nd.DerTag

Hass, Hetze und Angstmache­rei

In den Sozialen Netzwerken entlädt sich der Hass gegen alle, die kritisch über Erdogan und die Türkei berichten. Unser Autor Ismail Küpeli zieht Konsequenz­en

- Von Alexander Isele

Die Hetze aus der Türkei gegen Journalist­en trifft auch Reporter aus Deutschlan­d. Vor allem in den Sozialen Netzwerken lassen die Anhänger der Regierung Erdoğan alle Hemmungen fallen. Hass, Hetze und Angstmache­rei – ndAutor Ismail Küpeli kennt solche Reaktionen auf seine Kommentare über den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan und die Türkei nur zu gut. Seit er allerdings neben deutsch auch auf Türkisch schreibt, hat die Hetze gegen ihn solche Ausmaße angenommen, dass er nun Konsequenz­en zieht: Auf Facebook und auf Twitter kündigt der Journalist und Wissenscha­ftler an, sich aus den Sozialen Medien zurückzuzi­ehen.

»Die Qualität und die Quantität des Hasses habe ich unterschät­zt. Es ist kaum vorstellba­r, mit welchem Elan und welcher Härte die Anhänger Erdoğans missliebig­e Stimmen zum verstummen bringen wollen. Im Kampf gegen die ›Verräter‹ ist offensicht­lich alles erlaubt und keine Moral und kein Anstand begrenzt diese Menschen«, schreibt Küpeli in einem Abschiedss­tatement. Eine Rückkehr sei zwar nicht ausgeschlo­ssen, aber momentan gilt: »Ein ›Weiter so‹ ist jedenfalls nicht möglich.«

Im Gespräch mit »nd« erzählt Küpeli, dass er schon seit Jahren immer wieder Personen blockiert und sperrt, weil sie ihn beleidigen und gegen ihn hetzen. Aber seit er für die türkischsp­rachige Onlinezeit­ung »Özgürüz« schreibe, explodiere der Hass gegen ihn. Den größeren Anteil machen da- bei Beleidigun­gen, Verleumdun­gen und Hetze aus, es gibt aber auch immer wieder Drohungen, »die ich eigentlich ernst nehmen müsste«.

Für Journalist­Innen, AktivistIn­nen und KritikerIn­nen in der Türkei ist der Hass seit Jahren Normalität. Viele von ihnen hätten Wege und Mechanisme­n gefunden, damit umzugehen, meint Küpeli und hofft, für sich auch solch einen Weg zu finden. Den Hass einfach stehenzula­ssen, findet er schwierig, dazu beschäftig­e er ihn zu sehr. »Vor allem hält er mich davon ab, über Themen zu schreiben, die mir wichtig sind. Ich muss mich mit Vorwürfen auseinande­rsetzen, die absolut haltlos sind wie zum Beispiel der, ich würde vom israelisch­en Geheimdien­st Mossad bezahlt werden.«

Küpeli hat für seine Entscheidu­ng viel Unterstütz­ung bekommen, da- runter auch mehrere Einladunge­n für einen Urlaub, um Druck abzulassen. Der Journalist ist sehr dankbar dafür, wünscht sich aber neben der Unter- stützung auf persönlich­er Ebene auch eine breite Organisier­ung, um gemeinsam gegen die Internettr­olle vorzugehen, die gegen ihn und viele KollegInne­n hetzen. Von Facebook und Twitter ist nicht viel zu erwarten: Mehrmals wandte er sich an die Konzerne, um zu erklären, dass es sich nicht um Einzelfäll­e handelt, denen mit Blockieren und Sperren entgegnet werden kann. Die Unternehme­n sperrten auch nur bei offenen Drohungen; bei unterschwe­lligen Drohungen oder bei versteckte­n türkischen Codes passiere nichts.

Dass die verbalen Angriffe auf ihn orchestrie­rt seien, glaubt Küpeli nicht. In der Türkei orientiere­n sich die Regierungs­anhänger an Vorbildern, erklärt Küpeli. Zum Beispiel kritisiert der Bürgermeis­ter von Ankara gezielt bestimmte Journalist­en, die AKP-Anhänger nehmen das auf und übernehmen die Hetze. Ein Großteil des Hasses gegen ihn stamme auch aus der Türkei, ist sich der Journalist sicher. Es sind aber auch deutschspr­achige Menschen, die offensicht­lich hier leben, die ihn in den Sozialen Netzen angreifen. Das kommt auch nicht überrasche­nd: Bei den türkischen Wählern in Deutschlan­d erhalten Erdoğan und die AKP Zustimmung­swerte von 50 bis 60 Prozent.

Mit seinem Rückzieher, der auch nur teilweise ist – Küpeli postet auf Facebook die Reaktionen auf sein Statement –, erhofft sich der Journalist eine Verschnauf­pause. Denn bisher findet der Hass nur in den Sozialen Netzwerken statt. Die Hetzer machen sich nicht die Mühe, ihm auf anderem Wege auf die Pelle zu rücken, so dass eine Auszeit in den Sozialen Medien Ruhe verspricht. Allerdings nur für ihn: »Anstatt mir kriegen dann halt andere den Hass ab«, weiß Küpeli.

»Vor allem hält der Hass mich davon ab, über Themen zu schreiben, die mir wichtig sind. Ich muss mich mit Vorwürfen auseinande­rsetzen, die absolut haltlos sind.«

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