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Fake News aus Leverkusen

Bayer gewinnt gegen Frankfurt – und Roger Schmidt ist immer noch Trainer der Werkself

- Von Andreas Morbach, Leverkusen

Anderthalb Stunden vor Anpfiff verbreitet­e »Sky« die Falschmeld­ung, dass Leverkusen­s Trainer entlassen worden sei. Bayer gewann gegen Frankfurt und alle schimpften über den Fernsehsen­der. Es war ein rührendes Schauspiel, das Rudi Völler nach Bayer Leverkusen­s Befreiungs­schlag gegen Eintracht Frankfurt bot. Zunächst zeterte Leverkusen­s Sportdirek­tor (»Ein starkes Stück«, »Schwachsin­n«, »Riesensaue­rei«) wie auf Bestellung über die seltsame Meldung des Fernsehsen­ders »Sky«, der am Sonnabend, eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff der Partie, von der Entlassung des Leverkusen­er Trainers Roger Schmidt durch den Gesellscha­fteraussch­luss des rheinische­n Fußballklu­bs berichtet hatte. Als der emotionale Schnellkoc­htopf Völler kurz darauf zum zweiten Mal in der Journalist­enecke aufkreuzte, witzelte er schon mit typischem Augenzwink­ern zum klaren 3:0 der Werkself: »Die Chemie bei uns hat heute gestimmt. Das gehört zu Bayer ja dazu.« Und eine Minute später erzählte er bereits Anekdoten aus seiner langen Zeit in der italienisc­hen Serie A.

Auch der Sportchef hatte ja mitbekomme­n, wie Schmidt (»Wollen Sie mich provoziere­n oder brauchen Sie noch irgendeine­n Satz auf Ihrem Zettel?«) am Tag vor dem Spiel genervt die Medienrund­e verlassen hatte. »Waren Sie schon mal bei einer Pressekonf­erenz vor dem Spiel AS Rom gegen Lazio? Dagegen ist das hier Kindergart­en«, erzählte Völler und bekundete großes Verständni­s für den plötzliche­n Abmarsch des Übungsleit­ers: »Er war ja schon fünf Mal dasselbe gefragt worden. Ich wäre schon nach dem dritten Mal gegangen.«

Die Turbulenze­n um den eigenwilli­gen Fußballleh­rer sind fester Bestandtei­l in Leverkusen, seit Roger Schmidt dort im Sommer 2014 seinen Job angetreten hat. Der gebürtige Sauerlände­r stand unterm BayerKreuz bereits häufiger auf der Kippe. Doch immer, wenn es richtig eng für ihn wurde, bekamen er und seine Mannschaft stets die Kurve. So auch diesmal, nach zuletzt zwei Niederlage­n gegen Borussia Mönchengla­dbach und beim Hamburger SV – und nach eben jener »Sky«-Nachricht, die am Sonnabend gegen 14 Uhr herein gekracht war.

Der Bezahlsend­er hat am Sonntag zwei Entschuldi­gungsschre­iben an die sportliche Führung von Bayer Leverkusen um Rudi Völler und Geschäftsf­ührer Michael Schade geschickt. Zudem telefonier­te Völler mit Carsten Schmidt, dem Vorsitzend­en der Geschäftsf­ührung von Sky Deutschlan­d, danach war für den Sportchef die Angelegenh­eit vergessen: »Er hat sich noch mal entschuldi­gt und gesagt, dass so etwas natürlich nicht passieren darf. Aber jeder macht mal Fehler. Ich habe mich eine Nacht geärgert, jetzt geht es weiter. Für uns ist diese Sache abgeschlos­sen.«

Einen Tag zuvor sah das natürlich noch ganz anders aus. Schwer bedient war da auch Michael Schade. »Ein Treffen des Gesellscha­fteraussch­usses war weder geplant noch hat es stattgefun­den, noch haben wir überhaupt daran gedacht«, betonte Bayer Leverkusen­s Geschäftsf­ührer – und bezeichnet­e die Vorgehensw­eise von »Sky« als »äußert perfide«. Schade fügte noch hinzu: »Natürlich hat das die Mannschaft und den Trainer vor dem Anpfiff erreicht.«

Hier allerdings lag nun auch wieder Schade daneben. »Keine Ahnung, was da los war. Ich bin nach dem Aufwärmen nicht mehr am Handy gewesen. In der Mannschaft war das auf jeden Fall kein Thema«, berichtete Bernd Leno, der seine Arbeit im Leverkusen­er Dauerregen genauso konzentrie­rt erledigte wie alle seine Mitspieler. Nach der frühen Führung durch den mexikanisc­hen Stürmer Javier »Chicharito« Hernandez in der fünften Minute verhindert­e der Le-

»Ich glaube, meine Spieler haben nichts davon mitbekomme­n. Auf jeden Fall hat man nicht gemerkt, dass sie etwas wussten.«

Trainer Roger Schmidt nach dem Sieg gegen Frankfurt zur Falschmeld­ung über seine Entlassung in Leverkusen verkusener Torwart Mitte der ersten Halbzeit gegen die beiden Frankfurte­r Offensivsp­ieler Mijat Gacinovic und Branimir Hrgota gleich zwei Mal in höchster Not den Ausgleich.

Es war die Basis für die souveräne zweite Hälfte der Schmidt-Elf, die in der 63. Minute erneut durch Chicharito sowie den später für den zweifachen Torschütze­n eingewechs­elten Kevin Volland (78. Minute) noch zu zwei künstleris­ch wertvollen Treffern kam. Zusätzlich versüßt wurde der nächste Ruck im sportliche­n Auf und Ab der Leverkusen­er durch die parallelen Niederlage­n am Sonnabend von RasenBalls­port Leipzig (0:3 gegen den Hamburger SV), Borussia Dortmund (1:2 in Darmstadt) und Hertha BSC (0:2 beim FC Schalke 04). Die Lücke zu den internatio­nalen Plätzen ist durch den klaren Sieg gegen das Überraschu­ngsteam aus Hessen somit wieder kleiner geworden. »Europa ist«, stellte Ballfänger Leno also fest, »nicht unerreichb­ar.«

Keine Widerworte gab es von Niko Kovac. »Wir sind kein Spitzentea­m – das sind Mannschaft­en wie Leverkusen, Dortmund oder München, die seit Jahren internatio­nal spielen«, betonte der Trainer von Eintracht Frankfurt und machte deutlich: »Wir sind auf einen viel besseren Gegner getroffen.« Der sportlich Verantwort­liche für diesen starken Kontrahent­en ließ das mediale Theater um seine Person vor dem Anpfiff dabei entschloss­en ins Leere laufen. »Ich habe mich zu hundert Prozent auf mein Ziel konzentrie­rt und alles andere nur am Rande wahrgenomm­en«, erzählte Roger Schmidt, ehe er lächelnd erwähnte: »Ich glaube, meine Spieler haben nichts davon mitbekomme­n. Auf jeden Fall hat man nicht gemerkt, dass sie etwas wussten.«

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Foto: imago/Laci Perenyi Da ist er aber immer noch: Leverkusen­s Trainer Roger Schmidt

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