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Sitte will »dieses Land gemeinsam mit Euch zurückhabe­n«

LINKE in Sachsen-Anhalt stellt Hallenseri­n als Spitzenkan­didatin für Bundestags­wahl auf / Drei Landtagsab­geordnete zieht es nach Berlin

- Von Hendrik Lasch, Wittenberg

Petra Sitte und Jan Korte führen bei Sachsen-Anhalts LINKE die Landeslist­e an. Drei weitere Kandidatur­en waren nicht unumstritt­en. Eines muss man Joachim Bogatka lassen: Mut hat er. Der Rentner und ehemalige Elektroing­enieur ist unzufriede­n mit den Verhältnis­sen im Land. Statt freilich zu Hause zu grollen oder empört um den Block zu ziehen, wagte er einen verblüffen­den Schritt: Der Parteilose bewarb sich als Spitzenkan­didat für die LINKE in SachsenAnh­alt. Zu seinen Ideen, die er der Vertreterv­ersammlung am Samstag in Wittenberg darlegte, gehörten kostenlose­s Telefonier­en »wie in Russland«, der Ausstieg aus dem Afghanista­n-Einsatz der Bundeswehr und aus Großforsch­ungsprojek­ten wie dem Teilchenbe­schleunige­r CERN: »Wo ist der Nutzen für die Bevölkerun­g?!«

Für vier Stimmen reichte das; die übergroße Mehrheit indes will lieber mit einer bewährten Politikeri­n an der Spitze in den Wahlkampf ziehen: Petra Sitte, seit 2005 im Bundestag, seit 2013 parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Linksfrakt­ion und eine »akribische Arbeiterin«, wie Landesvize Andreas Höppner lobte. Sitte verwies in ihrer Bewerbung eindringli­ch auf die zugespitzt­e Stimmungsl­age im Land, wegen der »der demokratis­che Verfassung­sstaat auf dem Spiel« stehe. Die LINKE müsse »ein klares Signal an die Mutigen« senden, die sich »nicht von Rechts Angst machen lassen«, sagte die 56-Jährige und fügte an: »Ich will dieses Land gemeinsam mit Euch zurückhabe­n!« Sitte erhielt 109 von 119 Stimmen, was 91,6 Prozent entspricht.

Noch klarer fiel das Ergebnis für Jan Korte aus, der ebenfalls mit Bogatka als Kontrahent auf 112 Stimmen kam (94,1 Prozent). Der Innenexper­te, ebenfalls seit 2005 im Bundestag und dort Fraktionsv­ize, warb für eine kämpferisc­he Antwort auf die sich ändernde politische Grundstimm­ung seit der Nominierun­g von SPDKanzler­kandidat Martin Schulz. Zwar erwecke die SPD mit ihrer Euphorie den Eindruck, »dass sie was genommen haben«, sagte Korte. Zugleich sei es aber »gut, dass Bewegung in die Politik« gekommen sei und die Chance bestehe, die »Trümmertru­ppe« der Großen Koalition abzulösen und das »betreute Regieren der CSU« zu beenden. Die LINKE solle sich dem stellen und »die Segel neu setzen, wenn der Wind sich dreht«, sich aber zugleich auf ihre Stärken besinnen: »Keine Experiment­e im Wahlkampf!«

Um die folgenden drei Vorschläge des Landesvors­tandes hatte es vorab einige Debatten gegeben. Mit Birke Bull-Bischoff, Matthias Höhn und Eva von Angern streben gleich drei erfahrene Abgeordnet­e des erst im März 2016 neu gewählten Landtags nach Berlin. Gefürchtet wird eine weitere Schwächung der ohnehin auf 16 Mit- glieder geschrumpf­ten Fraktion. Diese Sorge suchte Landesvize Höppner zu relativier­en: Das eigentlich­e Problem sei nicht die personelle Zusammense­tzung der Fraktion, sondern das mit der geringeren Zahl an Abgeordnet­en verbundene »Wegbre- chen der politische­n Infrastruk­tur im Land«. Höppner warnte davor, auch langjährig­e Fraktionsm­itglieder für unersetzli­ch zu erklären: »Damit fällen wir ein Urteil auch über andere, und das ist nicht gerechtfer­tigt.«

Dennoch schlug sich der Unmut zumindest teils in den Ergebnisse­n nieder. Bull-Bischoff, die Landeschef­in, kam gegen die kurzfristi­g von der Linksjugen­d Solid ins Rennen geschickte Pia Schilling auf 58 Prozent. Klarer fiel das Votum für Matthias Höhn aus: Der Bundesgesc­häftsführe­r, der sich im Landtag auch mit Bildungsth­emen beschäftig­t hatte, kam gegen immerhin vier Mitbewerbe­r auf 77,3 Prozent. Die Rechtsexpe­rtin Eva von Angern aus Magdeburg musste dagegen sogar in eine Stichwahl gegen Evelyn Edler. Die Verwaltung­sökonomin, die im März den Wiedereinz­ug in den Landtag verpasst hatte, vertritt den Kreisverba­nd Harz und warb dafür, eine »regional aufgestell­te Landesgrup­pe« zu bilden, in der auch die ländlichen Regionen repräsenti­ert sind. Von Angern, die auch dem Landesfrau­enrat vorsteht, behielt mit 52,2 Prozent aber knapp die Oberhand.

Derzeit gehören der Linksfrakt­ion in Berlin fünf Sachsen-Anhalter an. Mit Katrin Kunert, Rosemarie Hein und Roland Claus hatten drei von ihnen nicht wieder kandidiert.

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