Wahres Leid
Donald Trump ist für uns Normalsterbliche eine ziemliche Zumutung. Doch während wir uns nur über seine lächerliche Frisur, seine kindische Twitterei und die Folgen einer möglichen atomaren Apokalypse ärgern, verlieren wir manchmal den Blick für die echten Leidensgeschichten. KarlTheodor zu Guttenberg zum Beispiel hat sich in den Vereinigten Staaten ein neues Leben aufgebaut. Dafür musste er ganz von vorn beginnen. Er lernte einen völlig neuen Beruf von der Pike auf, gründete ein Unternehmen mit dem wundervollen Namen »Spitzberg Partners« und verdiente seinen Lebensunterhalt fortan als Experte für Freihandelsabkommen. Sein Leben war ein hartes Brot, gebacken aus Mehl, das genetisch verändertem Getreide entstammte. Aber es war ein gutes Leben.
Die Wahl Trumps zum Präsidenten machte Guttenbergs redlichem Bemühen um ein anständiges Leben mit dem ehrlich ererbten Geld seiner Vorfahren nun einen Strich durch die Rechnung. Denn die Absage des Präsidenten an TTIP kommt für Guttenberg einem Berufsverbot gleich. Jetzt sitzt der Freiherr in der Zentrale seiner Firma in New York City und das Telefon bleibt still. Niemand ruft mehr an und bittet verzweifelt um seinen Rat. Früher erreichten ihn täglich Auskunftsgesuche von aufgeregten amerikanischen Geschäftsleuten, die die Deutschen mit ihren Chlorhähnchen möglichst kostensparend ausrotten wollten. Jetzt ist Guttenberg schon froh, wenn ihn am Abend die Putzfrau anspricht mit der Bitte, kurz die Beine zu heben.
Aber noch hat der ehemalige Verteidigungsminister die Möglichkeit, das Land aus freien Stücken zu verlassen. Man hört sogar, dass man versucht, ihn langsam wieder zurück in die deutsche Politik zu führen. Das ist möglich, weil Guttenberg nach eigenem Bekunden seine »Eitelkeit überwunden« hat. Nach seinen letzten Gesprächen mit dem Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer, könnte er deshalb über die Rattenlinie (New York, Seehofers Arsch, Berlin) heimkehren. Dafür würde er sogar einen Maniküre-Termin hintanstellen und sich nicht mehr die Zähne putzen.
Selbstverständlich wird er die Reise nach Hause nicht mehr mit einem Dienstflugzeug der Bundeswehr antreten. Diese Zeiten sind vorbei, seit Guttenberg dieses gerüttelt Maß an Bockmist mit seiner Doktorarbeit angestellt hat. Er wird wie alle Flüchtlinge mit einem Floß das Meer überwinden müssen. Es wird zusammengeschustert sein aus leeren Pomadenfässern und hinterdrein wird die Gattin mit ihren treuen Gäulen schwimmen, mit denen sie ehemals erfolgreich Reitturniere bestritt.
Es wird eine beschwerliche Reise sein, aber sie wird sich lohnen, wenn die Guttenbergs irgendwann ihren Anker der Hoffnung im Land des Ankers der Hoffnung werfen können. Dann werden nicht nur am Strand die Menschen stehen und applaudieren, sondern auch an allen Bahnhöfen, die der geläuterte Millionär passieren wird. Guttenberg wird sich Freiherr als jemals zuvor fühlen. Man wird ein paar Betten in einer Sammelunterkunft finden oder auf einem seiner Anwesen, ein paar Frauen aus dem Dorf werden Kuchen bringen und den Kindern wird kostenlose Nachhilfe (die Muttersprache wird ja leicht verlernt in Feindesland) gegeben werden. Man hört schon das Knacken der arthritischen Gelenke der Volksgemeinschaft beim Zusammenrücken, um ihren verloren geglaubten Sohn wieder aufzunehmen.
Karl-Theodor wird seinen Weg fortan in Demut weitergehen. Denn Demut ist die Adlige unter den Gefühlsduseleien, von der man sich aber nicht die eigene Karriere kaputtmachen lassen darf. Oder wie Guttenberg es ausdrückt: »Meine Scham wird fortdauern, die Angst ist gewichen.«
Der weitere Weg ist eigentlich schon vorbestimmt: Irgendwann wird Merkel eines natürlichen Todes sterben. Dann wird Guttenberg ihr im Amt nachfolgen. Man kann Donald Trump gar nicht genug hassen.