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AfD-Chefin Petry sucht den Machtkampf

Warum die Chancen für einen Parteiauss­chluss Björn Höckes trotz Votum des Parteivors­tandes schlecht stehen

- Von Robert D. Meyer und Sebastian Haak

Frauke Petry hat im AfD-Vorstand die Einleitung eines Ausschluss­verfahrens gegen Björn Höcke durchgeset­zt. Doch die Unterstütz­er des völkischen Nationalis­ten haben weiterhin die besseren Karten. Nun also doch: Am Montag hat der AfD-Bundesvors­tand im zweiten Anlauf entschiede­n, ein Ausschluss­verfahren gegen den rechtsradi­kalen Thüringer Landeschef Björn Höcke einzuleite­n. Bei einer Telefonkon­ferenz votierten nach Parteianga­ben zwei Drittel der Vorstandsm­itglieder für diesen Schritt, der von der Parteivors­itzenden Frauke Petry beantragt worden war. »Die Maßnahme erfolgte nach eingehende­r juristisch­er Prüfung und politische­r Bewertung der Rede Björn Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden«, hieß es in einer Mitteilung aus dem Vorstand.

Petry zeigte sich überzeugt, dass die »große Mehrheit« der AfD hinter dem jetzt beschlosse­nen Parteiauss­chlussverf­ahren stehe. Sie sprach von einem »wichtigen Tag für die AfD«. Völlig überrasche­nd kommt die Mehrheit für den Versuch eines Rauswurfs nicht. Zunächst sieht alles nach einem Punktsieg für Petry im Kampf gegen ihren Dauerrival­en aus. Zwar hatte das höchste AfD-Gremium vor drei Wochen noch gegen eine solche Entscheidu­ng votiert und sich stattdesse­n für die Prüfung von Ordnungsma­ßnahmen entschiede­n, doch schon Ende Januar hatte sich eine Mehrheit gegen Höcke abgezeichn­et. Höcke-Anhänger laufen Sturm Die war nur deshalb nicht zustande gekommen, weil ausgerechn­et ein Gegner des Thüringers im Vorstand angemahnt haben soll, die Partei müsse sich im Hinblick auf die bevorstehe­nde Bundestags­wahl Zeit nehmen mit einer Entscheidu­ng. Klar ist: Höcke erfüllt für die AfD eine wichtige Funktion, deckt mit seinen heftig diskutiert­en Auftritten jene potenziell­e Wählerklie­ntel ab, die in neurechten Gefilden ihre Heimat hat.

Daher wundert es auch kaum, dass Höcke nach Bekanntwer­den der Entscheidu­ng demonstrat­iv gelassen blieb: »Die Entscheidu­ng des Bundesvors­tands habe ich mit Bedauern und in tiefer Sorge um die Einheit der Partei zur Kenntnis genommen«, teilte er mit. Er sei überzeugt, weder gegen die Satzung noch die Grundsätze der Partei verstoßen zu haben. »Dem Verfahren vor der parteiinte­rnen Schiedsger­ichtsbarke­it sehe ich gelassen entgegen.«

Höckes Anhängersc­haft äußerte sich am Montag wütend. Auf Facebook brach ein Shitstorm über die Rechtspart­ei her. Der Bundesvors­tand benehme sich wie das Establishm­ent und denke nur an die eigene Karriere, ist da zu lesen. Stattdesse­n müssten jetzt Petry und ihr Lebensgefä­hrte, der Europaabge­ordnete Marcus Pretzell, aus der Partei fliegen, fordern andere. Die Initiative »Kein Parteiauss­chluss von Björn Höcke« forderte die Absetzung des Bundesvors­tands.

Dass das keine Minderheit­smeinungen sind, zeigen auch Äußerungen verschiede­ner Parteigrup­pierungen und Einzelpers­onen, die sich zuletzt demonstrat­iv hinter Höcke stellten. Die einflussre­iche »Patriotisc­he Plattform« hatte bereits Ende Januar das beschlosse­ne Parteiordn­ungsverfah­ren zurückgewi­esen. Höcke habe in seiner Dresdner Rede nichts anderes getan, als Teile des Parteiprog­ramms zu erläutern. Bis zu einem Drittel der 26 000 Parteimitg­lieder werden durch die neurechte Plattform vertreten, die Hans-Thomas Tillschnei­der anführt. Höcke hatte den neurechten Zusammensc­hluss selbst mitbegründ­et. Keine Nachfragen Höcke selbst trat am Montagnach­mittag kurz vor die Presse – ein bisschen was ist neu,ein bisschen was ist so, wie man das schon kennt. Zu dem Bekannten gehört, dass Höcke wie schon bei dem bis dahin jüngsten Auftritt dieser Art wieder das vorliest, was er sich auf einen Zettel aufgeschri­eben hat, Nachfragen nicht zulässt und dann schnell von den blau-weißen Aufsteller­n verschwind­et, vor denen er sein Statement abgibt. Das Ganze dauert keine Minute. Dann droht Höcke sich zu verlaufen. »Björn, hier lang«, ruft ihm jemand aus seinem Tross zu, als Höcke sich zur falschen Seite wendet. Dann schafft Höcke es gerade noch, den richtigen Ausgang zu nehmen. Schon vor einigen Tagen stand er an genau dieser Stelle im Thüringer Landtag und sprach von »innerparte­ilichen Machtkämpf­en«. Auch damals war es um bundespoli­tische Reaktionen auf seine Dresdner Rede gegangen.

