INSA und die Jubelsozis
Roberto J. De Lapuente über den falschen Freudentaumel der SPD als Folge steigender Umfragewerte
Der Rausch, in dem sich die Sozialdemokraten seit einigen Tagen befinden, kommt aus Erfurt. Dort hat das Institut für neue soziale Antworten (INSA) seinen Sitz. Jenes Institut, das die Sonntagsfrage neulich so beantwortete: Die SPD überrundet die Union. Geleitet wird dieses Institut von einem gewissen Hermann Binkert, dem man ein Faible für die AfD, insbesondere für deren thüringischen Landesverband mit Björn Höcke an der Spitze, nachsagt. Laut »Spiegel« erbrachte ein Binkert-Unternehmen bezahlte Leistungen für eben diesen Landesverband. Außerdem trat Binkert bei der »Huffington Post« wohl mehrfach als Autor von Texten in Erscheinung, die die AfD lobenswert thematisierten.
Vielleicht sollte man inmitten dieses Freudentaumels auch mal den Hintergrund des INSA berücksichtigen. Im Umfeld der AfD, dieser »Merkel-muss-weg-Partei«, in dem Herr Binkert laut Berichten tätig sein soll, besteht ja durchaus ein reges Interesse an der Ablösung der Bundeskanzlerin. Wenn man Prognosen nicht nur als das, sondern auch als prägenden Faktor des politischen Klimas verstehen will, dann sind Meldungen wie jene, dass die SPD an der Union vorbeizieht, unerlässliche Instrumente der Wählerinstruktion.
Auch der ehemalige Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner glaubt nicht an das, was da als Wechselstimmung präsentiert wurde. So schnell funkti- onieren Meinungsumschwünge nicht, verkündete er. All das kümmert die Jubelsozis momentan herzlich wenig. Sie fühlen sich stark wie lange nicht mehr. Wer will da noch hinterfragen? Nein, man redet sich nun ein, doch fast alles richtig gemacht zu haben. Die Zeit der Entbehrungen sei vorbei, die Macht dagegen greifbar nahe. Ist das eigentlich ein Fall von digitaler Demenz? Oder wie nennt man dieses Phänomen?
Denn die politische Macht wurde bereits 2013 verschmäht. Damals hätte es für Rot-Rot-Grün gereicht. Und das, obgleich man 16 Prozentpunkte hinter der Union lag. Die Freudenprognose allerdings, in der man mit einem Punkt vor ihr liegt, zeigt eines: Man kann die Bundestagssitze berechnen wie man will – ob nun mit dem D’Hondt-, dem Hare/Niemeyer- oder dem Sainte-Laguë-Verfahren – es reicht nicht für die absolute Mehrheit. Man ist aus dieser Perspektive mitnichten so stark wie lange nicht mehr. Anders gesagt: So sieht Phlegma aus. Denn wie will man es sonst nennen, wenn jemand im günstigen Moment zögert, um im ungünstigen Augenblick auszumerzen, was vorher viel leichter gewesen wäre?
Der ungünstige Augenblick heißt, als Abbreviatur genannt: AfD. Die gab es 2013 noch nicht als Partei im Bundestag. Dieses Jahr wird das anders sein. Daher verschieben sich die Konstellationen im Bundestag – und das vermutlich so sehr, dass noch nicht einmal eine Extremprognose wie jene des INSA klare Verhältnisse bringt. Viele der Sozialdemokraten, die nun Schulz als Erlöser aus der Knechtschaft feiern, zeigen dann auch vorwurfsvoll auf die Rechtspartei und finden, dass das bei aller guten Prognose noch immer eine schlechte Prognose sei. Mit den Worten Schulzes: eine Schande für die Bundesrepublik.
Dabei gibt es diese Alternative für Deutschland nur, weil die Sozialdemokraten sich nun schon über Jahrzehnte weigern, eine Alternative für Deutschland sein zu wollen. So ist es denn auch sehr bequem, wenn man mit dem Finger auf den blauen Balken bei der Präsentation von Sonntagsfragen zeigt und verständnislos tut. Es gilt aber auch hier: Von nichts kommt nichts. Diese AfD als Massenphänomen ist weitaus weniger das Kind des rechten Flügels der Union als das einer heruntergewirtschafteten Sozialdemokratie.
Vielleicht weiß das ja auch das INSA und wollte sich erkenntlich erweisen. Und dass diese Prognose aus dem Hause Binkerts eine annähernde Pattsituation schafft, in der sich die Union als stärkste Kraft nur mit Hilfe der AfD noch einmal ins Kanzleramt hieven kann, ist wahrscheinlich auch bloßer Zufall.