Bundesregierung leugnet Sanktionsfolgen
Angeblich hatten die Strafmaßnahmen gegen Russland kaum Auswirkungen auf die ostdeutsche Exportwirtschaft
Geht es nach der Bundesregierung, dann sind die Exporteinbrüche im Russlandgeschäft keine Folge der EU-Sanktionen. Die ostdeutschen Maschinen- und Anlagenbauer sehen das anders. Die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland treffen die ostdeutsche Wirtschaft besonders hart, pflegt man doch zu Russland ein traditionell gutes Verhältnis. Vielfach knüpfte man an die engen Handelsbeziehungen an, die zwischen der DDR und der Sowjetunion bis 1990 bestanden. Vom Hafenkran bis zum Eisenbahnwaggon: Viele Produkte aus der »GDR« sind heute noch im Einsatz zwischen St. Petersburg und Wladiwostok.
Angesichts dieser Ausgangslage sollte man meinen, die Bundesregierung sei im Bilde und bereit, bei entsprechenden Problemen einzugreifen. Doch stattdessen redet man die Folgen der seit 2014 bestehenden Sanktionen klein. Das zumindest legt die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums nahe, die »neues deutschland« vorliegt. In dem an die Ost-Koordinatorin der Linksfraktion, Susanna Karawanskij, gerichteten Schreiben bestreitet der zuständige Staatssekretär Matthias Machnig (SPD), dass die Sanktionen der deutschen Wirtschaft erheblichen Schaden zugefügt haben. »Aus Sicht der Bundesregierung treten die wirtschaftlichen Auswirkungen der EUSanktionen gegen die Russische Föderation auf Deutschland, etwa auf die Entwicklung der deutschen Exporte nach Russland, hinter anderen Faktoren zurück«, so Machnig.
Die Bundesregierung sehe »als zentralen Faktor für den Rückgang der deutschen Exporte nach Russland« den wirtschaftlichen Abschwung Moskaus an. Die deutschen Exporte nach Russland seien bereits in den nicht von EU-Wirtschaftssanktionen erfassten Monaten bis Juli 2014 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 15,3 Prozent zurückgegangen. »Die EU-Sanktionen tragen somit zur Fortsetzung eines bereits bestehenden Trends bei, sind aber selbst kein ausschlaggebender Faktor für den zu beobachtenden Exportrückgang.« Neben strukturellen Schwächen und gewachsenen Kapitalabflüssen rühre dieser Abwärtstrend »vor allem vom niedrigen Ölpreis her«, so Machnig.
Reinhard Pätz, Geschäftsführer des Maschinen- und Anlagenbauverbands VDMA Ost, sieht das etwas anders: »Der Ölpreis spielt sicher eine Rolle, doch das Embargo hat die ostdeutschen Maschinenbauer teilweise empfindlich getroffen«, so Pätz gegenüber »nd«. Anders als die Ma- schinenbauer im Westen hätten die Firmen in den neuen Ländern die Ausfälle nicht durch Exporte in Drittstaaten kompensieren können.
Machnig hingegen verweist auf die Exportstatistiken, die zeigten, dass »sich kein eindeutiges Bild hinsichtlich einer unterschiedlichen Betroffenheit von ostdeutschen oder westdeutschen Bundesländern ergibt«. Tatsächlich verzeichneten auch Hamburg oder Bremen große Ausfälle. »Traditionell ist der Anteil Russlands am Exportgeschäft bei unseren Firmen aber größer als in den westdeutschen Ländern«, sagt VDMA-OstChef Pätz. So habe es bei Unternehmen sanktionsbedingte Einbrüche von bis zu 30 Prozent gegeben. Ohnehin hinkt der Osten beim Export hinterher, denn es fehlt an großen Industriebetrieben. Um so wichtiger sind da bestehende Handelsbeziehungen. Machnig, bis 2013 Wirtschaftsminister in Thüringen, sollte das eigentlich wissen.
In einer weiteren Antwort an Karwanskij muss Machnig einräumen, dass ihm »keine Zahlen zur Exportentwicklung in die Russische Föderation von kleinen und mittleren Unternehmen« vorliegen. Heißt: Der Staatssekretär kennt die genauen Auswirkungen der Sanktionen nicht.
Dass es Probleme gibt, zeigen die Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Sachsen etwa musste in den ersten elf Monaten des Jahres 2016 beim Export nach Russland einen Rückgang von fast 30 Prozent hinnehmen. In Mecklenburg-Vorpommern schrumpften die Ausfuhren gar um 51 Prozent oder 165 Millionen Euro. Deutschlandweit gingen die Exporte Richtung Moskau aber nur um 0,3 Prozent zurück.
Für Susanna Karawanskij sind die Zahlen ein Beleg für die verfehlte Russland-Politik. »Besonders in Ostdeutschland leiden die kleinen und mittleren Unternehmen unter der Russland-Phobie der großen Koalition. Es wird Zeit, dass Kanzlerin Merkel ihre Russischkenntnisse entstaubt und wieder einen Schritt auf Putin zugeht – das wäre nicht nur gut für die Wirtschaft, sondern auch ein Beitrag zur weltweiten Entspannungspolitik.«