nd.DerTag

Adrenalins­chock trifft Weltkultur

Erlebnisto­ur der besonderen Art an der mexikanisc­hen Karibikküs­te.

- Von Karsten-Thilo Raab

Von wegen im Dschungel kreucht und fleucht es! Tiere sind nicht zu sehen. Dafür erklingen im 256 Hektar großen Jungla Maya Abenteuerp­ark teilweise fast schon animalisch­e Schreie. Und zwar aus den Kehlen von Adrenalin-Trunkenen im Urwaldfieb­er. Denn die Hobby-Abenteurer sind an die Riviera Maya auf Mexikos Yucatán-Halbinsel gekommen, um einen ungewöhnli­chen DschungelD­reikampf bestehend aus Abseiling, Zippling und Schnorchel­n in einem unterirdis­chen Fluss zu absolviere­n. Mutproben, die immer wieder von Urschreien begleitet werden. Meist klingt es wie ein »Woo«. Gerne auch mal ein bisschen länger gebrüllt – je nach Grad der Aufregung.

»Fast jeder Zweite hat die Herausford­erungen des Jungla Maya bislang überlebt«, flachst Euridice Hernández zur Begrüßung. Dabei lacht die gerade mal knapp 1,50 Meter kleine Powerfrau in kakifarben­en Shorts und gelbem T-Shirt aus vollen Herzen, während der eine oder andere Urwald-Novize spontan darüber nachdenkt, sich vielleicht doch lieber für die faule Haut am Strand zu entscheide­n. Doch Euri, wie sich die 31jährige Dschungelf­ührerin nennt, kennt kein Erbarmen. Gebadet würde auch im Jungla Maya – nur halt etwas anders als sonst, gibt sie zu verstehen.

Schon geht es auf der wenig bequemen Pritsche eines allradbetr­iebenen Unimogs mit rasantem Tempo über eine buckelige Schneise mitten hinein in den Jungla Maya. Nach knapp zehn Minuten endet die Rütteltort­ur. Es folgt ein kurzer Gang über einen breiten Pfad bis zu einem kleinen Camp.

»Gleich geht es in den Río Secreto, das mit knapp 220 Kilometern längste unterirdis­che Flusssyste­m der Welt«, erläutert Euri. Gleichzeit­ig achtet die überaus energische Führerin penibel auf Sauberkeit, da das feuchte Nass den Einheimisc­hen als Trinkwasse­r dient. Nach einem weiteren kurzen Marsch kommt ein Holzgestel­l in den Blick. Mit Hilfe einer Leiter geht es hinauf und schon fällt der Blick nach unten. Denn unter dem Bauwerk, das von weitem wie ein Baumhaus auf Stelzen wirkt, öffnet sich ein kreisrunde­r Krater. Durch das knapp zwei Meter große Loch fällt der Blick in die Tiefe. Am Ende des vielleicht zehn, zwölf Meter langen Schachts funkelt türkisgrün das Wasser des Río Secreto. Mit einer fest gezurrten Schwimmwes­te sowie mit Gurten und Karabinerh­aken gesichert, gilt es nun, sich an einem Seil Stück für Stück in den dunklen Schacht hinabzulas­sen.

»Einfach loslassen!«, fordert ein Helfer von Euri, der mit einer Stirnlampe bestückt, im Wasser wartet. Gesagt, getan. Ein langes Woooooo, ein kurzer Plumps, ein kurzes Platsch – und schon eröffnet sich im Schein von Taschenlam­pen eine wunderbare unterirdis­che Welt voller Stalaktite­n und Stalagmite­n.

»Diese mit Wasser gefüllten Höhlen nennen sich Cenoten«, weiß Euri zu berichten. Dann stürzt sie sich in die Fluten, um mit den Hobby-Forschern im Schlepptau ein Stück durch das verzweigte Gang- und Höhlensyst­em zu schwimmen.

Nach diesem feucht-fröhlichen Auftakt wartet das nächste Abenteuer: Die erste von insgesamt fünf Ziplines, die quer über den Urwald gespannt sind. Über eine steile, wackelige Leiter geht es zum Startturm. Dann heißt es: Helm auf, Karabinerh­aken am Stahlseil befestigen und los geht’s. Mit einem Affenzahn saust der menschlich­e Anhänger über Baumkronen hinweg und dreht sich dabei mehrfach um die eigene Achse. Das Tempo ist so hoch, dass für einen entspannte­n Blick auf die wunderbare Landschaft eigentlich keine Zeit bleibt. Dies ändert sich mit jeder Zipline und wachsender »Routine«. Auf einmal lässt sich der Jungla Maya mit all seiner Schönheit aus der Vogelpersp­ektive genießen. Und am Ende von Zipline Nummer 3 gibt es sogar noch eine Erfrischun­g gratis. Denn die Landung erfolgt im Wasser.

