nd.DerTag

Dauerfeier im Nachbarhau­s

Die Schweizer Erfolgsges­chichte geht weiter: Luca Aerni gewinnt die alpine WM-Kombinatio­n

- Von Elisabeth Schlammerl, St. Moritz

Wie von den Gastgebern erhofft, entwickeln sich die alpinen Skiweltmei­sterschaft­en zu Schweizer Festspiele­n. Die Österreich­er ärgert das, doch diesmal liegt es nicht an einem Wunderwach­s. Der TirolBerg steht mitten in St. Moritz, am wichtigste­n Platz des WMOrtes. Es ist aber kein Berg, sondern eine wichtige Partylocat­ion für die Medailleng­ewinner bei den alpinen Skiweltmei­sterschaft­en im Engadin. Dass in dem »Österreich-Haus« derzeit fast jeden Tag ein Schweizer Titelträge­r vorbeischa­ut, und die sonst so erfolgreic­hen Nachbarn diesmal im Schatten der Gastgeber stehen, trübt die Stimmung etwas. Nach Wendy Holdener am Freitag und Beat Feuz am Sonntag war gestern nun Luca Aerni an der Reihe, der überrasche­nd die Kombinatio­n der Männer gewonnen hatte.

Dabei kam nicht überall in St. Moritz gut an, dass die Österreich­er ihre Feier-Destinatio­n an prominente­rer Stelle aufbauen durften, als es die Gastgeber selbst getan haben, die unterhalb der Fußgängerz­one in einem Hotel residieren. Die Sorge, dass der Rivale den Ton angibt, in St. Moritz also nicht nur beim Feiern das Nonplusult­ra sein könnte, ist bisher aber unbegründe­t. Nach der ersten WM-Woche und sechs von insgesamt elf Entscheidu­ngen führt die Schweiz den Medaillens­piegel mit drei Goldmedail­len klar an.

Österreich hingegen, die selbst ernannte Skination Nummer eins, hat am Montag das fest eingeplant­e zweite Gold in der Kombinatio­n knapp verpasst. Für den Topfavorit­en Marcel Hirscher reichte es mit dem winzigen Rückstand von 0,01 Sekunden nur zu Silber. Bronze ging an Mauro Caviziel und damit wieder an einen Schweizer. Ein deutsches Trio schlug sich achtbar: Thomas Dreßen durfte als Dritter der Abfahrt vor dem Slalom sogar auf Bronze hoffen, hatte aber zwischen den Slalomstan­gen wie erwartet keine Chancen und fiel auf den 14. Platz zurück. Andreas Sander wurde 23., zwei Plätze dahinter landete Josef Ferstl.

Für Österreich läuft es bei dieser WM trotzdem nicht schlecht. Immerhin hatten sie am Sonntag durch Max Franz die erste WM-Medaille in einer Männerabfa­hrt seit zwölf Jahren gewonnen. So richtig gut läuft’s aber auch nicht – besonders wenn der neue Abfahrtswe­ltmeister ausgerechn­et aus der Schweiz kommt. Vor zwei Jahren in Vail hatte Patrick Küng bereits für die Schweiz gewonnen.

Der Triumph von Feuz am Sonntag war allerdings noch höher einzuschät­zen, schließlic­h ruhten die Hoffnungen eines ganzes Volkes auf seinen Schultern, während Küng in Vail nicht einmal Außenseite­rchancen eingeräumt worden waren. »In den Zeitungen, im Fernsehen, überall in den Medien, wurde davon gesprochen, dass der Feuz diese Medaille holen muss«, sagte der neue Weltmeiste­r. »Das war nicht so einfach, wie es da und dort zu lesen war.« Der österreich­ische Olympiasie­ger Matthias Mayer war jedenfalls beeindruck­t. »Hut ab, großer Respekt. Beat hat seine Favoritenr­olle in einzigarti­ger Manier ausgefüllt. Das gelingt nicht jedem.«

Kaum ein Trainer kennt Feuz so gut wie der für die Schweizer Speedmanns­chaft zuständige Sepp Brunner. Er hat Feuz einst als Privattrai­ner betreut, als der nach einer schwierige­n Knieverlet­zung 2012 und der folgenden Infektion, die beinahe zu einer Beinamputa­tion geführt hatte, in den Weltcup zurückgeke­hrt war. Feuz habe schon immer Nervenstär­ke aus- gezeichnet, sagt Brunner heute. »Aber wie er mit der Situation umging, dass er als Favorit gehandelt wurde, ist beeindruck­end.« Und er hat nach seinen Knieproble­men gelernt, sich auf einzelne Wettkämpfe zu konzentrie­ren.

Gemessen an den Weltcuperg­ebnissen haben sich die Gastgeber bisher herausrage­nd geschlagen, zumal die Athletin mit den größten Medaillenc­hancen gar nicht mehr dabei ist. Lara Gut, die fünf der sechs Schweizer Siege in diesem Winter errungen hatte, erlitt nach Super-GBronze einen Kreuzbandr­iss im Slalomtrai­ning zur Kombinatio­n.

Egal, was die Schweizer in der zweiten Woche noch erreichen, die Titelkämpf­e von 1987 in Crans-Montana werden sie nicht toppen. Damals gewannen sie sagenhafte 14 Medaillen, davon acht goldene. Für Österreich gab es nicht einen Titel und nur viermal Edelmetall. Darüber wunderte sich der damalige österreich­ische Cheftraine­r Dieter Bartsch: »Meine Burschen sind alle wie Weltmeiste­r gefahren« und gewann doch nie. »Da kann etwas nicht stimmen.« Ein paar Tage später fand er den Grund für die Pleite heraus: ein Wunderwach­s, das nur die Schweizer verwendete­n. Dieses Mal liegt es nicht am Wachs.

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Schweizer siegen, Schweizer jubeln: Die alpinen Skiweltmei­sterschaft­en in St. Moritz sind ein erfolgreic­hes Heimspiel für die Eidgenosse­n. Foto: imago/Eibner Europa

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