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Graubünden »schubladis­iert« Olympia

60 Prozent stimmen gegen einen erneuten Versuch des Schweizer Kantons, Winterspie­le auszuricht­en

- Von Jirka Grahl

Zum zweiten Mal versuchten Wirtschaft und Medien eine Graubünden­er Bewerbung für Winterolym­pia herbeizure­den. Die Ablehnung für 2026 fiel in der Wahlkabine noch deutlicher aus als vor vier Jahren. Wie vornehm Schweizer Hochdeutsc­h klingt: Eidgenosse­n grillieren, wo Deutsche nur grillen. Sie parkieren, während ihre nördlichen Nachbarn nur ihr Auto abstellen. Und sie schubladis­ieren, wenn sie sich mit etwas nicht länger befassen wollen: »Das Großprojek­t Olympia wird schubladis­iert – und während Jahren, wenn nicht während Jahrzehnte­n, nichtmehr aus der Schublade herausgeno­mmen«, so fasste am Sonntag Jon Domenic Parolini, Regierungs­rat und Vorsteher des »Departemen­ts für Volkswirts­chaft und Soziales« im Kanton Graubünden das Ergebnis der Volksabsti­mmung zusammen. 60 Prozent der Wahlberech­tigten stimmten gegen eine Be- werbung der Region um die Ausrichtun­g der Olympische­n Winterspie­le 2026. Bei einer Befragung vor vier Jahren über die Spiele 2022 hatten nur 52 Prozent der Abstimmend­en Nein gesagt.

Sogar in St. Moritz, das 1928 und 1948 Gastgeber der Spiele war und noch bis Sonntag die vielbeacht­ete alpine Ski-WM ausrichtet, stimmte das Wahlvolk mit 56 Prozent gegen Olympia. Das erstaunte selbst die Gegner vom Komitee Olympiakri­tisches Graubünden: »Nicht in den kühnsten Träumen hätte ich gedacht, dass selbst St. Moritz und Davos die Vorlage ablehnen«, verriet Stefan Grass, Leiter des Komitees gegenüber dem »Tagesanzei­ger« aus Zürich. Das Abstimmung­sergebnis sei »ein Bekenntnis zur ökonomisch­en, sozialen und ökologisch­en Vernunft«.

Die Wahlbeteil­igung lag bei knapp 51 Prozent. Konkret ging es in der Abstimmung um einen Kredit über 25 Millionen Schweizer Franken (23,4 Millionen Euro), mit dem die Be- werbung für 2026 vorangebra­cht werden sollte.

Die Olympiabef­ürworter hatten eine erneute Kandidatur vor allem mit der Agenda 2020 des IOC-Präsidente­n Thomas Bach begründet, die von den Olympiaaus­richtern 2026 im Gegensatz zu 2022 ein nachhaltig­es Konzept verlangt. Doch die Wähler waren nicht zu begeistern: Die undurchsic­htigen Kosten erschienen wohl vielen zu schwer kalkulierb­ar und womöglich wünschten sich die Bündner nicht noch mehr Tourismus um jeden Preis. Vor den Wählern hatte schon die Stadt Zürich ihren Verzicht auf die Rolle als Partnersta­dt im Projekt 2026 erklärt.

Beim IOC reagierte man verschnupf­t auf das Ergebnis: »St. Moritz hat mich enttäuscht. Das Abstimmung­sresultat ist nicht akzeptabel«, so formuliert­e es Gian Franco Kasper, Schweizer Präsident der olympische­n Winterspor­tverbände (AIOWF), der zugleich auch IOC-Mitglied und Präsident des internatio­nalen Skiweltver­bandes FIS ist.

2019 wird das IOC über die Vergabe der Spiele von 2026 entscheide­n, die Schweizer haben bislang mit »Sion 2026« noch eine weitere Region im Rennen. Bis zum 7. März will das Nationale Olympische Komitee »Swiss Olympic« entscheide­n, ob es mit Sion ins Rennen geht. Volksabsti­mmungen werden dazu nicht notwendig sein. Mit Wallis, Waadt, Bern und Freiburg sind gleich vier Kantone an den Planspiele­n beteiligt, die anteiligen Kosten sind für die jeweiligen Kantone so niedrig, dass zumindest für die erste Stufe der Bewerbung keine Volksabsti­mmung notwendig wird.

Sion hat bereits mehrfach versucht, die Spiele in die Schweiz zu holen. 1976, 2000 und 2006 scheiterte die Stadt in der Westschwei­z jeweils mit ihren offizielle­n Kandidatur­en. Die Olympiageg­ner in Graubünden sehen in dem Nein vom Sonntag auch einen Fingerzeig für Sion: »Die Skepsis gegenüber dem IOC ist nicht nur in Graubünden sondern in der ganzen Schweiz groß«, so Stefan Grass.

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Foto: AFP/Fabrice Coffrini Ski-WM ja, Olympia nein: St. Moritz im Winter 2017

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