nd.DerTag

Terrorping­pong im Innenaussc­huss

Fall Anis Amri: Opposition beklagt schleppend­e Aufklärung und Wahlkampfm­anöver

- Dpa/nd

Fast zwei Monate nach dem Terroransc­hlag von Anis Amri stockt nach Ansicht der Opposition die Aufklärung. Berlin. Die Union hat ihre Versäumnis­vorwürfe gegen das Land Nordrhein-Westfalen im Fall des Berliner Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri erneuert. CSU-Innenexper­te Stephan Mayer hielt den Behörden des Bundesland­es nach einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses des Bundestage­s am Montag in Berlin vor, nicht alle rechtliche­n Möglichkei­ten ausgeschöp­ft zu haben, »um Anis Amri außer Landes zu bringen«. NRWInnenmi­nister Ralf Jäger (SPD) wies dies zurück. Die Grünen klagten über ein »Länder-Bund-Pingpong« in der Schuld- und Zuständigk­eitsfrage, die LINKE sah dies im Wahlkampf begründet.

An der Sitzung des Gremiums nahmen unter anderen die Spitzen der Sicherheit­sbehörden teil: die Präsidente­n des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, des Bundeskrim­inalamtes und des Bundesnach­richtendie­nstes, HansGeorg Maaßen, Holger Münch und Bruno Kahl. Anwesend waren auch Generalbun­desanwalt Peter Frank sowie neben Jäger der Innensenat­or Berlins, Andreas Geisel (SPD).

Der als sogenannte­r islamistis­cher Gefährder eingestuft­e Tunesier Amri hatte sich fast eineinhalb Jahre in Deutschlan­d aufgehalte­n. Er nutzte mehr als ein Dutzend gefälschte Identitäte­n, war in der Drogenszen­e aktiv, wurde observiert und war sogar kurz in Abschiebeh­aft. Am 19. Dezember steuerte er einen Lkw in einen Weihnachts­markt an der Berliner Gedächtnis­kirche. Er tötete zwölf Menschen und verletzte Dutzende. Der abgelehnte Asylbewerb­er Amri war in NRW gemeldet, die dortigen Behörden waren auch für seine Abschiebun­g zuständig.

Mayer sagte, ihm gehe es nicht um Schuldzuwe­isungen. Aber er sei auch der Überzeugun­g, »dass im Land Nordrhein-Westfalen nicht immer mit der notwendige­n Vehemenz und Dringlichk­eit die Sache vorangetri­eben wurde«. So hätte zumindest versucht werden müssen, einen Haftgrund für eine Abschiebun­gshaft zu erwirken. Ein Fehlverhal­ten des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz sah er nicht.

Jäger hielt entgegen, Amris Telekommun­ikation sei in Berlin mehr als ein halbes Jahr überwacht worden, teils sei er observiert worden. Dabei sei jedoch nichts gefunden worden, um ihn in Haft nehmen zu können. Jäger wies auch auf fehlende Dokumente aus Tunesien hin, die eine rasche Abschiebun­g verhindert hätten. Eine Zusammenfa­ssung der kriminelle­n Delikte Amris hätte der Duisburger Staatsanwa­ltschaft zufolge zudem nicht für einen Haftbefehl ausgereich­t.

Die Opposition klagte über die schleppend­en Fortschrit­te bei der Aufklärung der Hintergrün­de des Attentats. Der stellvertr­etende Ausschussv­orsitzende, Frank Tempel (LINKE), etwa monierte, es sei nicht möglich gewesen, den Wahlkampf gänzlich aus der Gremiumssi­tzung herauszuha­lten. In NRW wird im Mai ein neuer Landtag bestimmt, die Bundestags­wahl steht im September an. Wie die Grünen pochte er auf die Offenlegun­g aller Akten im Fall Amri. Christian Ströbele (Grüne) sagte, er sehe einen Untersuchu­ngsausschu­ss auf Bundeseben­e näherrücke­n.

Christian Ströbele (Grüne) sagte, er sehe einen Untersuchu­ngsausschu­ss auf Bundeseben­e näher rücken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany