AfD-Chefin Petry sucht den Machtkampf
Warum die Chancen für einen Parteiausschluss Björn Höckes trotz Votum des Parteivorstandes schlecht stehen
Frauke Petry hat im AfD-Vorstand die Einleitung eines Ausschlussverfahrens gegen Björn Höcke durchgesetzt. Doch die Unterstützer des völkischen Nationalisten haben weiterhin die besseren Karten. Nun also doch: Am Montag hat der AfD-Bundesvorstand im zweiten Anlauf entschieden, ein Ausschlussverfahren gegen den rechtsradikalen Thüringer Landeschef Björn Höcke einzuleiten. Bei einer Telefonkonferenz votierten nach Parteiangaben zwei Drittel der Vorstandsmitglieder für diesen Schritt, der von der Parteivorsitzenden Frauke Petry beantragt worden war. »Die Maßnahme erfolgte nach eingehender juristischer Prüfung und politischer Bewertung der Rede Björn Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden«, hieß es in einer Mitteilung aus dem Vorstand.
Petry zeigte sich überzeugt, dass die »große Mehrheit« der AfD hinter dem jetzt beschlossenen Parteiausschlussverfahren stehe. Sie sprach von einem »wichtigen Tag für die AfD«. Völlig überraschend kommt die Mehrheit für den Versuch eines Rauswurfs nicht. Zunächst sieht alles nach einem Punktsieg für Petry im Kampf gegen ihren Dauerrivalen aus. Zwar hatte das höchste AfD-Gremium vor drei Wochen noch gegen eine solche Entscheidung votiert und sich stattdessen für die Prüfung von Ordnungsmaßnahmen entschieden, doch schon Ende Januar hatte sich eine Mehrheit gegen Höcke abgezeichnet. Höcke-Anhänger laufen Sturm Die war nur deshalb nicht zustande gekommen, weil ausgerechnet ein Gegner des Thüringers im Vorstand angemahnt haben soll, die Partei müsse sich im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl Zeit nehmen mit einer Entscheidung. Klar ist: Höcke erfüllt für die AfD eine wichtige Funktion, deckt mit seinen heftig diskutierten Auftritten jene potenzielle Wählerklientel ab, die in neurechten Gefilden ihre Heimat hat.
Daher wundert es auch kaum, dass Höcke nach Bekanntwerden der Entscheidung demonstrativ gelassen blieb: »Die Entscheidung des Bundesvorstands habe ich mit Bedauern und in tiefer Sorge um die Einheit der Partei zur Kenntnis genommen«, teilte er mit. Er sei überzeugt, weder gegen die Satzung noch die Grundsätze der Partei verstoßen zu haben. »Dem Verfahren vor der parteiinternen Schiedsgerichtsbarkeit sehe ich gelassen entgegen.«
Höckes Anhängerschaft äußerte sich am Montag wütend. Auf Facebook brach ein Shitstorm über die Rechtspartei her. Der Bundesvorstand benehme sich wie das Establishment und denke nur an die eigene Karriere, ist da zu lesen. Stattdessen müssten jetzt Petry und ihr Lebensgefährte, der Europaabgeordnete Marcus Pretzell, aus der Partei fliegen, fordern andere. Die Initiative »Kein Parteiausschluss von Björn Höcke« forderte die Absetzung des Bundesvorstands.
Dass das keine Minderheitsmeinungen sind, zeigen auch Äußerungen verschiedener Parteigruppierungen und Einzelpersonen, die sich zuletzt demonstrativ hinter Höcke stellten. Die einflussreiche »Patriotische Plattform« hatte bereits Ende Januar das beschlossene Parteiordnungsverfahren zurückgewiesen. Höcke habe in seiner Dresdner Rede nichts anderes getan, als Teile des Parteiprogramms zu erläutern. Bis zu einem Drittel der 26 000 Parteimitglieder werden durch die neurechte Plattform vertreten, die Hans-Thomas Tillschneider anführt. Höcke hatte den neurechten Zusammenschluss selbst mitbegründet. Keine Nachfragen Höcke selbst trat am Montagnachmittag kurz vor die Presse – ein bisschen was ist neu,ein bisschen was ist so, wie man das schon kennt. Zu dem Bekannten gehört, dass Höcke wie schon bei dem bis dahin jüngsten Auftritt dieser Art wieder das vorliest, was er sich auf einen Zettel aufgeschrieben hat, Nachfragen nicht zulässt und dann schnell von den blau-weißen Aufstellern verschwindet, vor denen er sein Statement abgibt. Das Ganze dauert keine Minute. Dann droht Höcke sich zu verlaufen. »Björn, hier lang«, ruft ihm jemand aus seinem Tross zu, als Höcke sich zur falschen Seite wendet. Dann schafft Höcke es gerade noch, den richtigen Ausgang zu nehmen. Schon vor einigen Tagen stand er an genau dieser Stelle im Thüringer Landtag und sprach von »innerparteilichen Machtkämpfen«. Auch damals war es um bundespolitische Reaktionen auf seine Dresdner Rede gegangen.
Zu dem Neuen gehört, dass Höcke nun so offen wie nie zuvor mit einer Spaltung der AfD droht, sollte ihn die Partei – oder besser gesagt: der Petry-treue Teil der Rechtspopulisten – wirklich ausschließen wollen. Der Entschluss, ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn in Gang zu setzen sei »unverhältnismäßig« und »geeignet, der Partei großen Schaden zuzufügen«, liest Höcke vor. »Er besitzt zweifellos das Potenzial zur Spal- tung.« Diese Spaltung müsse verhindert werden.
Allerdings: Wie genau Höcke es sich vorstellt, jemals wieder gemeinsam mit dem Petry-treuen Teil der AfD zusammenzuarbeiten, sagt er nicht. Er kann es gar nicht sagen, weil er schon wieder verschwunden ist, als ihm ein Journalist des Deutschlandradio noch eine Frage hinterher ruft.
Aber er kann es auch deshalb nicht sagen, weil sich zu diesem Zeitpunkt sowohl der Landesvorstand der Thüringer AfD als auch die Mitglieder der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag den Beschluss ihres Bundesvorstandes verurteilt haben. In einer Stellungnahme der Fraktion heißt es, der Beschluss sei »ein schwerer politischer Fehler«. Auch, weil es bei diesem Streit innerhalb des rechtspopulistischen Lagers längst um mehr gehe als um die Person Höckes. »All jene Bundesvorstandsmitglieder, die für das Parteiausschlussverfahren gestimmt haben, verfolgen damit die Absicht, Meinungen und Überzeugungen aus der Partei auszugrenzen«, heißt es in dem Statement, das die Pressestelle der Fraktion etwa eine Stunde vor dem Auftritt Höckes vor den Kameras und blau-weißen Aufstellern versendet hat. Letzte Instanz Bundesschiedsgericht Ohnehin dürfte sich das nun anstehende Parteiausschlussverfahren länger hinziehen. Über den Antrag hat zunächst das Thüringer Schiedsgericht zu entscheiden. Doch im Freistaat sitzt Höcke sicher an der Spitze. Erst im Oktober bestätigte ihn ein Parteitag mit 93 Prozent als Landeschef. Entsprechend stellen sich die Mehrheitsverhältnisse im Schiedsgericht dar – dort dominieren seine Befürworter.
Letztlich läuft alles auf eine Entscheidung des Bundesschiedsgerichts hinaus. Doch auch dieses Gremium fiel in der Vergangenheit nicht dadurch auf, Entscheidungen der Parteispitze Folge zu leisten. So kippte das Gremium das Votum des Vorstands zur Auflösung des saarländischen Landesverbandes wegen Kontakten zu rechtsradikalen Kreisen. Auch ein grundsätzliches Auftrittsverbot bei Pegida-Veranstaltungen kassierte das Schiedsgericht.
Innerhalb des Parteivorstands begannen noch am Montag Höckes Unterstützer, für ihren Parteikollegen zu werben. Vizechef Alexander Gauland votierte nicht nur gegen den Beschluss, er warnte zudem eindringlich vor den möglichen Konsequenzen: Man müsse eine Spaltung der Partei ebenso vermeiden wie eine Abspaltung – und »das wäre eine«, erklärte Gauland. Auch Co-Chef Jörg Meuthen hält das Verfahren für wenig »aussichtsreich«.