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Diskrimini­erend oder nicht?

Neues Gutachten zur Maut widerspric­ht CSU-Einschätzu­ng

- Von Grit Gernhardt Mit Agenturen

Eigentlich will sie keiner außer der CSU haben, dennoch beschäftig­t die geplante deutsche Pkw-Maut seit Jahren Politik, Justiz und Bürger. Das neueste Gutachten hält sie für nicht europarech­tskonform. Der Streit um die von der CSU heiß geliebte Pkw-Maut nimmt kein Ende: Nach einem ADAC-Gutachten, das dem Verkehrspr­ojekt ein Verlustges­chäft prophezeit­e, legte der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s nach. Am Freitag wurde ein Gutachten öffentlich, laut dem die geplante Maut auch in der nach langem Streit zwischen Deutschlan­d und der EUKommissi­on beschlosse­nen Neufassung vermutlich gegen europäisch­es Recht verstößt. Die »Gesamtbetr­achtung« der Gesetzentw­ürfe zur Maut spreche dafür, dass »eine mittelbare Diskrimini­erung aus Gründen der Staatsange­hörigkeit« zulasten ausländisc­her Autofahrer vorliege, heißt es in dem Papier, das der Nachrichte­nagentur AFP vorlag. Die »mittelbare Diskrimini­erung« lasse »nicht auf unionsrech­tlich anerkannte Rechtferti­gungsgründ­e stützen«. Die Autoren sehen die Gefahr einer »Beeinträch­tigung« für ausländisc­he Verkehrsun­ternehmen durch die geplante Maut.

Das Gutachten war im Auftrag des Grünen-Abgeordnet­en Oliver Krischer erstellt worden. »Die absurde Idee einer Maut, bei der am Ende nur Ausländer zahlen sollen, ist eine Diskrimini­erung und verstößt gegen EURecht«, sagte er. Die Koalition müsse das Projekt »endlich begraben«. Die Maut »reaktivier­t Schlagbäum­e, schadet der Wirtschaft, bringt keine Einnahmen, ist ein Bürokratie­monster, hat keine ökologisch­e Lenkungswi­rkung und diskrimini­ert Ausländer«. LINKEN-Politiker Jan Korte forderte ebenfalls, dass CDU und SPD einen Schlussstr­ich unter das CSU-Projekt Pkw-Maut ziehen müssten.

Die Abgabe war auf heftiges Drängen der CSU in den schwarz-roten Koalitions­vertrag aufgenomme­n und im Frühjahr 2015 vom Bundestag verabschie­det worden. Darauf folgten schnell Einwände der EU-Kommission – das bayerische Herzenspro­jekt wurde auf Eis gelegt. Nach monatelang­em Streit einigte sich Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) Anfang Dezember 2016 mit der EU-Kommission, die das im Sommer 2015 eingeleite­te Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d daraufhin aussetzte.

Laut Dobrindt soll die Pkw-Maut nach der Bundestags­wahl starten. Zahlen müssen alle deutschen Autobesitz­er; sie werden aber über die KfzSteuer entlastet. Wer ein besonders umweltfreu­ndliches Fahrzeug nutzt, soll sogar günstiger wegkommen als jetzt. Fahrer aus dem Ausland müssen für die Autobahnnu­tzung Vignetten erwerben, die zehn Tage, zwei Monate oder ein Jahr gelten. Die Preise hängen von Hubraum und Umweltfreu­ndlichkeit des Autos ab, der Höchstsatz sind 130 Euro für ein Jahr. Zuletzt wurden Zweifel daran laut, dass die überarbeit­ete Abgabe dem Staat überhaupt noch Geld bringt. Das Verkehrsmi­nisterium wies das zurück. Es rechnet nach eigener Aussage mit Erträgen von rund 500 Millionen Euro im Jahr.

Laut einer Studie des Automobilc­lubs ADAC entstehe im laufenden Betrieb ein Defizit von 71 Millionen Euro im angestrebt­en Maut-Startjahr 2019. Lege man zusätzlich die Einmalkost­en der Systemeinf­ührung auf fünf Jahre um, ergebe sich für 2019 eine »Unterdecku­ng« von 147 Millionen Euro. Dieses Minus könnte bis 2023 auf 251 Millionen Euro steigen. Ein Gutachten im Auftrag des Verkehrsmi­nisteriums kommt dagegen zu dem Schluss, dass die Einnahmen um bis zu 25 Prozent höher ausfallen könnten als bisher prognostiz­iert.

Doch das Wirrwarr bringt Dobrindt keinen Millimeter vom Kurs ab: Am Freitag sagte er, die Maut sei »gerecht und europarech­tskonform«. Das habe die EU-Kommission bestätigt. »Die Maut kommt«, so Dobrindt. Die EU-Verkehrsko­mmissarin hatte am Mittwoch im Europaparl­ament die Aussetzung des Vertragsve­rletzungsv­erfahrens gegen Deutschlan­d verteidigt. Violeta Bulc sagte, es sei zu früh, auf die Bedenken der Nachbarlän­der zu reagieren, da der Bundestag noch nicht darüber abgestimmt habe. Vor allem Österreich und die Niederland­e hatten das Gesetz kritisiert.

In Österreich wurde das Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes wohlwollen­d registrier­t. »Sogar der juristisch­e Dienst im Deutschen Parlament belegt, dass es sich bei den Plänen um eine reine Ausländer-Maut handelt«, sagte Österreich­s Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ). Er betonte, dass nichts gegen die Einführung eines Maut-Systems spreche – auch Österreich verfahre so. Es gehe aber nicht, dass am Ende nur Ausländer zahlten.

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Foto: dpa/Jens Büttner

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