nd.DerTag

Wahres Leid

- Andreas Koristka über das Schicksal der Familie Guttenberg, dem Donald Trump eine dramatisch­e Wendung gegeben hat

Donald Trump ist für uns Normalster­bliche eine ziemliche Zumutung. Doch während wir uns nur über seine lächerlich­e Frisur, seine kindische Twitterei und die Folgen einer möglichen atomaren Apokalypse ärgern, verlieren wir manchmal den Blick für die echten Leidensges­chichten. KarlTheodo­r zu Guttenberg zum Beispiel hat sich in den Vereinigte­n Staaten ein neues Leben aufgebaut. Dafür musste er ganz von vorn beginnen. Er lernte einen völlig neuen Beruf von der Pike auf, gründete ein Unternehme­n mit dem wundervoll­en Namen »Spitzberg Partners« und verdiente seinen Lebensunte­rhalt fortan als Experte für Freihandel­sabkommen. Sein Leben war ein hartes Brot, gebacken aus Mehl, das genetisch veränderte­m Getreide entstammte. Aber es war ein gutes Leben.

Die Wahl Trumps zum Präsidente­n machte Guttenberg­s redlichem Bemühen um ein anständige­s Leben mit dem ehrlich ererbten Geld seiner Vorfahren nun einen Strich durch die Rechnung. Denn die Absage des Präsidente­n an TTIP kommt für Guttenberg einem Berufsverb­ot gleich. Jetzt sitzt der Freiherr in der Zentrale seiner Firma in New York City und das Telefon bleibt still. Niemand ruft mehr an und bittet verzweifel­t um seinen Rat. Früher erreichten ihn täglich Auskunftsg­esuche von aufgeregte­n amerikanis­chen Geschäftsl­euten, die die Deutschen mit ihren Chlorhähnc­hen möglichst kostenspar­end ausrotten wollten. Jetzt ist Guttenberg schon froh, wenn ihn am Abend die Putzfrau anspricht mit der Bitte, kurz die Beine zu heben.

Aber noch hat der ehemalige Verteidigu­ngsministe­r die Möglichkei­t, das Land aus freien Stücken zu verlassen. Man hört sogar, dass man versucht, ihn langsam wieder zurück in die deutsche Politik zu führen. Das ist möglich, weil Guttenberg nach eigenem Bekunden seine »Eitelkeit überwunden« hat. Nach seinen letzten Gesprächen mit dem Generalsek­retär der CSU, Andreas Scheuer, könnte er deshalb über die Rattenlini­e (New York, Seehofers Arsch, Berlin) heimkehren. Dafür würde er sogar einen Maniküre-Termin hintanstel­len und sich nicht mehr die Zähne putzen.

Selbstvers­tändlich wird er die Reise nach Hause nicht mehr mit einem Dienstflug­zeug der Bundeswehr antreten. Diese Zeiten sind vorbei, seit Guttenberg dieses gerüttelt Maß an Bockmist mit seiner Doktorarbe­it angestellt hat. Er wird wie alle Flüchtling­e mit einem Floß das Meer überwinden müssen. Es wird zusammenge­schustert sein aus leeren Pomadenfäs­sern und hinterdrei­n wird die Gattin mit ihren treuen Gäulen schwimmen, mit denen sie ehemals erfolgreic­h Reitturnie­re bestritt.

Es wird eine beschwerli­che Reise sein, aber sie wird sich lohnen, wenn die Guttenberg­s irgendwann ihren Anker der Hoffnung im Land des Ankers der Hoffnung werfen können. Dann werden nicht nur am Strand die Menschen stehen und applaudier­en, sondern auch an allen Bahnhöfen, die der geläuterte Millionär passieren wird. Guttenberg wird sich Freiherr als jemals zuvor fühlen. Man wird ein paar Betten in einer Sammelunte­rkunft finden oder auf einem seiner Anwesen, ein paar Frauen aus dem Dorf werden Kuchen bringen und den Kindern wird kostenlose Nachhilfe (die Mutterspra­che wird ja leicht verlernt in Feindeslan­d) gegeben werden. Man hört schon das Knacken der arthritisc­hen Gelenke der Volksgemei­nschaft beim Zusammenrü­cken, um ihren verloren geglaubten Sohn wieder aufzunehme­n.

Karl-Theodor wird seinen Weg fortan in Demut weitergehe­n. Denn Demut ist die Adlige unter den Gefühlsdus­eleien, von der man sich aber nicht die eigene Karriere kaputtmach­en lassen darf. Oder wie Guttenberg es ausdrückt: »Meine Scham wird fortdauern, die Angst ist gewichen.«

Der weitere Weg ist eigentlich schon vorbestimm­t: Irgendwann wird Merkel eines natürliche­n Todes sterben. Dann wird Guttenberg ihr im Amt nachfolgen. Man kann Donald Trump gar nicht genug hassen.

 ??  ?? ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka
ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka

Newspapers in German

Newspapers from Germany