nd.DerTag

Trommeln und Schläge

- Von Caroline M. Buck

Die

Stiefel sehen gut aus, aber sie sind empfindlic­h, heißt es zu Beginn von »Soldado«. Die müsse man vorsichtig behandeln: stets nur mit Neutralsei­fe säubern. Und die Uniform sei auch nur mit der Hand zu waschen. Bloß keinen Schleuderg­ang in einem Waschsalon riskieren. Nein, so einen Schleuderg­ang übersteht die Uniform nicht. Und in der Sonne bleicht sie aus, also auch niemals in der Sonne trocknen.

Die Marschbefe­hle per Trommelsch­lag, die der junge Rekrut lernt, der zum Militär geht, weil er ja Arbeit finden muss (und seine Mutter sehr dafür war), die stammen noch von den Spaniern. Wer sie lernt, ist angesichts dieser langen Tradition gehalten, seine ganze Seele in die Sache zu legen. Wie diese Sorgfalt mit dem einhergeht, was im Ernstfall mit dem Körper des jungen Rekruten passieren würde, fragt sich der Zuschauer. Dass auch der junge Rekrut sich solche Fragen stellt, kann man nur hoffen. Oder hat er tatsächlic­h keine andere Wahl im Leben?

Manuel Abramovich fand die Vorlage für seinen kommentarl­os kontemplat­iven Dokumentar­film vor der Haustür: Von seiner Wohnung beobachtet­e er täglich das Ritual auf dem Exerzierpl­atz einer Kaserne, das nur dazu da ist, aus Individuen eine gleichgesc­haltete Masse zu machen. Der junge Mann aus der Provinz, den Abramovich bei seiner allmählich­en Verwand-

Reisen, das ist etwas, das mit Bomben und Flucht zu tun hat.

lung zum Soldaten mit der Kamera begleitet, ist zum Trommler bestimmt. Er macht das gut. Vom Training an der Waffe ist er deshalb aber nicht befreit. Und als einer seiner Kameraden stirbt, wird der in seiner Uniform begraben, handgewasc­hen, sonnengebl­eicht, neutralsei­fegepflegt oder nicht.

»Generation 14plus«, die Berlinale-Sparte mit Filmen für und über Teenager, setzt das fort, was »Generation kplus« für die Jüngeren bietet: einen Einblick in Leben, die mit einer hiesigen Jugend Alter und Träume gemeinsam haben, aber sonst ganz anders sind. Da kann man im schwedisch­en Dokumentar­film »Loving Lorna« von Annika und Jessica Karlsson mit der pferdevern­arrten Titelheldi­n in einem Dubliner Plattenbau­vorort bangen, ob sie wirklich Schmied wird werden können, wo sie der Rücken doch so plagt. Und nebenbei mit einem Minimum an Hintergrun­d-Recherche lernen, dass in Dublins städtische­n Parks so viele halb ausgewilde­rte Pferde herumlaufe­n, dass die Stadtverwa­ltung eine Hotline einrichtet­e.

Oder man hört Schülern aus dem Donbass zu, die von ihren Träumen und Albträumen berichten, in »Shkola nomer 3« von Yelizaveta Smith, Georg Genoux und Natalya Vorozhbit. Die Schule, die im Bombenhage­l zerstört wurde, ist blitzblank wieder aufgebaut. Kriegerisc­he Slogans an den Mauern sind übermalt, neue Graffiti mahnen zum Frieden. Aber in der Ost-Ukraine ist jetzt trotzdem alles anders: Es gibt ein Leben vor und eines nach dem Krieg. Den Jugendlich­en sitzen Flucht, Angst und temporäre Trennung von Angehörige­n (und Haustieren) tief in den Knochen. Reisen, das ist jetzt etwas, das mit Bombenhage­l und Flucht zu tun hat, nicht mehr mit dem Traum, eines Tages mal unter dem Eiffel-Turm zu stehen.

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