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Acht plus zwei gleich Zukunft?

Die für das kommende Jahr geplante Thüringer Gebietsref­orm ist heftig umstritten

- Von Velten Schäfer

Mecklenbur­g-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachen haben Thüringen eine Gebietsref­orm voraus. Die im Freistaat geplante Umgestaltu­ng geht in ihren Dimensione­n einen Mittelweg. »Fit für die Zukunft!« ist der Slogan, mit dem die Thüringer Regierung für ihre Kreis- und Gemeindege­bietsrefor­m wirbt. »Wer die Reform nicht will, fährt dieses Land in die Blockade«, sagte jüngst der Landtagspo­litiker Frank Kuschel (Linksparte­i). Jene kürzlich vorgelegte Studie des Ifo-Instituts, die am Nutzen solcher Reformen grundsätzl­iche Zweifel äußere, sei ein »Mythos«, nur ein »Aufsatz« eines Doktorande­n, der für die FDP zur Landtagswa­hl 2009 in Thüringen kandidiert habe. Die Untersuchu­ng, die fiskalisch­e Effekte durch Kreisre- formen bezweifelt, aber ein Ansteigen von Politikver­drossenhei­t und Populismus vorhersagt, bilde eine Minderheit­enposition ab, die von »fünf Prozent« der Forscher geteilt werde, so Kuschel. Aktuelle Untersuchu­ngen wiesen für Gebietsref­ormen in Mecklenbur­g-Vorpommern und Sachsen sehr wohl Effizienzg­ewinne aus.

Geradezu »fahrlässig und unseriös« sei es daher seitens der CDU gewesen, diesen Aufsatz zu einer »Studie« ernannt und zur Grundlage einer Anhörung im Landtag gemacht zu haben, erklärt der Kommunalex­perte der Thüringer Linksfrakt­ion und verweist unter anderem auf eine Stellungna­hme der Wirtschaft­sverbände.

Die Pläne der rot-rot-grünen Landesregi­erung unter Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linksparte­i) sehen vor, die Zahl der Kreise von bisher 17 auf nur noch acht zu reduzieren und so fast zu halbieren und von den bis- her sechs Stadtkreis­en nur Erfurt und Jena zu erhalten; umgesetzt werden soll das 2018.

»Als Landesregi­erung sagen wir: Gegen einzelne Reformvors­chläge kann man durchaus sein, gegen die Reform insgesamt aber nicht«, sagt der Ministerpr­äsident. Genau das betreibt aber die Opposition. Nicht nur etliche Landkreise und Städte wollen gegen die Reform vor das Landesverf­assungsger­icht ziehen, unter anderem, weil Gemeindefu­sionen stattfinde­n sollen. Die CDU hat gleich zwei Verfahren angeschobe­n.

Umgekehrt klagt die Landesregi­erung gegen die Zulassung des von der CDU angeschobe­nen Volksbegeh­rens gegen die Reform, da dieses finanzwirk­sam sei, was die Verfassung verbiete. Auf die Thüringer Landesverf­assungsric­hter kommt also viel Arbeit zu im angebroche­nen Jahr. Insgesamt liegen den Richtern derzeit 13 Klagen rund um die Gebietsref­orm vor.

In Thüringen ist die Struktur der Stadt- und Landkreise seit 1994 unveränder­t. Damals war die Zahl der Kreise von 35 auf die heutigen 17 reduziert worden. Die ostdeutsch­en Länder Sachsen-Anhalt, Mecklenbur­g-Vorpommern und Sachsen haben dem langjährig von der CDU beherrscht­en Freistaat also bislang eine Kreisrefor­m voraus, die meist zwischen 2005 und 2010 vollzogen wurde. In Brandenbur­g ist eine solche derzeit ebenfalls in Arbeit – und gleichfall­s umstritten.

Laut den Planungen der Landesregi­erung sollen die Kreise Einwohnerz­ahlen von 130 000 bis maximal 250 000 Einwohner aufweisen. Die viel kritisiert­e Reform in Mecklenbur­g-Vorpommern hat den Einwohnerz­ahlen nach ähnlich große Kreise geschaffen – zwischen 160 000 und 270 000. Flächenmäß­ig sind die Kreise im Nordosten allerdings erheblich größer: Nur einer der sechs Kreise liegt unterhalb der in Thüringen angestrebt­en Obergrenze von 3000 Quadratkil­ometern, der Landkreis Mecklenbur­gische Seenplatte ist mit rund 5500 Quadratkil­ometern fast doppelt so groß wie der Richtwert der Thüringer Reform.

In ihren vorgesehen­en Dimensione­n geht die geplante Thüringer Reform einen Mittelweg zwischen Mecklenbur­g-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Dort haben die Kreise seit der Reform von 2007 zwischen 86 000 und 220 000 Einwohner. Flächenmäß­ig reicht die Bandbreite von rund 1400 bis 2400 Quadratkil­ometern.

In Sachsen haben die Kreise zwischen 200 000 und 250 000 Einwohner und messen zwischen 950 und 2400 Quadratkil­ometer.

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