Wahlkampf für Erdogan
Türkischer Ministerpräsident wirbt in Oberhausen für Verfassungsreform
Das geplante Verfassungsreferendum würde den türkischen Präsidenten faktisch zum Alleinherrscher machen. Gegen den Auftritt des Ministerpräsidenten regt sich nun Protest. An diesem Samstag will der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim im nordrhein-westfälischen Oberhausen vor Tausenden Anhängern der AKP auftreten, um für das Verfassungsreferendum in der Türkei zu werben. Viele Deutschtürken sind eine verlässliche Wählerbasis für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seine Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP).
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im November 2015 wählten fast 60 Prozent der Türken in Deutschland die AKP. In der Türkei waren es nur 49,5 Prozent. Besonders gute Ergebnisse wurden in den Konsulaten in Münster, Essen und Düsseldorf erzielt. Hier stimmten bis zu 71 Prozent der Wähler für Erdogans Partei. Auch in der Nacht des versuchten Putsches im letzten Sommer gingen Tausende Deutschtürken an Rhein und Ruhr für ihren Präsidenten auf die Straße.
Nur wenige Wochen später folgte eine Kundgebung mit Zehntausenden Teilnehmern in Köln, bei der der türkische Sportminister sprach. Eine Videobotschaft von Recep Tayyip Erdogan wurde im Vorfeld jedoch von der Polizei untersagt.
Auftritte türkischer Politiker in Deutschland sind dabei jedoch nichts Neues. Erdogan sprach selbst schon zweimal in Köln. Die Arena Oberhausen, in der Ministerpräsident Binali Yildirim auftreten will, war schon mehrfach Schauplatz von Veranstaltungen der nationalistischen Grauen Wölfe. Gegen den jetzigen Wahlkampfauftritt regt sich auch seitens der Politik Widerstand. Politiker aller Parteien kritisieren Yildirims Veranstaltung in Oberhausen. FDP-Chef Christian Lindner etwa ist der Meinung, Deutschland sei keine Werbeplattform für die Entdemokratisierung, die Abwicklung eines Rechtsstaats und die Einführung der Todesstrafe.
Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus Bochum, fragt offen, warum es kein Einreiseverbot für Binali Yildirim gebe. Sein Auftritt trage zur »Stimmungsmache und Polarisierung in der türkischsprachigen Community« bei. Auch Aydan Özoguz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, befürchtet, dass Yildirims offenkundige Werbung für die Verfassungsreform der Türkei zur Spaltung und zu noch mehr Streit in der türkischstämmigen Bevölkerung Deutschlands führen könne.
Die Arena Oberhausen sieht in der Vermietung für die AKP-Propagandashow kein Problem. In einer Mitteilung heißt es, es stehe »jedem Nutzer frei, diese Stätte zu nutzen, insofern es keine Verbote oder Auflagen seitens der Behörden gibt«.
Angemietet habe die Multifunktionshalle auch nicht der türkische Ministerpräsident, sondern die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die ein legaler Verein sei. Die UETD ist ein AKPnaher Verein, der seit mehreren Jahren Veranstaltungen mit AKPPolitikern in Deutschland organisiert. Sprecher der UETD treten außerdem immer wieder in deutschen Medien als Sprachrohr der türkischen Regierung auf.
Gegen die Werbeveranstaltung in Oberhausen für den autoritären Umbau in der Türkei regt sich allerdings auch Widerstand. Zwei Protestveranstaltungen wurden für diesen Samstag angemeldet. Eine große Demonstration soll um 11 Uhr am Oberhausener Hauptbahnhof starten. Neben linken türkischen und kurdischen Gruppen hat auch ein Linksparteimitglied und Bundestagsabgeordneter, Niema Movassat aus Oberhausen, sein Kommen angekündigt. Für ihn sei die Vermietung der Arena an die UETD »ein Unding«. Außerdem kritisiert Movassat, dass die Bundesregierung nicht gegen Yildirims Propagandaveranstaltung vorgeht.