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Jemen will US-Aktionen kontrollie­ren

Unsichere Konsequenz­en aus Militärsch­lag mit vielen zivilen Opfern

- Von Oliver Eberhardt

Nach einem opferreich­en Militärsch­lag hat die jemenitisc­he Regierung die Zustimmung zu weiteren US-Bodeneinsä­tzen an strikte Bedingunge­n geknüpft. Wenn es nach dem Willen der Exilregier­ung Hadi geht, sollen die USStreitkr­äfte künftig jeden Bodeneinsa­tz detaillier­t mit dem jemenitisc­hen Militär absprechen. Man behalte sich vor, Einsätze zu verbieten, wenn zivile Opfer zu befürchten seien, sagte ein Sprecher Hadis am Freitag. Denn Ende Januar waren bei einer Kommandoop­eration von US-Spezialkrä­ften gegen Al Kaida neben 14 Kämpfern der Terrororga­nisation auch viele Zivilisten, darunter Kinder, ums Leben gekommen. Wie viele, lässt sich nicht zuverlässi­g sagen.

Es war nur einer von vielen Militärein­sätzen mit einer Vielzahl von zivilen Opfern. Immer wieder bombardier­en Kampfflugz­euge der von Saudi-Arabien dominierte­n und den USA logistisch unterstütz­ten internatio­nalen Militärall­ianz auch belebte Märkte, Schulen, Krankenhäu­ser.

Damit soll die Regierung Hadis gegen die dem Iran nahe stehenden Huthi-Milizen unterstütz­t werden. Sie kontrollie­ren einen Großteil des Nord-Jemen rund um die Großstadt Sanaa. Wenn man sich das Muster der Angriffe in diesem Gebiet anschaut, fällt auf, dass es Hilfsorgan­isationen nahezu unmöglich wird, Hilfsgüter in das Gebiet zu bringen – falls SaudiArabi­en überhaupt die Grenze öffnet oder die Seeblockad­e aufhebt.

Je nach Hilfsorgan­isation ist eine Hungersnot entweder schon da oder sehr nah. Grund dafür seien unterschie­dliche Definition­en des Konzepts »Hunger«, sagt ein Sprecher der Vereinten Nationen in New York: »Wenn ein Mensch über längere Zeiträume nichts isst, dann hat er Hunger. Manche Organisati­onen sprechen aber erst dann von einer Hungersnot, wenn in einem Gebiet dadurch bei vielen Menschen gesundheit­liche Beeinträch­tigungen auftreten.«

Nach Einschätzu­ng der UNO sind nun bis zu 20 Millionen Menschen in Jemen auf humanitäre Hilfen angewiesen; sieben Millionen hätten keinen Zugang zu einer ausreichen­den Kalorienve­rsorgung. Nach Angaben des Roten Halbmondes, der Partnerorg­anisation des Roten Kreuzes in der Arabischen Welt, sterben derzeit an die 100 Kinder täglich an Unterernäh­rung. Die Säuglingss­terblichke­it durch mangelhaft­e medizinisc­he Versorgung liege nun gleichauf mit Tschad und der Zentralafr­ikanischen Republik.

Dass die Hadi-Regierung nach dem verhängnis­vollen US-Angriff erstmals überhaupt seit Kriegsbegi­nn vor zwei Jahren Kritik äußert, hat vor allem mit der öffentlich­en Meinung in den von ihr kontrollie­rten Gebieten zu tun. Seit dem von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreisest­opp, der sich auch gegen jemenitisc­he Staatsbürg­er richtete, wurde Hadi auch in den weitgehend regierungs­treuen Medien in den Hadi-Gebieten kritisiert.

Daran, dass sich die US-Regierung an den Erlass Hadis halten werden, hat man auch im Umfeld Zweifel. Doch irgendwie habe man reagieren müssen. Zu auffällig sei die aus dem Ruder gelaufene Operation gewesen, die aus Sicht des Weißen Hauses auch noch ein »voller Erfolg« war. Vor allem die alltäglich­en Drohnenang­riffe gegen IS- und Al Kaida-Ziele gingen auch nach der Hadi-Ansage ohne Unterbrech­ung weiter. Das Pentagon äußert sich nicht zu der Frage, ob man auch ohne Zustimmung der Regierung Bodentrupp­en einsetzen werde.

Al Kaida und Islamische­r Staat werben indes mit den Opfern um Unterstütz­ung in der Zivilbevöl­kerung: Hadi und die Huthi-Milizen hätten Jemen »verkauft«, nur sie selbst verteidigt­en das Land. Die beiden Organisati­onen sind vor allem in den wenig bevölkerte­n Wüstenregi­onen östlich der Hafenstadt Aden, die offizielle­r Sitz der Hadi-Regierung ist, aktiv. Sie können dort agieren, obwohl das Gebiet offiziell unter Kontrolle der Regierung steht. Regierung, Militärall­ianz und die beiden Terrorgrup­pen pflegen wechselsei­tige Beziehunge­n zueinander. So kämpften Regierungs­truppen und Al Kaida-Milizen vor zwei Wochen Seite an Seite gegen die Huthi-Rebellen.

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