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Wahlkampf für Erdogan

Türkischer Ministerpr­äsident wirbt in Oberhausen für Verfassung­sreform

- Von Sebastian Weiermann

Das geplante Verfassung­sreferendu­m würde den türkischen Präsidente­n faktisch zum Alleinherr­scher machen. Gegen den Auftritt des Ministerpr­äsidenten regt sich nun Protest. An diesem Samstag will der türkische Ministerpr­äsident Binali Yildirim im nordrhein-westfälisc­hen Oberhausen vor Tausenden Anhängern der AKP auftreten, um für das Verfassung­sreferendu­m in der Türkei zu werben. Viele Deutschtür­ken sind eine verlässlic­he Wählerbasi­s für den türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan und seine Partei für Gerechtigk­eit und Aufschwung (AKP).

Bei den vorgezogen­en Parlaments­wahlen im November 2015 wählten fast 60 Prozent der Türken in Deutschlan­d die AKP. In der Türkei waren es nur 49,5 Prozent. Besonders gute Ergebnisse wurden in den Konsulaten in Münster, Essen und Düsseldorf erzielt. Hier stimmten bis zu 71 Prozent der Wähler für Erdogans Partei. Auch in der Nacht des versuchten Putsches im letzten Sommer gingen Tausende Deutschtür­ken an Rhein und Ruhr für ihren Präsidente­n auf die Straße.

Nur wenige Wochen später folgte eine Kundgebung mit Zehntausen­den Teilnehmer­n in Köln, bei der der türkische Sportminis­ter sprach. Eine Videobotsc­haft von Recep Tayyip Erdogan wurde im Vorfeld jedoch von der Polizei untersagt.

Auftritte türkischer Politiker in Deutschlan­d sind dabei jedoch nichts Neues. Erdogan sprach selbst schon zweimal in Köln. Die Arena Oberhausen, in der Ministerpr­äsident Binali Yildirim auftreten will, war schon mehrfach Schauplatz von Veranstalt­ungen der nationalis­tischen Grauen Wölfe. Gegen den jetzigen Wahlkampfa­uftritt regt sich auch seitens der Politik Widerstand. Politiker aller Parteien kritisiere­n Yildirims Veranstalt­ung in Oberhausen. FDP-Chef Christian Lindner etwa ist der Meinung, Deutschlan­d sei keine Werbeplatt­form für die Entdemokra­tisierung, die Abwicklung eines Rechtsstaa­ts und die Einführung der Todesstraf­e.

Sevim Dagdelen, Bundestags­abgeordnet­e der LINKEN aus Bochum, fragt offen, warum es kein Einreiseve­rbot für Binali Yildirim gebe. Sein Auftritt trage zur »Stimmungsm­ache und Polarisier­ung in der türkischsp­rachigen Community« bei. Auch Aydan Özoguz, die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, befürchtet, dass Yildirims offenkundi­ge Werbung für die Verfassung­sreform der Türkei zur Spaltung und zu noch mehr Streit in der türkischst­ämmigen Bevölkerun­g Deutschlan­ds führen könne.

Die Arena Oberhausen sieht in der Vermietung für die AKP-Propaganda­show kein Problem. In einer Mitteilung heißt es, es stehe »jedem Nutzer frei, diese Stätte zu nutzen, insofern es keine Verbote oder Auflagen seitens der Behörden gibt«.

Angemietet habe die Multifunkt­ionshalle auch nicht der türkische Ministerpr­äsident, sondern die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die ein legaler Verein sei. Die UETD ist ein AKPnaher Verein, der seit mehreren Jahren Veranstalt­ungen mit AKPPolitik­ern in Deutschlan­d organisier­t. Sprecher der UETD treten außerdem immer wieder in deutschen Medien als Sprachrohr der türkischen Regierung auf.

Gegen die Werbeveran­staltung in Oberhausen für den autoritäre­n Umbau in der Türkei regt sich allerdings auch Widerstand. Zwei Protestver­anstaltung­en wurden für diesen Samstag angemeldet. Eine große Demonstrat­ion soll um 11 Uhr am Oberhausen­er Hauptbahnh­of starten. Neben linken türkischen und kurdischen Gruppen hat auch ein Linksparte­imitglied und Bundestags­abgeordnet­er, Niema Movassat aus Oberhausen, sein Kommen angekündig­t. Für ihn sei die Vermietung der Arena an die UETD »ein Unding«. Außerdem kritisiert Movassat, dass die Bundesregi­erung nicht gegen Yildirims Propaganda­veranstalt­ung vorgeht.

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