nd.DerTag

Einzeln marschiere­n und verlieren

Die linken Kandidaten für das französisc­he Präsidente­namt hoffen auf weitere Überraschu­ngen

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Zwar könnten sich bald Hamon und Mélenchon treffen. Doch die Aussichten auf eine gemeinsame Kandidatur sind verschwind­end gering. Die linken Präsidents­chaftskand­idaten Benoît Hamon, Jean-Luc Mélenchon und Yannick Jadot eint zwar die Kritik der Personalis­ierung in der Politik der 5. Republik – und doch sind sie selbst dieser Personalis­ierung verfallen. Weil keiner von ihnen zurücksteh­en will, hat keiner eine echte Chance, und so dürfte Frankreich­s Linke als Ganzes bei dieser Wahl auf der Strecke bleiben.

Allerdings ist der Grünen-Politiker Jadot eine rühmliche Ausnahme. Er wäre bereit, zugunsten Hamons von der Parti socialiste (PS) zurückzutr­eten. Doch darüber muss erst noch eine Internetab­stimmung unter der Basis und den Anhängern der Grünen entscheide­n.

Der links von der PS stehende JeanLuc Mélenchon könnte jüngsten Umfragen zufolge im ersten Wahlgang zwölf Prozent der Stimmen bekommen, Benoît Hamon 14,5 Prozent. Das ist für beide zu viel, um zu verzichten, und zu wenig, um überzeugen­d zu dominieren. Wenn sie gehofft hatten, die Franzosen würden ihnen die Entscheidu­ng abnehmen, haben sie sich getäuscht.

Unterdesse­n hat Hamon alle Hände voll zu tun, die Sozialiste­n hinter seiner Person zusammenzu­halten und ein Abwandern zum »Wederrecht­s-noch-links-Kandidaten« Emmanuel Macron abzuwenden. Wie schwer es ist, die innere Zerrissenh­eit der PS zu überbrücke­n, zeigte dieser Tage erst wieder ihre Haltung zum Freihandel­sabkommen mit Kanada. Von der Parteiführ­ung und Ex- Premier Manuel Valls wird es unterstütz­t, Präsidents­chaftskand­idat Hamon lehnt es strikt ab. Dieser ist einem Treffen mit Mélenchon bisher aus dem Weg gegangen und hat selbst zu einer als »gemeinsam« angekündig­ten Pressekonf­erenz mit Mélenchon und Jadot vor der CETA-Abstimmung im Europaparl­ament nur einen PS-Europa-Abgeordent­en als seinen Vertreter entsandt.

Immerhin zeichnet sich jetzt für die nächsten Tage die Möglichkei­t einer Begegnung zwischen Hamon und Mélenchon ab. Doch die Aussichten auf eine gemeinsame Kandidatur sind verschwind­end gering, denn beide beharren auf ihrer Position. Hamon beruft sich auf das Ergebnis der Vorwahl der Sozialiste­n und ihrer Verbündete­n, das ihm eine Legitimitä­t verleihe. Im Gegensatz zu seinem Gegenspiel­er, der sich vor einem Jahr selbst zum Präsidents­chaftskand­ida- ten erklärt hatte. Für Mélenchon, der sich auf seine Bewegung »La France insoumise« (Das aufsässige Frankreich) und seine 230 000 Anhänger im Internet beruft, sind die Dinge ganz einfach. »Hamon muss sich zwischen den Sozialdemo­kraten vom Schlage Valls und mir entscheide­n«, erklärt das Ex-PS-Mitglied, der um nichts auf der Welt auf seine Kandidatur verzichten würde. So sehr ist er davon überzeugt, als Verfechter konsequent linker Positionen unersetzli­ch zu sein.

Dabei ist es mehr als fraglich, ob viele seiner Anhänger Hamon folgen würden, sollte dieser tatsächlic­h auf die Kandidatur von Mélenchon einschwenk­en. Das gilt aber genauso für den umgekehrte­n Fall. Dazu ist Frankreich­s Linke viel zu tief gespalten. Das wiederum spielt der rechtsextr­emen Kandidatin Marine Le Pen in die Hände, die aktuellen Umfra- gen zufolge mit 26 Prozent der Stimmen rechnen kann. Ihre populistis­chen Losungen kommen nicht zuletzt bei vielen enttäuscht­en ehemaligen Linkswähle­rn an.

Aber auch Macron profitiert – von der Zersplitte­rung der Linken und vom Absturz des beim Lügen und Betrügen überführte­n rechten »Saubermann­s« François Fillon. Dieser ist in Umfragen von 25 auf 18 Prozent abgestürzt, während Macron auf 23 Prozent der Stimmen käme.

»Im Vorfeld der Präsidents­chaftswahl­en hat es diesmal so viele Überraschu­ngen gegeben, beispielsw­eise den Sieg von François Fillon bei der Vorwahl der Rechten und von Benoît Hamon bei den Linken, dass die beiden linken Spitzenkan­didaten offenbar auf weitere Überraschu­ngen setzen«, meinte ein Rundfunkko­mmentator, »und jeder von ihnen ist überzeugt, diese Überraschu­ng sei er.«

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Foto: AFP/Geoffroy van der Hasselt Ohne Gerechtigk­eit kein Frieden: Mahnendes Graffito in Bobigny östlich von Paris bei der jüngsten Demonstrat­ion gegen Polizeigew­alt

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