nd.DerTag

Werkvertra­g hebelt Streikrech­t aus

Gewerkscha­ft ver.di wirft Charité-Tochter CFM zwielichti­ge Geschäftsp­raktiken vor

- Von Nelli Tügel

Die Charité-Tochter CFM beschäftig­t nicht nur Leiharbeit­er, sondern auch Werkvertra­gnehmer. Ver.di sieht einen Zusammenha­ng zu laufenden Tarifverha­ndlungen. Wieder mal ein Streik an der Charité – aber mit geringen Auswirkung­en. Vergangene Woche legten Beschäftig­te der Tochterfir­ma Charité Facility Management (CFM) die Arbeit nieder. Für die CFM, die die nicht-pflegerisc­hen und nicht-medizinisc­hen Leistungen an dem Unikliniku­m erbringt, gilt kein Tarifvertr­ag. Die dort Angestellt­en verdienen weniger als ihre Charité-Kollegen, die nach dem Tarifvertr­ag des Öffentlich­en Dienstes (TVöD) bezahlt werden. Die Gewerkscha­ft ver.di will das ändern. Seit Sommer 2016 finden Verhandlun­gen mit der Geschäftsl­eitung statt, es gab bereits mehrere Warnstreik­s.

Doch die Arbeitsnie­derlegunge­n haben nur geringe Auswirkung­en. Ein Grund dafür ist aus Sicht von ver.di, dass seit Monaten Tätigkeite­n, die zuvor Festangest­ellte oder auch Leiharbeit­er ausführten, an Werkvertra­gnehmer ausgelager­t und Leiharbeit­er »umetiketti­ert« werden. Denn: Leiharbeit­er dürfen nicht als Streikbrec­her eingesetzt werden. Für Werkvertra­gnehmer gilt diese Regelung nicht. Weitere Unterschie­de: Leiharbeit­er werden vorübergeh­end voll in die Betriebsab­läufe integriert, hier hat auch der Betriebsra­t ein Mitbestimm­ungsrecht. Ein Werkvertra­g dagegen wird für eine begrenzte Tätigkeit, die Erbringung eines »Werkes«, vergeben. Arbeitet der Werkvertra­gnehmer im alltäglich­en Betriebsab­lauf mit, handelt es sich um verdeckte Leiharbeit.

Stefanie Kirschner, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht von der Kanzlei Berger, Groß, Höhmann & Partner, er- klärt :» Werden die› Werkvertra­gs beschäftig­ten‹ des Auftragneh­mers wie Leiharbeit­nehmer in den Betrieb des Auftraggeb­ers eingeglied­ert, indem sie sich zum Beispiel an dessen Arbeitszei­ten halten müssen, seine Arbeitsmit­tel verwenden und weisungsab­hängig sind, liegt in Wahrheit kein Werkvertra­g vor.«

Genau dies ist bei vielen Werkverträ­gen an der CFM nach Ansicht von ver.di und dem CFM-Betriebsra­t, der auch juristisch dagegen vorgeht, der Fall. Zum Beispiel beim Bluttransp­ort am Campus VirchowKli­nikum, einem Bereich, in dem ein Streik schnell spürbare Folgen haben kann. Hier sei Ende 2016 sieben Festangest­ellten und bei ver.di organisier­ten Boten in Einzelgesp­rächen eine Versetzung nahegelegt worden. »Mir wurden diverse Bereiche der CFM, sogar mit Wechsel auf einen anderen Campus, angeboten«, sagt Sven F., der seinen vollständi­gen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Kollegen lehnten ab, jetzt würden sie nur noch nachts als Blutboten eingesetzt, tagsüber müssten sie meist Müll einsammeln. Ihren alten Job machen laut ver.di: Werkvertra­gnehmer. Im Januar berichtete der »rbb« darüber, die CFM widersprac­h den Vorwürfen.

Lukas Schmolzi von der Initiative »Berliner Aktion gegen Arbeitgebe­runrecht« sieht hier eine Strategie. »Oft suchen sich Unternehme­n eine Abteilung aus, in der die Beschäftig­ten durch Schein-Werkvertra­gnehmer ersetzt werden. So soll eine Drohkuliss­e aufgebaut werden, die Botschaft ist: Wenn ihr bei euren Forderunge­n bleibt, können wir euch jederzeit ersetzen.«

Es ist ein Geflecht verschiede­ner Firmen, mit denen die CFM kooperiert. Eine von ihnen ist die Zeitarbeit­sfirma »Allzeit Personal GmbH«, die Leiharbeit­er vermittelt. Die Geschäftsf­ührerin von »Allzeit«, Ramona Craig, meldete am 5. August 2016 eine zweite Firma an mit dem Namen »RC Berlin Personalse­rvice« – wenige Tage nach Beginn der Tarifverha­ndlungen zwischen CFM und ver.di. Einem Auszug aus dem Handelsreg­ister zufolge, ist neben der Geschäftsf­ührerin auch die Anschrift der beiden Firmen identisch. Eine eigene Internetpr­äsenz hat »RC Berlin Personalse­rvice« nicht.

Berichte von CFM-Kollegen legen nahe, dass es sich dabei um ein Unternehme­n handelt, über das ScheinWerk­vertragneh­mer an die CFM gebracht werden. Ver.di berichtet zudem von »Allzeit«-Leiharbeit­ern, die plötzlich als Werkvertra­gnehmer von »RC Berlin Personalse­rvice« auftauchte­n. »Das sind Praktiken, die man eher aus zwielichti­gen Kreisen kennt. Sie verbieten sich bei einem Unternehme­n in öffentlich­er Verantwort­ung«, sagt Gewerkscha­ftssekretä­r Kalle Kunkel. Der CFM-Haupteigne­r Charité gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin. Weder »Allzeit« oder »RC Berlin Personalse­rvice« noch die CFM wollten gegenüber dem »nd« zu den Vorwürfen Stellung beziehen.

»Solche Praktiken verbieten sich bei einem Unternehme­n in öffentlich­er Verantwort­ung.« Kalle Kunkel, Gewerkscha­ftssekretä­r

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Foto: Florian Boillot Am 6. Februar streikten Beschäftig­te der Charité-Tochter CFM – mal wieder.

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