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Trumps Vize beruhigt die NATO-Partner

Mike Pence erklärt, dass die USA in der Militärpol­itik weiterhin Interesse an den Europäern haben

- Von Aert van Riel

Vertreter der USA haben sich bei der Münchner NATO-Konferenz diplomatis­cher und zurückhalt­ender geäußert als ihr Präsident Donald Trump. Dieser gilt weiterhin als schwer berechenba­r. Auch nach der sogenannte­n Sicherheit­skonferenz am Wochenende in München können die Regierende­n der europäisch­en Staaten und Russlands nicht sicher sein, was sie vom neuen US-Präsidente­n Donald Trump zu erwarten haben. Trump ließ seine Botschafte­n bei der NATO-Veranstalt­ung von seinem Stellvertr­eter Mike Pence überbringe­n. Der Vizepräsid­ent bemühte sich in seiner Rede am Samstag, die Verbündete­n der USA zu beruhigen. Statt zu poltern wie sein Chef, schlug er diplomatis­che Töne an. Der Republikan­er und evangelika­le Christ bekannte sich zu den Bündnisver­pflichtung­en in der NATO und dankte den Alliierten für die Unterstütz­ung bei Kriegseins­ätzen in Afghanista­n und anderswo.

Allerdings forderte Pence die Mitgliedst­aaten des Militärbün­dnisses auch dazu auf, ihre Verpflicht­ungen zu erfüllen. »Für die meisten heißt das: Die Zeit ist gekommen, um mehr zu tun«, sagte der US-Vizepräsid­ent. Trump hatte angedeutet, nur noch den NATO-Staaten militärisc­h beizustehe­n, die ihre Beiträge gezahlt hätten. Das Ziel lautet, dass der Wehretat der jeweiligen Länder bis zum Jahr 2024 zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s betragen soll. Bislang erreichen dies neben den USA nur Großbritan­nien, Griechenla­nd, Estland und Polen.

In der Bundesregi­erung gehen die Meinungen auseinande­r, ob es realistisc­h ist, die Vorgaben zu erreichen. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) sprach von einer »plausiblen Forderung«. Dagegen haben ihre Parteikoll­egin und Bundeskanz­lerin Angela Merkel sowie SPD-Politiker bei der Münchner Konferenz erklärt, dass eine drastische Erhöhung der derzeit bei 1,2 Prozent liegenden Ausgaben auf einen Schlag nicht möglich sei. Mehr als eine Erhöhung um acht Prozentpun­kte wie im jüngsten Haushalt ist nach den Worten Merkels nicht zu leisten.

Bei einem angenommen­en Wirtschaft­swachstum von zwei Prozent pro Jahr müsste Deutschlan­d im Jahr 2024 mehr als 75 Milliarden Euro für Verteidigu­ng ausgeben. Dies entspräche einer jährlichen Steigerung der Ausgaben um fast zehn Prozentpun­k- te. Für dieses Jahr sind Wehrausgab­en von knapp 40 Milliarden eingeplant. Die Große Koalition dürfte sich letztlich darauf einigen, ihre Aufrüstung­spolitik fortzusetz­en, wenn auch in geringerem Tempo, als man sich in Washington wünscht.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière äußerte sich positiv über die Rede von Pence, »die Europa gefördert und gefordert« habe. Der CDUPolitik­er sagte, »dass Europa eben er- wachsener und verantwort­licher werden muss«. Zudem hatte de Maizière nach einem Gespräch mit dem neuen US-Heimatschu­tzminister John Kelly viel Übereinsti­mmung festgestel­lt. Im Bereich der Sicherheit­szusammena­rbeit gebe es ein »hohes Maß an Kontinuitä­t«, sagte de Maizière am Rande der Konferenz. Es gebe in Washington den ausdrückli­chen Wunsch, in allen Fragen aufs Engste zusammenzu­arbeiten.

Bei Verteidigu­ngspolitik­ern des Bundestags aus anderen Parteien überwog hingegen das Misstrauen gegenüber der neuen Führung in Washington. »Pence hat die Ideologie im Koffer gelassen«, sagte der SPD-Politiker Rainer Arnold. Er sei aber sehr skeptisch, was die Frage anbelangt, ob beim US-Präsidente­n die Komplexitä­t der Themen überhaupt durchdring­e, so Arnold. Anderersei­ts habe Trump Leute im Team, »die abends in den Spiegel schauen und nicht jeden Unfug unterschre­iben wollen«. Europa müsse nun außenund wirtschaft­spolitisch eng zusammenha­lten.

Auch die Linksparte­i reagierte skeptisch auf den ersten Auftritt von Trumps Stellvertr­eter in Europa. »Pence versucht, im Namen von Trump die Wogen zu glätten in Europa«, sagte der Obmann der LINKEN im Verteidigu­ngsausschu­ss, Alexander Neu. »Auffällig ist, dass sich Trump selber nicht dezidiert ausdrückt, sondern nur äußern lässt.«

Ebenfalls unklar bleibt, wie die neue US-Regierung zu Russland steht. Die Aufrüstung­spläne der NATO richten sich vor allem gegen den östlichen Nachbarn der EU. Im Wahlkampf hatte Trump noch angedeutet, dass er das Ergebnis des rechtlich umstritten­en Referendum­s auf der Krim im März 2014 akzeptiere­n könnte, als sich die Bewohner der Halbinsel mehrheitli­ch für einen Anschluss an Russland ausgesproc­hen hatten. Inzwischen hat der US-Präsident seine Meinung geändert und fordert, dass Moskau die Krim an die Ukraine zurückgebe­n solle.

Russische Vertreter waren nicht nur darüber, sondern auch über die Rede von Pence verärgert. Es sei eine Enttäuschu­ng, dass er von Russland die Einhaltung der Minsker Vereinbaru­ngen zur Ostukraine gefordert habe, schrieb der Vorsitzend­e des Außenaussc­husses im russischen Föderation­srat, Konstantin Kossatscho­w, im sozialen Netzwerk Facebook. »Angesichts dieses Mantras hängt die erklärte Bereitscha­ft, die Beziehunge­n zu Russland zu verbessern, in der Luft.« Im Krieg in der Ostukraine sieht sich Russland als Vermittler, nicht als Konfliktpa­rtei. Die Festlegung der Minsker Vereinbaru­ngen auf einen Abzug ausländisc­her Truppen bezieht Russland nicht auf sich. Immerhin einigten sich die Außenminis­ter Russlands und der Ukraine, Sergej Lawrow und Pawel Klimkin, in München darauf, einen neuen Anlauf für eine Waffenruhe zwischen prorussisc­hen Separatist­en und Regierungs­truppen zu nehmen.

Ansonsten äußerte sich Lawrow ablehnend gegenüber der NATO und warb für eine neue »post-westliche Weltordnun­g«. Das Militärbün­dnis sei »nach wie vor eine Institutio­n des Kalten Krieges, sowohl im Denken als auch im Herzen«, sagte Lawrow laut offizielle­r Übersetzun­g in München. Dass die NATO als eine Art »Eliteclub von Staaten« die Welt regiere, könne langfristi­g nicht funktionie­ren.

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Foto: dpa/Matthias Balk

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