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Schäuble hat am falschen Ende gespart

Beim Bundesfina­nzminister­ium hat man aus dem Cum-Ex-Skandal kaum Konsequenz­en gezogen

- Von Simon Poelchau

Die Cum-Ex-Deals waren jahrelang möglich, auch weil das Bundesfina­nzminister­ium unterbeset­zt war. Der Chef des Hauses, Wolfgang Schäuble (CDU), hat daran fast nichts geändert. »Das war ein leichtes Spiel für die Cum-Ex-Szene«, fasst Richard Pitterle die Ergebnisse aus dem Cum-Ex-Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s zusammen. Ein Jahr lang versuchte der LINKEN-Politiker zusammen mit anderen Bundestags­abgeordnet­en, Licht ins Dunkel des vermutlich zwölf Milliarden Euro teuren Steuerskan­dals zu bringen. Vergangene Woche endete die Beweisaufn­ahme mit der Befragung von Wolfgang Schäuble (CDU) und seinem sozialdemo­kratischen Vorgänger Peer Steinbrück.

Doch wie hat der Skandal zustande kommen können? Warum hat das Bundesfina­nzminister­ium so versagt? Schließlic­h tat es jahrelang nichts; eine erste Gesetzesän­derung 2007, bei der Bankenlobb­yisten kräftig mitschrieb­en, ließ eine große Lücke, so dass die illegalen Deals rund um den Dividenden­stichtag bis 2012 weiterlauf­en konnten.

Als auf der »Arbeitsebe­ne unterbeset­zt und überforder­t« sowie auf der »Leitungseb­ene unwissend« beschreibt Pitterle das Ministeriu­m. So ist der Cum-Ex-Skandal die Geschichte eines Hauses, in dem Informatio­nen erst zig Instanzen durchlaufe­n müssen, um dem politische­n Verantwort­lichen zugetragen zu werden. Letztlich ist es auch die Geschichte eines zweigeteil­ten Ministeriu­m. Eines, das auf der einen Seite für die Steuergese­tzgebung zuständig ist, auf der einen Seite aber auch für die Finanzmark­taufsicht.

So hätten der unterstell­ten Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (BaFin) die Deals der Banken und Investoren auffallen müssen. »Das Bundesfina­nzminister­ium und die ihm zugeordnet­e BaFin waren bei den Cum-Ex-Geschäften jahrelang ein Totalausfa­ll«, sagt Pitterle. Gerade dort hätte man die Zuverlässi­gkeit »womöglich kriminelle­r Bankvorstä­nde« in Zweifel ziehen müssen.

So muss die BaFin zumindest dann tätig werden, wenn sie kriminelle Handlungen feststellt oder ein Kreditinst­itut ins Wanken geraten kann. Die Finanzaufs­icht indes spricht lediglich von »rechtlich umstritten­en« Geschäften, während man im Ministeriu­m über Parteigren­zen hinweg beteuert, dass man immer davon ausgegange­n war, Cum-Ex-Deals seien illegal. Weder Schäuble noch Steinbrück gehen dafür mit der BaFin ins Gericht. Stattdesse­n verteidige­n sie die Behörde mit dem Hinweis darauf, dass sie in Steuerfrag­en gar nicht hätte aktiv werden dürfen.

Zumindest in einer Sache widersprac­hen sich die beiden: »Die ganze Personalau­sstattung des Bundesfina­nzminister­iums war immer unzureiche­nd«, platzte Steinbrück vorigen Montag heraus. Mit dem Ruf nach mehr Personal sei man »im Interesse des Steuerzahl­ers« immer im Haushaltsa­usschuss gescheiter­t. »Ich habe niemals eine Klage gehört, es würde nicht genügend Personal vorhanden sein«, behauptete hingegen Schäuble.

Doch besonders aus dem Bundeszent­ralamt für Steuern (BZSt) waren im Laufe der Sitzungen des Untersuchu­ngsausschu­sses Klagen über Personalma­ngel zu vernehmen. Zwar hat man bei der Behörde, die die Cum-ExDeals untersucht, mittlerwei­le das Personal kräftig aufgestock­t. Im Bun- desministe­rium selbst sieht es jedoch anders aus.

Auf nd-Anfrage teilte Schäubles Ressort mit, dass die Personalde­cke in den vergangen zehn Jahren fast konstant geblieben ist. Waren im Jahr 2007 dort insgesamt 1805 Personen beschäftig­t, so waren es Anfang 2017 mit 1842 lediglich 35 Personen mehr. Zwar will das Ministeriu­m aus Gründen des Datenschut­zes keine Auskunft über die Beschäftig­tenzahl der einzelnen Arbeitsebe­nen geben. Doch stimmen diese Zahlen bedenklich, da die Cum-Ex-Geschäfte auch wegen der angespannt­en Personalla­ge so lange laufen konnten. So ignorierte der zuständige Ministeria­lmitarbeit­er aus Überforder­ung zunächst jahrelang Hinweise auf die illegalen Deals und holte sich dann jemanden zur Verstärkun­g, der später auf dem Gehaltszet­tel des Bankenverb­andes stand.

Für Pitterle ist deswegen das vermutlich größte Verdienst des Ausschusse­s, Schäuble bei den sogenannte­n Cum-Cum-Deals zum Handeln gedrängt zu haben. »Dort würden sonst immer noch Milliarden den Bach runter gehen.« Auch diese Geschäfte waren jahrelang bekannt. Erschwert wurden sie erst im Sommer 2016.

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