Gefährliches Spektakel
Geschockt nach Flugfehler einer Fliegerstaffel: Marcel Hirscher Weltmeister im Riesenslalom
Marcel Hirscher hat schon viel gewonnen in seiner Karriere. Das WMGold im Riesenslalom fehlte aber noch. Nach einem Schockmoment holte er sich am Freitag den Titel.
Von Elisabeth Schlammerl, St. Moritz
Ein paar Sekunden verharrte der neue Weltmeister im Zielraum, dann hob er die Arme und schaute nach oben gen Engadiner Himmel. Von dort war an diesem Freitag nicht nur Schnee gefallen, die Reaktion von Marcel Hirscher nach seiner ersten Goldmedaille bei der Ski-WM in St. Moritz hatte aber nichts mit dem Vorfall zu tun, der zwei Stunden zuvor für Aufregung gesorgt hatte.
Der zweite Lauf des Riesenslaloms war erst mit einer halbstündigen Verspätung gestartet worden. In der Pause zwischen den beiden Durchgängen hatte eine Fliegerstaffel der Schweizer Luftwaffe eine Flugshow geboten. Dabei berührte eines der Flugzeuge ein Tragseil, das vom Start der Rennstrecke bis ins Ziel gespannt war. Ein Teil der dort befestigten mobilen Kamera stürzte daraufhin in den glücklicherweise menschenleeren Zielraum. Das kaputte Seil fiel auf den nahe gelegenen Sessellift, in dem viele Athleten saßen, darunter auch die drei deutschen Starter, Felix Neureuther, Stefan Luitz und Linus Straßer. Der Lift musste gestoppt werden und stand rund 20 Minuten still.
»Gott sei Dank ist nichts passiert«, sagte Neureuther. Der 32-jährige Garmisch-Partenkirchener zeigte kein Verständnis für das Flugspektakel der Luftwaffe, das aufgrund des Vorfalls während der WM nicht mehr stattfinden wird. »Solche Sachen gehören nicht in den Skisport«, findet er. Man solle sich mehr Gedanken machen, »dass der Skisport an sich spektakulär rüberkommt«. Neureuther fordert seit längerem eine Reform aufgrund des zu dichten Weltcupprogramms. Bei der sportlichen Show im Riesensla- lom spielten Neureuther und seine Kollegen nur eine Nebenrolle.
Linus Straßer allerdings sorgte mit Platz zwölf für sein bestes Resultat in dieser Disziplin. Während Luitz als 14. die Erwartungen nicht erfüllen konnte, war für Neureuther aufgrund seiner beim Teamwettbewerb erlittenen Rückenverletzung »die Medaille sowieso nicht das Ziel«. Im ersten Durchgang war Neureuther nur 21., im Finale gelang ihm dann die zweitbeste Laufzeit, er war schneller als der neue Weltmeister und verbesserte sich noch auf Platz 16. Mit Blick auf den Slalom am Sonntag sei es wichtig gewesen, den lädierten Rücken nicht zu schonen, sondern zu versuchen, »ein positives Gefühl mitzunehmen« sowie die Erkenntnis, »dass der Rücken her relativ gut gehalten hat«.
Weltmeister Hirscher hatte bei dieser WM mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Nach überstandener Erkältung verpasste der Österreicher in der Kombination den Titel, der für ihn reserviert schien, um eine Hundertstelsekunde. Dann schied er mit seinem Mannschaftskollegen im Teamwettbewerb im Viertelfinale aus. Und am Freitag schien der Sieg über den Franzosen Alexis Pinturault zu führen, der in dieser Saison drei der fünf Riesenslaloms im Weltcup gewonnen hatte – jedes Mal vor Hirscher. Aber am Freitag lieferte Pinturault seine schlechteste Saisonleistung ab – und landete nur auf dem siebten Platz.
Der Weg war nun frei für Hirscher, dem ein sehr guter und ein solider Lauf reichte, um den Weltmeistertitel vor dem Überraschungszweiten, seinem österreichischen Teamkollegen Roland Leitinger, und Leif Kristian Haugen aus Norwegen zu holen. »Das ist der Weltmeistertitel, der mir noch gefehlt hat«, freute sich Hirscher. »Eigentlich kann ich jetzt nach Hause fahren.« Wahrscheinlicher ist aber, dass er in St. Moritz bleibt und am Sonntag im Slalom noch eine Medaille gewinnt.