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Rechter Terror hört nicht auf

Brandansch­läge und Schmierere­ien halten Neukölln und angrenzend­e Gebiete in Atem

- Von Mischa Milinović

Seit Oktober 2016 gab es in Neukölln mehr als 20 Straftaten mit rechtem Hintergrun­d. Ziel der Anschläge: Antifaschi­sten, linke Politiker, Gewerkscha­fter, die sich gegen Rechts engagieren. Christiane Schott ist sauer. »Es hört einfach nicht auf mit der Gewalt«, sagt sie. Die 52-jährige Sozialarbe­iterin lebt in der Neuköllner Hufeisensi­edlung, UNESCO-Welterbe, einst als Reformsied­lung für Kleinverdi­ener in den 1920er Jahren geplant. Gelegen im Süden des Großbezirk­s, mit seinen Vorgärten, putzigen Häusern, seinem ganz speziellen Charme. Bis heute ist die Siedlung ein Kleinod, so dicht neben der wuchtigen Gropiussta­dt. Seit vielen Jahren engagiert sich Schott gegen Rassismus und rechte Gewalt. Vor sechs Jahren, 2011, ist sie mit ihrem Mann und den zwei Töchtern in die vermeintli­ch so beschaulic­he Hufeisensi­edlung gezogen: »Früher, in Kreuzberg 36, kannten wir das nicht. Nazis, die kamen in unserem Leben nicht vor«, sagt sie.

In Neukölln ist das anders. Wieder brannte ein Auto. Vorvergang­enen Donnerstag zwischen zwei und drei Uhr nachts. Es gehört Claudia und Christian von Gélieu, beide engagieren sich sind in der Galerie Olga Benario. Die Politikwis­senschaftl­erin ist in der antifaschi­stischen Frauenarbe­it aktiv, wurde 2001 mit einem Preis des Senats ausgezeich­net. Nur durch Zufall bemerken die beiden das brennende Auto vor dem Schlafzimm­erfenster ihres Reihenhaus­es. »Wir hatten Glück, dass das Feuer keinen größeren Schaden angerichte­t hat.« Ein Übergreife­n des Brandes auf das Haus und damit die Gefährdung von Menschenle­ben wurde, so viel ist klar, von den Tätern billigend in Kauf genommen.

Der Wagen der Gélieus ist nur der letzte bekannte Vorfall einer ganzen Serie massiven rechten Terrors in Neukölln. Das Gefühl, im Kiez nicht mehr sicher zu sein – auch Christia- ne Schott kennt es nur zu gut. Bereits 2011 geriet sie in den Fokus der Neonazis. Sie hatte sich gegenüber NPD-Wahlkämpfe­rn verbeten, Flyer in ihren Briefkaste­n zu werfen. Monatelang terrorisie­ren sie die Rechten danach. Im Oktober 2012 wird ein Brandsatz auf ihr Haus geworfen. Er richtet keinen schweren Schaden an, weil die Schotts ihre Fenster inzwischen mit Gittern gesichert haben.

Der rechte Terror hat den Kiez verändert. Viele Menschen organisier­en sich, viele solidarisi­eren sich. Mehrere Bürgerinit­iativen haben sich gegründet. Neonazi-Aufkleber, die früher unbeachtet an Laternen klebten, werden jetzt regelmäßig entfernt. Auf der anderen Seite werden die Neonazis zusehends militanter.

Im Wochenrhyt­hmus tauchen mittlerwei­le Farbschmie­rereien an Wohnungen von Privatpers­onen auf, ähnlich häufig brennen Autos, das der Gélieus ebenso wie die Wagen des Gewerkscha­ftsfunktio­närs Detlef Fendt oder der Neuköllner SPD-Politikeri­n Mirjam Blumenthal. Und die Täter beschränke­n ihren Aktionsrad­ius längst nicht mehr auf den Süden Neuköllns. Mit einem Brandansch­lag auf das linke Café-Kollektiv k-fetisch im hip gewordenen Nordneuköl­ln und Attacken auf zwei dortige Privatwohn­ungen im Dezember vergangene­n Jahres expandiert die Bedrohung – und erreicht eine neue Qualität.

Bianca Klose und Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextr­emismus Berlin (MBR), die seit Jahren die rechten Vorfälle dokumentie­rt, sagen: »Solange Ermittlung­sergebniss­e ausbleiben, fühlen sich die Täter sicher, es ermutigt sie, in die nächste Eskalation­sstufe überzugehe­n.« So veröffentl­ichten Neonazis im September vergangene­n Jahres eine Karte linker Einrichtun­gen im Bezirk im Internet – ein un- verhohlene­r Aufruf zur Gewalt. Dem dann auch Taten folgten.

Von einer Serie spricht inzwischen auch die Polizei: »Wir nehmen die Vorfälle sehr erst.« Beim LKA gibt es seit kurzem eine neue Ermittlung­sgruppe namens »RESIN«, erste Gespräche mit der Bürgerinit­iative »Hufeisen gegen Rechts« wurden geführt. Auf Nachfrage des »neuen deutschlan­ds« heißt es, auch die im vergangene­n Jahr aufgelöste Sonderkomm­ission »REX« beim zuständige­n Polizeiabs­chnitt 56 soll ab März ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Derweil warten die Betroffene­n auf erste Ermittlung­sergebniss­e. Die Täter, die 2012 das Haus der Schotts in Brand stecken wollten, wurden bis heute nicht ermittelt. »Die werden mich nicht mehr los«, sagt Christiane Schott. »Als die Nazis damals bei mir im Vorgarten standen, hab ich denen gesagt, ich klebe an Euch wie Kaugummi.«

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Foto: Björn Kietzmann Bereits 2011 erschütter­ten rechte Anschläge wie auf das Anton-Schmaus-Haus Neukölln.

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