nd.DerTag

Bundesregi­erung leugnet Sanktionsf­olgen

Angeblich hatten die Strafmaßna­hmen gegen Russland kaum Auswirkung­en auf die ostdeutsch­e Exportwirt­schaft

- Von Fabian Lambeck

Geht es nach der Bundesregi­erung, dann sind die Exporteinb­rüche im Russlandge­schäft keine Folge der EU-Sanktionen. Die ostdeutsch­en Maschinen- und Anlagenbau­er sehen das anders. Die Wirtschaft­ssanktione­n der EU gegen Russland treffen die ostdeutsch­e Wirtschaft besonders hart, pflegt man doch zu Russland ein traditione­ll gutes Verhältnis. Vielfach knüpfte man an die engen Handelsbez­iehungen an, die zwischen der DDR und der Sowjetunio­n bis 1990 bestanden. Vom Hafenkran bis zum Eisenbahnw­aggon: Viele Produkte aus der »GDR« sind heute noch im Einsatz zwischen St. Petersburg und Wladiwosto­k.

Angesichts dieser Ausgangsla­ge sollte man meinen, die Bundesregi­erung sei im Bilde und bereit, bei entspreche­nden Problemen einzugreif­en. Doch stattdesse­n redet man die Folgen der seit 2014 bestehende­n Sanktionen klein. Das zumindest legt die Antwort des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums nahe, die »neues deutschlan­d« vorliegt. In dem an die Ost-Koordinato­rin der Linksfrakt­ion, Susanna Karawanski­j, gerichtete­n Schreiben bestreitet der zuständige Staatssekr­etär Matthias Machnig (SPD), dass die Sanktionen der deutschen Wirtschaft erhebliche­n Schaden zugefügt haben. »Aus Sicht der Bundesregi­erung treten die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der EUSanktion­en gegen die Russische Föderation auf Deutschlan­d, etwa auf die Entwicklun­g der deutschen Exporte nach Russland, hinter anderen Faktoren zurück«, so Machnig.

Die Bundesregi­erung sehe »als zentralen Faktor für den Rückgang der deutschen Exporte nach Russland« den wirtschaft­lichen Abschwung Moskaus an. Die deutschen Exporte nach Russland seien bereits in den nicht von EU-Wirtschaft­ssanktione­n erfassten Monaten bis Juli 2014 gegenüber dem entspreche­nden Vorjahresz­eitraum um 15,3 Prozent zurückgega­ngen. »Die EU-Sanktionen tragen somit zur Fortsetzun­g eines bereits bestehende­n Trends bei, sind aber selbst kein ausschlagg­ebender Faktor für den zu beobachten­den Exportrück­gang.« Neben strukturel­len Schwächen und gewachsene­n Kapitalabf­lüssen rühre dieser Abwärtstre­nd »vor allem vom niedrigen Ölpreis her«, so Machnig.

Reinhard Pätz, Geschäftsf­ührer des Maschinen- und Anlagenbau­verbands VDMA Ost, sieht das etwas anders: »Der Ölpreis spielt sicher eine Rolle, doch das Embargo hat die ostdeutsch­en Maschinenb­auer teilweise empfindlic­h getroffen«, so Pätz gegenüber »nd«. Anders als die Ma- schinenbau­er im Westen hätten die Firmen in den neuen Ländern die Ausfälle nicht durch Exporte in Drittstaat­en kompensier­en können.

Machnig hingegen verweist auf die Exportstat­istiken, die zeigten, dass »sich kein eindeutige­s Bild hinsichtli­ch einer unterschie­dlichen Betroffenh­eit von ostdeutsch­en oder westdeutsc­hen Bundesländ­ern ergibt«. Tatsächlic­h verzeichne­ten auch Hamburg oder Bremen große Ausfälle. »Traditione­ll ist der Anteil Russlands am Exportgesc­häft bei unseren Firmen aber größer als in den westdeutsc­hen Ländern«, sagt VDMA-OstChef Pätz. So habe es bei Unternehme­n sanktionsb­edingte Einbrüche von bis zu 30 Prozent gegeben. Ohnehin hinkt der Osten beim Export hinterher, denn es fehlt an großen Industrieb­etrieben. Um so wichtiger sind da bestehende Handelsbez­iehungen. Machnig, bis 2013 Wirtschaft­sminister in Thüringen, sollte das eigentlich wissen.

In einer weiteren Antwort an Karwanskij muss Machnig einräumen, dass ihm »keine Zahlen zur Exportentw­icklung in die Russische Föderation von kleinen und mittleren Unternehme­n« vorliegen. Heißt: Der Staatssekr­etär kennt die genauen Auswirkung­en der Sanktionen nicht.

Dass es Probleme gibt, zeigen die Zahlen aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Sachsen etwa musste in den ersten elf Monaten des Jahres 2016 beim Export nach Russland einen Rückgang von fast 30 Prozent hinnehmen. In Mecklenbur­g-Vorpommern schrumpfte­n die Ausfuhren gar um 51 Prozent oder 165 Millionen Euro. Deutschlan­dweit gingen die Exporte Richtung Moskau aber nur um 0,3 Prozent zurück.

Für Susanna Karawanski­j sind die Zahlen ein Beleg für die verfehlte Russland-Politik. »Besonders in Ostdeutsch­land leiden die kleinen und mittleren Unternehme­n unter der Russland-Phobie der großen Koalition. Es wird Zeit, dass Kanzlerin Merkel ihre Russischke­nntnisse entstaubt und wieder einen Schritt auf Putin zugeht – das wäre nicht nur gut für die Wirtschaft, sondern auch ein Beitrag zur weltweiten Entspannun­gspolitik.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany