nd.DerTag

Europäisch­e Perversion

Viele Menschen sind trotz Job armutsgefä­hrdet

- Ker

Der Welttag der Sozialen Gerechtigk­eit wurde 2009 von den Vereinten Nationen (UN) ausgerufen. Für sie gehört soziale Gerechtigk­eit zu den wichtigste­n globalen Aufgaben. Die Rechte von Indigenen und Migranten gehören für die UN genauso dazu wie die Rechte von Menschen, die aufgrund von Alter, Ethnie, Religion, Behinderun­g oder Geschlecht benachteil­igt werden.

Angetriebe­n von einer Erholung auf dem Arbeitsmar­kt, haben sich 2016 die sozialen Teilhabech­ancen der EU-Bürger erstmals seit Beginn der Wirtschaft­skrise 2008 wieder leicht verbessert. Dies ermittelte zumindest die unternehme­rnahe Bertelsman­n Stiftung mit ihrem Index für Soziale Gerechtigk­eit. Doch Entwarnung geben die Wissenscha­ftler nicht: Der Aufwärtstr­end am Arbeitsmar­kt gehe nicht mit einem sinkenden Armutsrisi­ko einher. Fast jeder Vierte in der EU ist von Armut bedroht, darunter eine wachsende Zahl von in Vollzeit erwerbstät­igen Menschen. »Ein steigender Anteil von Menschen, die dauerhaft nicht von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die Legitimitä­t unserer Wirtschaft­s- und Gesellscha­ftsordnung«, sagte Aart De Geus, Vorsitzend­er der Bertelsman­n Stiftung.

In allen 28 EU-Ländern sind die Teilhabech­ancen von Kindern und Jugendlich­en noch immer deutlich schlechter als vor der Krise. Für besorgnise­rregend hält die Stiftung die soziale Kluft zwischen Südeuropa und den nordischen Staaten. In Griechenla­nd, Rumänien und Bulgarien sind zwischen 30 und 40 Prozent der Menschen von Armut bedroht. Junge Leute in Südeuropa haben laut Bertelsman­n Stiftung die geringsten Teilhabech­ancen.

Inwieweit können wir in einem kapitalist­ischen Weltsystem überhaupt ein erträglich­es Maß an Verteilung­sgerechtig­keit hoffen? Der Ökonom Thomas Piketty, der vor drei Jahren mit seinem Buch »Das Kapital im 21. Jahrhunder­t« Furore machte, sieht die Lage düster: Die Ungleichhe­it in den Gesellscha­ften werde weiter zunehmen, was auf lange Sicht die Demokratie untergräbt.

Dabei liegt er nur Nuancen neben der Einschätzu­ng der Bertelsman­n Stiftung, und beide bestätigen auf ihre Weise, was Linke von jeher zu wissen meinen: Kapitalism­us und soziale Gerechtigk­eit stehen in einem Zielkonfli­kt. Der Tag der sozialen Gerechtigk­eit wurde von der UNO übrigens ausdrückli­ch als Aktionstag, nicht als Gedenktag ausgerufen.

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