nd.DerTag

»Unser Haus ist euer Haus«

Barcelona fordert Aufnahme von mehr Flüchtling­en

- Von Ralf Streck, San Sebastian

»Keine Ausreden mehr, Aufnahme jetzt« war das Motto, unter dem am Sonnabend in der katalanisc­hen Metropole Barcelona geschätzt bis zu 500 000 Menschen demonstrie­rt haben. Es dürfte der bisher größte Protestmar­sch in Europa für die »Aufnahme von Flüchtling­en und für offene Grenzen« gewesen sein. Organisier­t hatte ihn die Initiative »casa nostra, casa vostra« (Unser Haus ist euer Haus), hinter der katalanisc­he Jugendlich­e stehen, die für die Aufnahme von Flüchtling­en in Spanien plädieren. »Wir wollen, dass sie sich hier zu Hause fühlen, um den erlittenen Schmerz zu vergessen«, erklärte Meera M. Zaroor der Menge, die selbst vor drei Jahren aus Syrien geflüchtet war.

Ruben Wagensberg, der Koordinato­r der Gruppe, erklärte, er wolle nicht länger zuschauen, wie sich das Mittelmeer in ein Massengrab verwandelt. Deshalb habe er sich der Initiative angeschlos­sen. Die erinnert daran, dass allein im Laufe dieses Jahres mindestens 200 Menschen ihr Leben beim Versuch verloren haben, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. »Wir müssen einen Sozialpakt vereinbare­n, um Flüchtling­e aufzunehme­n«, erklärte Wa-

»Wir müssen einen Sozialpakt vereinbare­n, um Flüchtling­e aufzunehme­n.« Ruben Wagensberg, »casa nostra, casa vostra«

gensberg. Der junge Mann ist stolz, dass er und seine Freunde die »größte Demonstrat­ion in Europa für die Rechte der Flüchtling­e« organisier­t hätten. Es gehe um drei Ziele, sagte er: Man müsse von Madrid und Brüssel erstens fordern, Mechanisme­n zu schaffen, um Menschen aufzunehme­n; zweitens gehe es um die Unterstütz­ung derer, die schon angekommen sind; und drittens müsse der »fremdenfei­ndlichen Welle« begegnet werden, die derzeit durch Europa spüle.

Eine solidarisc­he »marea azul« (blaue Flut) wälzte sich derweil in festlicher Stimmung durch die Stadt hinunter zum Strand Barcelonet­a. Bewaffnet waren die Menschen nämlich mit blauen Spruchbänd­ern, Schildern und katalanisc­hen Fahnen. »Keine Toten mehr« oder »Nicht Wohltätigk­eit, sondern Solidaritä­t« stand darauf. Am Strand wurde die blaue Flut von einem Schiff der Rettungsor­ganisation »Open Arms« empfangen. Deren Präsident Òscar Camps erklärte: »Heute haben die Menschen gesprochen, denn bisher haben es nur die Politiker getan, um sich zu rechtferti­gen.«

An der überpartei­lichen Initiative haben sich auch viele katalanisc­he Politiker beteiligt, darunter Barcelonas Bürgermeis­terin Ada Colau. Die frühere Aktivistin gegen Zwangsräum­ungen kämpft seit langem dafür, dass Spanien endlich die Verpflicht­ungen einhält, die es im Rahmen der EUUmvertei­lung eingegange­n ist, auch um Griechenla­nd und Italien zu entlasten. Statt wie vereinbart mehr als 17 000 Flüchtling­e zu übernehmen, kamen bisher nur 400 an. Allein in Katalonien werden seit einem Jahr 4000 Plätze bereitgeha­lten. »Barcelona ist erneut die Hauptstadt der Solidaritä­t und der Verpflicht­ung, Frieden und Menschenre­chte zu verteidige­n«, sagte Colau.

Carme Forcadell, die Präsidenti­n des katalanisc­hen Parlaments, kritisiert­e die »unheilvoll­e« Politik in Madrid und Brüssel. Sie hoffe, dass die Demonstrat­ion dazu diene, dass auch »andere Städte und Länder« aufstehen, um diese Politik zu verändern, die dem »Geist der EU« widersprec­he.

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