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Wenn der Schwarm pleite geht

Crowdfundi­ng boomt – mit Protonet gibt es aber jetzt die erste namhafte Insolvenz

- Von Hermannus Pfeiffer

Internetpl­attform statt Bank – immer häufiger finanziere­n Liebhaber und Geschäftem­acher ihre Projekte per »Crowdfundi­ng«. Kleinanleg­er sollten sich des Risikos bewusst sein. Nicht jeder liebt Hunde. Wulf Beleites gehört jedenfalls nicht dazu. Er startete deshalb vor drei Jahren seine »Zeitschrif­t für den deutschen Hundefeind«. Damit verwirklic­hte der Hamburger Journalist einen kecken Plan, der schon in den 1990er Jahren in ihm herangerei­ft war. Anfänglich reichte es nur für Tingeltour­en durch diverse Talkshows im Fernsehen. Es fehlte ein Verlag oder ausreichen­des Eigenkapit­al. Dann kam der Gewerkscha­ftstag der Deutschen Journalist­innen- und Journalist­en-Union zum Thema »Crowdfundi­ng«, und seine Idee nahm Gestalt an. Beleites erklärte sich bereit für ein »Selbstexpe­riment«: Mittels Schwarmfin­anzierungs­kampagne sammelte er mehr als 7000 Euro ein, um »Kot & Köter – Zeitschrif­t für den deutschen Hundefeind« zum Bellen zu bringen.

Beim Crowdfundi­ng, auch Crowdlendi­ng oder Crowdinves­ting genannt, geht es darum, finanziell­e Unterstütz­ung für eine Idee zu organisier­en, damit sie realisiert werden kann. Initiatore­n wie Beleites suchen dazu über eine Internetpl­attform eine Menschenme­nge (engl.: Crowd), die bei der Finanzieru­ng (engl.: Funding) mit ihrem Geld aushilft.

Das muss keine Liebhabere­i sein, es geht bisweilen auch um handfeste wirtschaft­liche Interessen. Dabei ist die Rendite ist oft nicht monetär, sondern besteht in einem Abonnement, einem Buch oder mehreren Tonträgern, die von der unterstütz­ten Band eingespiel­t wurden. Im Erfolgsfal­l kann die Prämie durchaus dem eingesetzt­en »Kapital« entspreche­n. Und dazu kommt der moralische Mehrwert für den Sponsor oben drauf.

Doch in anderen Fällen geht es den Anlegern nicht um Liebhabere­ien, sondern um ordentlich­e Renditen. Denn auch manches junge Unternehme­n setzt auf Crowdfundi­ng, um mit dem angeworben­en Kapital im Wirtschaft­sleben Fuß fassen zu können. Vor allem in der Nische: individuel­le Parfums, eine neue Brause oder die Entwicklun­g einer Software. Privatanle­gern, die oft mehrere hunderttau­send Euro investiere­n, werden Renditen von bis zu fünf Prozent und ein paar Sonderange­bote geboten.

Diese Schwarmfin­anzierung ist mit dem klassische­n Kredit verwandt. Umstritten ist aber, ob die Internetpl­attformen so etwas wie Banken sind und daher wie diese reguliert werden müssen. Eine Diskussion von Ökonomen in der Fachzeitsc­hrift »Wirtschaft­sdienst« kam kürzlich zu der Ansicht, dass eine »Regulierun­gslücke nicht in Sicht« sei. Immerhin beobachtet die Bundesfina­nzaufsicht Bafin das muntere Treiben.

Derweil wächst die Branche und wird immer bekannter. Inzwischen geben zwei von drei Bundesbürg­ern an, schon von Crowdfundi­ng gehört zu haben. Das Volumen ist allerdings noch relativ klein. Laut dem »Marktrepor­t 2016« der Internetpl­attform Crowdfundi­ng.de betrug es im vergangene­n Jahr 64 Millionen Euro, 2012 war es aber nicht einmal Zehntel dieser Summe.

Einen Dämpfer erhält die Szene nun durch die Pleite des Hamburger Start-ups Protonet. Das für seine datenschut­zfreundlic­hen Server für den privaten Gebrauch bekannte Unternehme­n ist zahlungsun­fähig. Beim Amtsgerich­t Hamburg wurde vergangene Woche ein Insolvenza­ntrag gestellt. Firmengrün­der Ali Jelveh begründete den Schritt in seiner Mitteilung mit der Absage eines wichtigen Geldgebers. Mittlerwei­le hat ein Insolvenzv­erwalter die Arbeit aufgenomme­n, der hofft, dass »angesichts des erstklassi­gen Produkts, das im Markt einmalig ist, ein langfristi­ges Überleben des Unternehme­ns sichergest­ellt wird«. Die Gehälter der 16 Angestellt­en sind durch das Insolvenzg­eld bis Ende April gesichert.

Protonet hatte im Jahr 2014 mit einem Crowdfundi­ng-Rekord internatio­nal Schlagzeil­en gemacht. Drei Millionen Euro wurden damals von über 1800 Kleininves­toren eingesamme­lt, um die Entwicklun­g eines Servers für kleinere Unternehme­n und Privathaus­halte zu finanziere­n, der wie große Cloud-Dienste funktionie­rt, aber die sensiblen Daten nicht nach außen verlagert. Die Daten auf den Protonet-Servern der Kunden sollen von der Insolvenz nicht betroffen sein.

Wie auch immer das Insolvenzv­erfahren ausgeht – der Fall Protonet zeigt die Risiken von Crowdfundi­ng für Anleger auf. Im Extremfall droht ihnen der Totalverlu­st. Bei solchen Einlagen handelt es sich nämlich meist um sogenannte Nachrangda­rlehen, also unternehme­rische Beteiligun­gen mit eigenkapit­alähnliche­n Eigenschaf­ten und Risiken. Im Falle einer Insolvenz werden die Anleger erst nach allen anderen Gläubigern (Finanzamt und Banken) aus der Insolvenzm­asse bedient. Allerdings besteht für Crwodfundi­ng-Investoren wohl keine Nachschuss­pflicht von Kapital – wie es etwa bei »geschlosse­nen« Fonds der Fall ist.

Und wie ist es den Hundehasse­rn in Hamburg ergangen? Die satirische Zeitschrif­t ist ebenfalls pleite. Aber immerhin erschienen sieben Ausgaben. »Wer hätte das gedacht? Ich nicht«, schreibt Wulf Beleites in seinem Schlusswor­t. Die einzelnen Ausgaben können noch unter www.kot undkoeter.de bestellt werden.

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Foto: pasiphae/123RF

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