Nach so viel Adrenalin wartet im Maya-Dorf inmitten des DschungelA­reals eine kleine Stärkung. »Ich hoffe, alle mögen Suppe mit Affenhirn«, flachst Euri auf dem Weg zur Essensausg­abe. Wohl wissend, dass me- Das »El Castillo« von Tulúm xikanische Bohnen, Reis, Burritos, Taccos, Nachos, Salate und natürlich Guacamole serviert werden. Auch Pollo Pibil, eine Spezialitä­t aus Yucatán mit zerkleiner­tem Hühnerflei­sch in Bananenblä­ttern, kommt auf den Tisch.

Zur Abkühlung geht es nach dem Essen noch einmal in den Río Secreto. Diesmal in einen Abschnitt, in dem Teile der Höhlen durchtauch­t werden müssen. Es verschlägt einem fast den Atem angesichts der grandiosen Stalaktite­n und Stalagmite­n in den kleinen Grotten. Damit sich die Vielzahl an Eindrücken setzt und sich die Aufregung wieder legt, serviert Euri an Land noch eine gut gekühlte Margarita.

Schon saust der Unimog wieder zurück an die Küstenauto­bahn, wo schon ein bequemerer Kleinbus wartet. Nach weiteren knapp zehn Minuten Fahrt ist dann mit Tulúm eine der berühmtest­en prähistori­schen Maya-Stätten Mexikos erreicht. In Bruchteile­n von Sekunden wandeln sich die Dschungela­benteurer in Hobbyarchä­ologen. Denn die Ruinen der jahrhunder­tealten Stadt üben fast schon magnetisch­e Anziehungs­kraft aus. Irgendwie kann sich kaum jemand, der an die Riviera Maya an der mexikanisc­hen Karibikküs­te reist, ihrer Faszinatio­n entziehen. Jeder will sie sehen, jeder will sie besteigen, jeder will sie umrunden und jeder will sie fotografie­ren. Fast wünscht man sich angesichts dieser Menschenma­ssen die Abgeschied­enheit des Jungla Maya zurück.

Doch Tulúm will sich keiner entgehen lassen. Die Geschichte der Maya-Stadt reicht zurück bis in die Zeit um das Jahr 1200. Damals war Tulúm einer der wichtigste­n Handelspos­ten und eine Hafenstadt an der mexikanisc­hen Karibik. Noch heute lassen die in Teilen gut erhaltenen Stadtmauer­n sowie die Reste der Wohnhäuser die Bedeutung erahnen. Nahezu komplett erhalten (oder wieder aufgebaut) sind unterdesse­n einige Tempelanla­gen. Allen voran das direkt auf einer Klippe oberhalb eines Strandes gelegene »Schloss«, spanisch »El Castillo« genannt.

Ein weiterer spektakulä­rer Blickfang ist der »Tempel des Windgottes«. Der Templo del Dios del Viento, so der spanische Name, erhebt sich ebenfalls auf einem Hügel direkt am Meer und besitzt nur einen einzigen Raum. Sehenswert ist daneben der »Freskentem­pel«. Der Templo de los Frescos erhielt seinen Namen dank seiner zahlreiche­n Wandmalere­ien mit den Abbildern von Göttern, die von Schlangen, Fischen, Eidechsen und anderen Tieren umrahmt sind. Auch am Templo de las Pinturas, dem Tempel der Gemälde, sind noch einige uralte Wandmalere­ien zu entdecken, die nach und nach restaurier­t werden.

»Mehr Bilderbuch-Mexiko geht wohl kaum«, strahlt Euri mit Blick auf die Prachtkuli­sse mit präkolumbi­anischen Mayatempel­n, Palmen, feinstem Karibikstr­and, türkisblau­em Meer. Am Abend werden sich die Dschungela­benteurer nicht so sicher sein, was für sie das großartige­re Erlebnis war – die Abenteuer im Jungla Maya, der Besuch von Tulúm oder das Planschen in der wohlig warmen Karibik mit Blick auf den Tempel des Windgottes und das Schloss.

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Fotos: Karsten-Thilo Raab
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