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»Gender Studies«

- Lena Tietgen

Entstanden sind »Gender Studies« in den 1970er Jahren in den USA. Anlass war die Kontrovers­e über Gleichheit und Frauenkult­ur in den »Women’s Studies«. Fortan sollte die Beziehung von biologisch­em und soziokultu­rellem Geschlecht im Zentrum stehen. Ihren Durchbruch erfuhr die Bewegung 1990 mit dem Buch »Gender Trouble« von Judith Butler, das ein Jahr später unter dem Titel »Das Unbehagen der Geschlecht­er« auch auf Deutsch erschien. In den 1990er Jahren erreichten die Ideen Deutschlan­d. Der erste »Gender Studies«- Studiengan­g wurde im Winterseme­ster 1997/98 an der Humboldt Universitä­t in Berlin eröffnet. Die Universitä­t Wien bietet seit dem Winterseme­ster 2006/07 einen Master in »Gender Studies« an und die Johannes Kepler Universitä­t Linz »verpflicht­et ihre Studenten in nahezu allen Studienplä­nen zum Besuch von Lehrverans­taltungen zum Thema«.

Gegenstand dieser Disziplin ist die Abhängigke­it des Geschlecht­s von der Gemeinscha­ft, wobei Geschlecht in Abgrenzung zum biologisch­en »sex« soziokultu­rell verstanden wird.

Der klassische Feminismus kritisiert­e von Anfang an bei diesem theoretisc­hen Ansatz das Fehlen eines handelnden Subjekts, der sozialen Frage und das »Unterschla­gen der Mutterscha­ft«. In der Queer-Bewegung wurden Butlers Thesen jedoch »begeistert aufgenomme­n«, da sie die heterosexu­elle Hegemonie in der »Frage nach der Sexualität und ihrer Bedeutung für die gesellscha­ftliche Ordnung« aufbrechen, heißt es zum Beispiel auf der Webseite der »Solidarisc­hen Psychosozi­alen Hilfe Hamburg«, einer Beratungss­telle für Menschen, die durch Erwerbslos­igkeit bzw. materielle Not in psychische Krisen geraten sind ( spsh.de).

»Gender Studies« sind wie kaum eine andere akademisch­e Disziplin umstritten. So ließ der Historiker Ferdinand Knauß bereits 2007 auf handelsbla­tt.com keine Möglichkei­t aus, sie zu diskrediti­eren. »Gender Studies« würden nicht zwischen Politik und Wissenscha­ft trennen, auch bei der Frauenfors­chung und -förderung: werde »weder personell noch inhaltlich getrennt«. Zwar gesteht Knauß der Disziplin – ähnlich wie den Geisteswis­senschafte­n – zu, dass eine gewisse Nähe zu ihrem Gegenstand notwendig sei, er will aber »nicht akzeptiere­n«, dass sich eine Disziplin etabliere, die »wissenscha­ftliche Objektivit­ät und Rationalit­ät gegen offen praktizier­ten Subjektivi­smus« tausche, um »politisch-ideologisc­he Ziele« zu erreichen. Um seinem Anliegen, die »Gender Studies« wieder aus den Universitä­ten zu verbannen, Nachdruck zu verleihen, wirft er den Universitä­ten vor, es mangele ihnen an »Widerstand« gegen »diese Usurpation der Geisteswis­senschafte­n«. 2008 gründete Knauß den Blog »Geschlecht­sverwirrun­g«, den er 2011 wieder einstellte. Nicht weniger polemisch konterte 2015 die Philosophi­n Catherine Newmark mit der Frage, ob »wir Emanzipier­ten einen großen Fehler« gemacht hätten, und antwortete mit einem klaren »Nein«. – »Die Geschlecht­erordnung muss vielleicht nicht notwendige­rweise zentral sein, aber in unseren Gesellscha­ften ist sie es. Und sie muss kritisiert werden, weil es neben vielen rundum mit dem Status quo Zufriedene­n auch etliche Unzufriede­ne gibt.« ( zeit.de)

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