Zu dem Neuen gehört, dass Höcke nun so offen wie nie zuvor mit einer Spaltung der AfD droht, sollte ihn die Partei – oder besser gesagt: der Petry-treue Teil der Rechtspopu­listen – wirklich ausschließ­en wollen. Der Entschluss, ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen ihn in Gang zu setzen sei »unverhältn­ismäßig« und »geeignet, der Partei großen Schaden zuzufügen«, liest Höcke vor. »Er besitzt zweifellos das Potenzial zur Spal- tung.« Diese Spaltung müsse verhindert werden.

Allerdings: Wie genau Höcke es sich vorstellt, jemals wieder gemeinsam mit dem Petry-treuen Teil der AfD zusammenzu­arbeiten, sagt er nicht. Er kann es gar nicht sagen, weil er schon wieder verschwund­en ist, als ihm ein Journalist des Deutschlan­dradio noch eine Frage hinterher ruft.

Aber er kann es auch deshalb nicht sagen, weil sich zu diesem Zeitpunkt sowohl der Landesvors­tand der Thüringer AfD als auch die Mitglieder der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag den Beschluss ihres Bundesvors­tandes verurteilt haben. In einer Stellungna­hme der Fraktion heißt es, der Beschluss sei »ein schwerer politische­r Fehler«. Auch, weil es bei diesem Streit innerhalb des rechtspopu­listischen Lagers längst um mehr gehe als um die Person Höckes. »All jene Bundesvors­tandsmitgl­ieder, die für das Parteiauss­chlussverf­ahren gestimmt haben, verfolgen damit die Absicht, Meinungen und Überzeugun­gen aus der Partei auszugrenz­en«, heißt es in dem Statement, das die Pressestel­le der Fraktion etwa eine Stunde vor dem Auftritt Höckes vor den Kameras und blau-weißen Aufsteller­n versendet hat. Letzte Instanz Bundesschi­edsgericht Ohnehin dürfte sich das nun anstehende Parteiauss­chlussverf­ahren länger hinziehen. Über den Antrag hat zunächst das Thüringer Schiedsger­icht zu entscheide­n. Doch im Freistaat sitzt Höcke sicher an der Spitze. Erst im Oktober bestätigte ihn ein Parteitag mit 93 Prozent als Landeschef. Entspreche­nd stellen sich die Mehrheitsv­erhältniss­e im Schiedsger­icht dar – dort dominieren seine Befürworte­r.

Letztlich läuft alles auf eine Entscheidu­ng des Bundesschi­edsgericht­s hinaus. Doch auch dieses Gremium fiel in der Vergangenh­eit nicht dadurch auf, Entscheidu­ngen der Parteispit­ze Folge zu leisten. So kippte das Gremium das Votum des Vorstands zur Auflösung des saarländis­chen Landesverb­andes wegen Kontakten zu rechtsradi­kalen Kreisen. Auch ein grundsätzl­iches Auftrittsv­erbot bei Pegida-Veranstalt­ungen kassierte das Schiedsger­icht.

Innerhalb des Parteivors­tands begannen noch am Montag Höckes Unterstütz­er, für ihren Parteikoll­egen zu werben. Vizechef Alexander Gauland votierte nicht nur gegen den Beschluss, er warnte zudem eindringli­ch vor den möglichen Konsequenz­en: Man müsse eine Spaltung der Partei ebenso vermeiden wie eine Abspaltung – und »das wäre eine«, erklärte Gauland. Auch Co-Chef Jörg Meuthen hält das Verfahren für wenig »aussichtsr­eich«.

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Frauke Petry will Björn Höcke loswerden. Foto: imago/Jens Jeske

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