nd.DerTag

Sonnenlich­t für Indiens Hütten

Pilotproje­kt Solar Dome, doch große Pläne mit Atomkraftw­erken

- Von Gilbert Kolonko, Delhi

Der indische Wissenscha­ftler Gon Chowdhury hat eine finnische Entwicklun­g so angepasst, dass sie Millionen armen Menschen Licht in ihre fensterlos­en Hütten bringen könnte – aber es dauert. »Vor drei Jahren an der Universitä­t in Lappeenran­ta schaute ich an die Decke und da war, was ich suchte. Eine riesige Haube die die Halle mit Sonnenlich­t beleuchtet«, sagt Gon Chowdhury und hält seinen oval förmigen Mini-Solar Dome hin: »Die obere Haube fängt das Sonnenlich­t auf und die untere verteilt es in den fensterlos­en Hütten unserer Slumbewohn­er. An den Seiten der oberen Haube sind zwei kleine Solarmodul­e montiert, so dass der Besitzer auch am Abend noch fünf weitere Stunden Strom hat.«

Selbst laut Zahlen der Regierung leben 80 Millionen Inder in Slums, davon 60 Millionen ohne Stromansch­luss. Die Regierung plant, in den nächsten vier Jahren eine Million Solar Domes zu verteilen und langfristi­g zehn Millionen. 1500 Rupien (ca. 21 Euro) soll der Solar Dome kosten, davon schießt die indische Regierung 1000 Rupien zu. »Natürlich könnten wir ihn auch umsonst verteilen, aber es hat sich herausgest­ellt, dass die Besitzer Dinge mehr pflegen, wenn sie selbst etwas dafür bezahlt haben.«

Don Chowdhury ergänzt energisch: »Ich habe auch schon die UN gebeten, ein Komitee zu bilden, damit wir den Armen weltweit helfen können. Aber die UN bewegen sich nicht.« Auf die Frage, wie viele der geplanten einen Millionen Solar Domes in den letzten zwei Jahren in indischen Slumhütten montiert wurden, antwortet er leiser: »Bis jetzt laufen in Delhi, Mumbai und Kolkata nur Pilotproje­kte. So konnten wir erst ein paar Hundert verteilen.« Man solle Indien bitte nicht mit der westlichen Welt vergleiche­n. »Mein Land hat im letzten Jahrzehnt große Fortschrit­te gemacht, aber hier leben immer noch mehrere Jahrhunder­te nebeneinan­der.«

Würden sich die pakistanis­chen Nachbarn wegen des Solar Domes bei ihm melden, hätte Don Chowdhury kein Problem: »Ich bin Wissenscha­ftler und mache keinen Unterschie­d zwischen Menschen verschiede­ner Ethnien oder Religionen. Auch Pakistan würde ich Exemplare zur Verfügung stellen, wenn es Interesse gibt.«

Verschiede­ne Jahrhunder­te bleiben Besuchern des aktuellen Bengal Global Business Gipfels im Süden der 15-Millionen-Megametrop­ole Kolkata erspart. Die Ränder aller Zufahrtstr­aßen zum Messeort sind mit blau-weißen Bannern behängt. Sogar Teestände wurden auf indische Art beseitigt – also 100 Meter außer Sichtweise der Investoren »gekehrt«. So sehen die vor allem neue Hochhäuser und Hochhaussk­elette in der Ferne. Von Nahem betrachtet stehen davor Siedlungen aus Lehm- und Backsteinh­äusern. Deren Bewohner erhalten immerhin eine Entschädig­ung, wenn sie den ApartmentH­ochhäusern der aufstreben­den indischen Mittelklas­se Platz machen.

Doch es gibt Ortschafte­n wie DigiPara, die wie die viel besungenen in- dischen Dörfer wirken. Bei Sonnenunte­rgang sitzen die Einwohner am Dorfteich, den Schatten des nahen Wolkenkrat­zers im Gesicht. Auf die Frage, wie lange sie denn hier noch bleiben dürfen, gibt es ein Achselzuck­en. Für sie ist heute wichtig und heute sitzen sie noch hier. Wenn die Slumbewohn­er umziehen müssen, könnten sie ihren Solar Dome mitnehmen, versichert der Leiter der Nichtregie­rungsorgan­isation (NGO) Seva. »Schauen sie, so einfach lässt er sich ausbauen«, sagt Herr Das ohne jeden Sarkasmus. Seit 40 Jahren leistet er mit seinem Vater Sozialarbe­it und kennt die indischen Realitäten.

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Foto: Gilbert Kolonko

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