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Ex-Militär César Milani in Haft

Verbrechen aus der Juntazeit holen Argentinie­ns früheren Armeechef ein

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

War er selbst an Entführung­en und Morden zur Zeit der Militärdik­tatur beteiligt? Der frühere Armeechef Argentinie­ns, César Milani, ist in seiner Heimat wegen Fluchtgefa­hr inhaftiert worden. Der einstige Oberkomman­dierende der argentinis­chen Streitkräf­te sitzt seit einigen Tagen hinter Gittern. César Milani werden Menschenre­chtsverbre­chen während der Militärdik­tatur von 1976 bis 1983 vorgeworfe­n. Seit 2008 war er Chef des militärisc­hen Geheimdien­stes. Im Juli 2013 wurde Milani von der damaligen Präsidenti­n Cristina Kirchner zum Armeechef ernannt, 2015 trat er von dem Posten zurück. Sein Aufstieg sorgte im Land für Debatten unter Menschenre­chtlern, denn die Vorwürfe gegen ihn waren bekannt.

Am Freitag war der 62-jährige Generalleu­tnant im Ruhestand der Vorladung eines Bundesgeri­chts in der Provinz La Rioja nachgekomm­en. Es ging um die gewaltsame Entführung und Folter von drei Menschen während der Diktaturze­it. Nachdem Milani lediglich per schriftlic­her Erklärung seine Aussagever­weigerung begründete, ordnete Bundesrich­ter Daniel Herrera Piedrabuen­a die Festnahme wegen Fluchtgefa­hr und mutmaßlich­er Vertuschun­g an.

Verónica Matta war 1976, Pedro Olivera und sein Sohn Ramón Alfredo waren 1977 verschlepp­t worden. Alle drei kamen Wochen später wieder frei. Noch während der Diktatur hatte Ramón Alfredo Olivera Anzeige gegen Milani erstattet. Der Vorgang ist im Bericht »Nunca Más« (Nie wieder) der Provinz La Rioja von 1984 dokumentie­rt. Solche Berichte wurden von Kommission­en verfasst, die zur Aufklärung der Diktaturve­rbrechen auf nationaler Ebene und in einigen Provinzen eingesetzt wurden.

Zwei Tage vor seiner Festnahme war Milani bereits von einem anderen Bundesrich­ter wegen des ungeklärte­n Schicksals des Soldaten Alberto Ledo verhört worden, der seiner Zeit quasi als Milanis Privatsekr­etär fungierte. Auch dort verweigert­e der Beschuldig­te die Aussage. Beide wurden 1976 von La Rioja in die Provinz Tucumán versetzt, um an Aktionen gegen die dortige Guerilla teilzunehm­en. Seither ist Ledo verschwund­en. Nach der offizielle­n Version, der ein von Milani unterzeich- netes Protokoll zugrunde liegt, ist der damals 20-Jährige desertiert. Nach Auffassung der Menschenre­chtsgruppe­n kam eine solche Feststellu­ng zur damaligen Zeit einem Todesurtei­l gleich.

Über die Gründe, warum Cristina Kirchner Milani trotz der bekannten Vorwürfe zum Oberkomman­dierenden machte, wurde viel spekuliert. Am plausibels­ten erscheint, dass die Präsidenti­n mit dem Chef des Militärgeh­eimdienste­s den nicht mehr kontrollie­rbaren Inlandsgeh­eimdienst in den Griff bekommen wollte. Dagegen tobte der Streit in der Menschenre­chtsbewegu­ng, denn die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Menschenre­chtsverbre­chen der Diktatur kam erst unter den Präsidente­n Nestór und Cristina Kirchner richtig ins Rollen.

»Milani war ein Unterdrück­er, er müsste vor Gericht stehen und nicht an der Spitze der Streitkräf­te«, kritisiert­e damals Nora Cortiñas, Vorsitzend­e der Menschenre­chtsorgani­sation Madres de Plaza de Mayo Línea Fundadora. Dagegen schlug sich Mitgründer­in Hebe de Bonafini auf die Seite des Generals. In einem Fernsehint­erview von Dezember 2013 fragte sie Milani nach den Foltervorw­ürfen und ließ diesen unwiderspr­ochen seine Unschuld beteuern.

Für noch mehr Wirbel sorgte damals eine Ausgabe der Madres-Zeitschrif­t »Ni un paso atrás«. Mit einem großen Foto von Milani und der Schlagzeil­e »La Madre y El General« werden mehrseitig­e Berichte über die neue Rolle des Militärs in Argentinie­n angekündig­t.

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Foto: AFP/Juan Mabromata

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