Werkvertrag hebelt Streikrecht aus
Gewerkschaft ver.di wirft Charité-Tochter CFM zwielichtige Geschäftspraktiken vor
Die Charité-Tochter CFM beschäftigt nicht nur Leiharbeiter, sondern auch Werkvertragnehmer. Ver.di sieht einen Zusammenhang zu laufenden Tarifverhandlungen. Wieder mal ein Streik an der Charité – aber mit geringen Auswirkungen. Vergangene Woche legten Beschäftigte der Tochterfirma Charité Facility Management (CFM) die Arbeit nieder. Für die CFM, die die nicht-pflegerischen und nicht-medizinischen Leistungen an dem Uniklinikum erbringt, gilt kein Tarifvertrag. Die dort Angestellten verdienen weniger als ihre Charité-Kollegen, die nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD) bezahlt werden. Die Gewerkschaft ver.di will das ändern. Seit Sommer 2016 finden Verhandlungen mit der Geschäftsleitung statt, es gab bereits mehrere Warnstreiks.
Doch die Arbeitsniederlegungen haben nur geringe Auswirkungen. Ein Grund dafür ist aus Sicht von ver.di, dass seit Monaten Tätigkeiten, die zuvor Festangestellte oder auch Leiharbeiter ausführten, an Werkvertragnehmer ausgelagert und Leiharbeiter »umetikettiert« werden. Denn: Leiharbeiter dürfen nicht als Streikbrecher eingesetzt werden. Für Werkvertragnehmer gilt diese Regelung nicht. Weitere Unterschiede: Leiharbeiter werden vorübergehend voll in die Betriebsabläufe integriert, hier hat auch der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Ein Werkvertrag dagegen wird für eine begrenzte Tätigkeit, die Erbringung eines »Werkes«, vergeben. Arbeitet der Werkvertragnehmer im alltäglichen Betriebsablauf mit, handelt es sich um verdeckte Leiharbeit.
Stefanie Kirschner, Fachanwältin für Arbeitsrecht von der Kanzlei Berger, Groß, Höhmann & Partner, er- klärt :» Werden die› Werkvertrags beschäftigten‹ des Auftragnehmers wie Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert, indem sie sich zum Beispiel an dessen Arbeitszeiten halten müssen, seine Arbeitsmittel verwenden und weisungsabhängig sind, liegt in Wahrheit kein Werkvertrag vor.«
Genau dies ist bei vielen Werkverträgen an der CFM nach Ansicht von ver.di und dem CFM-Betriebsrat, der auch juristisch dagegen vorgeht, der Fall. Zum Beispiel beim Bluttransport am Campus VirchowKlinikum, einem Bereich, in dem ein Streik schnell spürbare Folgen haben kann. Hier sei Ende 2016 sieben Festangestellten und bei ver.di organisierten Boten in Einzelgesprächen eine Versetzung nahegelegt worden. »Mir wurden diverse Bereiche der CFM, sogar mit Wechsel auf einen anderen Campus, angeboten«, sagt Sven F., der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Kollegen lehnten ab, jetzt würden sie nur noch nachts als Blutboten eingesetzt, tagsüber müssten sie meist Müll einsammeln. Ihren alten Job machen laut ver.di: Werkvertragnehmer. Im Januar berichtete der »rbb« darüber, die CFM widersprach den Vorwürfen.
Lukas Schmolzi von der Initiative »Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht« sieht hier eine Strategie. »Oft suchen sich Unternehmen eine Abteilung aus, in der die Beschäftigten durch Schein-Werkvertragnehmer ersetzt werden. So soll eine Drohkulisse aufgebaut werden, die Botschaft ist: Wenn ihr bei euren Forderungen bleibt, können wir euch jederzeit ersetzen.«
Es ist ein Geflecht verschiedener Firmen, mit denen die CFM kooperiert. Eine von ihnen ist die Zeitarbeitsfirma »Allzeit Personal GmbH«, die Leiharbeiter vermittelt. Die Geschäftsführerin von »Allzeit«, Ramona Craig, meldete am 5. August 2016 eine zweite Firma an mit dem Namen »RC Berlin Personalservice« – wenige Tage nach Beginn der Tarifverhandlungen zwischen CFM und ver.di. Einem Auszug aus dem Handelsregister zufolge, ist neben der Geschäftsführerin auch die Anschrift der beiden Firmen identisch. Eine eigene Internetpräsenz hat »RC Berlin Personalservice« nicht.
Berichte von CFM-Kollegen legen nahe, dass es sich dabei um ein Unternehmen handelt, über das ScheinWerkvertragnehmer an die CFM gebracht werden. Ver.di berichtet zudem von »Allzeit«-Leiharbeitern, die plötzlich als Werkvertragnehmer von »RC Berlin Personalservice« auftauchten. »Das sind Praktiken, die man eher aus zwielichtigen Kreisen kennt. Sie verbieten sich bei einem Unternehmen in öffentlicher Verantwortung«, sagt Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel. Der CFM-Haupteigner Charité gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin. Weder »Allzeit« oder »RC Berlin Personalservice« noch die CFM wollten gegenüber dem »nd« zu den Vorwürfen Stellung beziehen.
»Solche Praktiken verbieten sich bei einem Unternehmen in öffentlicher Verantwortung.« Kalle Kunkel, Gewerkschaftssekretär