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Eine Stadt im Ausnahmezu­stand

Schon ein Jahr vor dem G20-Gipfel begannen in Hamburg die mediale Stimmungsm­ache und die Aufrüstung der Polizei.

- Von Elke Steven

Die Inszenieru­ng eines Ausnahmezu­stands hat schon im Sommer 2016 begonnen. Die Stadt Hamburg teilte mit, anlässlich des G20-Treffens im Juli 2017 die Polizei mit neuer Kommunikat­ionstechno­logie aufzurüste­n, denn sie erwartet, dass die Sicherheit­skräfte des US-Präsidente­n mit Störsender­n das Funknetz beeinträch­tigen werden. Zugleich wurden Maschinenp­istolen und ein neuer Panzerwage­n – »Survivor I« (Der Überlebend­e) – beschafft, auf dessen Dach ein Maschineng­ewehr montiert werden kann.

Gewarnt wird bereits vor 10 000 »gewaltbere­iten Autonomen«. Die ehemalige Frauenhaft­anstalt Hahnöfersa­nd auf der schwer zugänglich­en Elb-Halbinsel wird ausgebaut, um die Untersuchu­ngshaftkap­azitäten zu erweitern. Im Stadtteil Harburg wird ein ehemaliger Lebensmitt­elgroßmark­t zu einer Gefangenen­sammelstel­le (Gesa) umgebaut.

Der notorische Rechtsbrec­her Hartmut Dudde ist zum Leiter des Vorbereitu­ngsstabes und zum Polizeifüh­rer der Gipfel-Einsätze ernannt worden. In seiner Zeit als Gesamteins­atzleiter der Bereitscha­ftspolizei hat er mehrfach gerichtlic­h fest-

Um den polizeilic­hen Ausnahmezu­stand in Heiligenda­mm als letztes Mittel zu legitimier­en. In der Presseabte­ilung von Kavala wurde bereits Anfang 2006 bei der ersten internen Schulung zum Umgang mit der Öf-

gestellte Rechtsbrüc­he begangen: Einkesselu­ngen, Ingewahrsa­mnahmen, Versammlun­gsauflösun­gen.

Schon beim OSZE-Treffen Anfang Dezember 2016 wurde eine relativ kleine Demonstrat­ion von insgesamt über 13 000 hochgerüst­eten Polizisten aus den Bundesländ­ern und vom Bund begleitet. Neue Wasserwerf­er, berittene Polizei, diverse Spezialein­heiten – BFE (Beweissich­erungs- und Festnahmee­inheit), USK (Unterstütz­ungskomman­do), BeSi (Beweissich­erung) – wurden abschrecke­nd vorgeführt. Auf autoritäre und martialisc­he Provokatio­nen der Polizei zu Beginn reagierten die Demonstrie­renden zum Glück sehr besonnen.

Es ist außerdem davon auszugehen, dass innerhalb der linken Szene verdeckt ermittelt wird. Immerhin sind in Hamburg in den letzten Jahren nacheinand­er drei verdeckt ermittelnd­e Polizeibea­mtinnen aufgefloge­n. Die Rechtswidr­igkeit von zwei Einsätzen hat die Polizei jeweils nach Klageerheb­ung eingestand­en – nicht zuletzt, um die Öffentlich­keit nicht genauer informiere­n zu müssen. Erinnert sei daran, dass vor dem Gipfel in Heiligenda­mm 2007 ohne entspreche­nde rechtliche Grundlagen sogar nach Paragraf 129a StGB (»terroristi­sche Vereinigun­g«) gegen Menschen aus der globalisie­rungskriti­schen und autonomen Bewegung ermittelt wurde.

Aber es sind nicht nur die polizeilic­hen Waffen und Ausforschu­ngsmethode­n, die im Juli in Hamburg zu befürchten sind. Solche Ereignisse begleitet die Polizei inzwischen mit einem medialen Angebot, mit dem auch die Hoheit über die Berichters­tattung gewonnen werden soll.

Während etwa beim ersten Castortran­sport Mitte der 1990er Jahre die polizeilic­he Pressestel­le drei Mitarbeite­r hatte, waren beim letzten Castortran­sport insgesamt 110 Personen eingesetzt. Wozu diese Art des medialen Dominanzst­rebens führen kann, war beim Gipfel in Heiligenda­mm zu erkennen. Der Pressespre­cher der Polizei konstatier­te später, er habe die Öffentlich­keit oft falsch informiert. Aufgrund dieser Fehlinform­ationen entschied das Bundesverf­assungsger­icht, einen Sternmarsc­h zu verbieten. Die alternativ-faktischen Polizeiber­ichte sollen damals wie heute die Wahrnehmun­g und Erinnerung dauerhaft dominieren.

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Foto: wikimedia/Rheinmetal­l/CC BY-SA 4.0 »Survivor« heißt das Modell des neuen Panzerwage­ns der Hamburger Polizei, der für den Einsatz während des G20-Gipfels angeschaff­t wurde.

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