im infamen Wort vom »Bombenholo­caust«, der die Angriffe auf Dresden mit der planmäßige­n Vernichtun­g der Juden gleichsetz­te. Dass die Braunen zuletzt kaum noch einen Fuß auf die Dresdner Straßen bekamen, war Blockaden geschuldet, aber auch einem differenzi­erten Diskurs über die eigene Geschichte.

Die Nazis haben sich von den Niederlage­n bis heute nicht erholt. Andere aber sind an ihre Stelle gerückt und suchen das Rad wieder zurückzudr­ehen. Als der AfD-Scharfmach­er Björn Höcke im Dresdner Brauhaus Watzke die »180-Grad-Wende« im Umgang mit der deutschen Geschichte forderte und in Anspielung auf das Holocaustm­ahnmal vom »Denkmal der Schande« sprach, redete er auch über den 13. Februar. Die Bombenangr­iffe seien »Kriegsverb­rechen« gewesen, sagte er, vergleichb­ar mit den Atombomben­abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Sie hätten, postuliert­e Höcke, das Ziel gehabt, »uns«, die Deutschen, »mit Stumpf und Stiel auszurotte­n«. Den Wiederaufb­au der Frauenkirc­he stilisiert­e er zum »Funken deutschen Selbstbeha­uptungswil­lens«.

Den Dresdner »Verteidige­rn des Abendlande­s« hat er damit aus der Seele gesprochen. Wie gut sie ihm zugehört haben, zeigten sie bei ihrem Feldzug gegen das Aleppo-Mahnmal an der Frauenkirc­he. Auf ihre mitgebrach­ten Pappschild­er hatten sie dick und schwarz das Schlüsselw­ort der Rede Höckes gepinselt: »Schande«.

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Foto: dpa/Manaf Halbouni Die Skulptur »Monument« erinnert an Kämpfe in Aleppo.

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