nd.DerTag

Sammelwut und unguter Korpsgeist

Warum Schleswig-Holsteins Polizei Imageprobl­eme hat

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Wenn es um polizeilic­hes Handeln geht, schaut die Piratenfra­ktion in Schleswig-Holsteins Landtag besonders genau hin. Während bei operativen Überwachun­gsmaßnahme­n immer mehr Bürger unter Generalver­dacht gestellt werden, wird in Fällen polizeilic­hen Fehlverhal­tens seitens der Verantwort­lich nur oberflächl­ich agiert – oder gar nicht erst hingesehen.

Der Piraten-Abgeordnet­e und Fraktionsc­hef Patrick Breyer machte jetzt publik, dass die schleswig-holsteinis­che Polizei mit ihrem Informatio­nssystem »Artus« aktuell unter der Prämisse von Prävention und Gefahrenab­wehr Daten von über 390 000 Bürgern gespeicher­t hat – ohne den konkreten Verdacht, dass eine Straftat begangenen wurde. Vor drei Jahren lag die Zahl noch bei knapp 315 000 Personen. »Das ist ein sehr starker Anstieg um 25 Prozent, für den kein Grund erkennbar ist«, sagt Breyer zum seiner Ansicht nach alarmieren­den polizeilic­hen Daten-Hunger. Denn, so der Abgeordnet­e, die Sicherheit­slage im Land habe sich eben nicht in entspreche­nder Weise zugespitzt.

Breyer geht davon aus, dass viele Betroffene nichts von ihrer Erfassung wissen, zumal es auch keine Mitteilung­spflicht gibt. Die Speicherun­g kann bis zu fünf Jahre dauern, verlängert sich aber bei jedem neuen Vorgang wieder um diesen Zeitraum. Mit Argwohn schaut auch das Unabhängig­e Landeszent­rum für Datenschut­z auf den teilweise intranspar­enten und unkontroll­ierten Umgang mit »Artus«.

Mit Unverständ­nis haben die Piraten auch registrier­t, dass die Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en wegen Körperverl­etzung im Amt im Fall von schlagende­n und tretenden Polizisten in Flensburg eingestell­t hat. Dabei ging es um einen Polizeiein­satz zur Räumung des besetzten alternativ­en Kulturkomp­lexes »Luftschlos­sfabrik« vor etwas mehr als einem Jahr. Entspreche­nde Bilder von einem einseitig gewaltsame­n Vorgehen der Polizei gegen protestier­ende Demonstran­ten waren im Internet verbreitet worden. Eine Begründung, warum die Strafverfo­lgung gegen beteiligte Polizeikrä­fte gestoppt wurde, erhielt Breyer bislang nicht. Als Argument diente dabei der Hinweis darauf, dass noch immer Ermittlung­en gegen Demonstran­ten wegen Widerstand­shandlunge­n laufen würden und der Vorgang noch nicht abgeschlos­sen sei.

Ebenfalls um das Bild des ganzen Berufstand­es in der Öffentlich­keit geht es in der Polizeisch­ulAffäre aus dem Jahr 2014, die die Piraten im vergangene­n Jahr an die Öffentlich­keit gebracht haben. Rassistisc­he, fremdenfei­ndliche und sexuell anzügliche Bemerkunge­n sowie Mitteilung­en unter Polizeianw­ärtern kamen ans Tageslicht, doch komplett aufgearbei­tet wurden die Vorkommnis­se bis heute nicht. Im Gegenteil: Im Zuge der Ermittlung­en wurde laut Breyer nach Gesprächen mit Vorgesetzt­en offenbar Druck auf die Hinweisgeb­er ausgeübt. Sie nahmen jedenfalls ihre Beschwerde­n gegen die Einstellun­g zunächst eingeleite­ter Strafverfa­hren zurück.

In einem Fall wird nun gar gegen eine Hinweisgeb­erin wegen des Verdachts falscher Anschuldig­ung ermittelt. Das sende in den Augen Breyers ein falsches Signal an Polizeiang­ehörige und fördere unguten Korpsgeist. »Hinweisgeb­er müssen geschützt statt eingeschüc­htert werden. Interne Ermittlung­en müssen einer unabhängig­en Stelle übertragen werden, statt Kollegen gegen Kollegen ermitteln zu lassen«, betont der Abgeordnet­e. Mit der Forderung nach solch einer Stelle stehen die Piraten im Landtag aber alleine da.

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