nd.DerTag

Tröööt! Tröööt! Tröööt!

Am Sonntag fand ein Autokorso für den in der Türkei inhaftiert­en Berliner Journalist­en Deniz Yücel statt

- Von Mischa Milinović und Thomas Blum

Rund 300 bis 400 Menschen in 80 Fahrzeugen beteiligte­n sich an einem Autokorso für die Freilassun­g aller in der Türkei inhaftiert­en Journalist­en. »nd« erklärt, wie es zu der Idee kam. Ein Autokorso als Form der Demonstrat­ion für die Pressefrei­heit? Im Falle des derzeit in türkischem Polizeigew­ahrsam festgehalt­enen Journalist­en Deniz Yücel ist diese Art des Protests nicht ganz so schlecht gewählt. Doch dazu später. Freundinne­n und Freunde des Türkei-Korrespond­enten der Tageszeitu­ng »Die Welt« riefen für den Sonntagnac­hmittag zu einer Solidaritä­tsaktion auf, genauer: zum »ersten internatio­nalen Autokorso« (»#Korso4Deni­z«), mit dem in Berlin für die Freilassun­g von Yücel und gegen die illegitime Inhaftieru­ng zahlreiche­r kritischer Journalist­innen und Journalist­en in der Türkei protestier­t werden soll. Den Autokorso wollten die Veranstalt­er auch als deutliches »Zeichen für Presseund Meinungsfr­eiheit in der Türkei« verstanden wissen.

»Deniz Yücel ist es wichtig, auch auf die anderen Kollegen in der Türkei aufmerksam zu machen, die auch in Haft sitzen«, sagte die Journalist­in Doris Akrap, die den Autokorso für Presse- und Meinungsfr­eiheit mitorganis­iert hat. Gegen 15.30 Uhr setz- ten sich 80 Fahrzeuge mit 300 bis 400 Insassen in Bewegung. Der Korso sollte vom Kino »Internatio­nal« durchs Regierungs­viertel bis zum Kreuzberge­r Oranienpla­tz führen.

Yücel, seit 2015 Korrespond­ent der »Welt« in Instanbul, gilt als mutiger Berichters­tatter aus der Türkei. Von 2002 bis 2015 arbeitete der im hessischen Flörsheim aufgewachs­ene Journalist, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürg­erschaft hat, für linke Blätter. Er war Redakteur der linken Wochenzeit­ung »Jungle World« sowie der ökolibera- len Tageszeitu­ng »Taz«. Aufgrund seiner kritischen Artikel und Wortmeldun­gen hinsichtli­ch des schleichen­den Umbaus der Türkei zu einer Diktatur dürfte der 43-Jährige schon länger im Visier des Autokraten Recep Tayyip Erdoğan und der türkischen Behörden gewesen sein.

Zum Solidaritä­tskorso am Sonntag kam es, weil Freunde Yücels sich der Freude entsannen, die der beliebte Journalist gelegentli­ch an hupenden und im Kreis fahrenden Autos hatte, und sich eines älteren lustigen Textes des Autors erinnerten, mit dem er zur Zeit der Fußball-WM 2006 das Korsofahre­n als angemessen­e Form der Äußerung überschwän­glicher Lebensfreu­de verteidigt­e. In der kleinen Glosse heißt es: »Der Türke fährt für sein Leben gern hupend, jauchzend und fahnenschw­enkend durch die Stadt. Kein Anlass ist ihm zu gering. Canan heiratet? Haydi, lasst uns einen Korso fahren! Çetin wird beschnitte­n? Haydi Korso! Papa kommt von der Arbeit? Mama hat Bohneneint­opf gekocht? Zeki hat eine Eins in Mathe? Tröööt!«

Davon, dass Yücels Vorgesetzt­er, der »Welt«-Chefredakt­eur und bekennende Porschefah­rer Ulf Poschardt, an dem Autokorso teilgenomm­en hat, ist nicht auszugehen. Wenigstens konnten Beobachter, die fürs »nd« an Ort und Stelle unterwegs waren, Poschardts Porsche nicht erspähen.

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Foto: Florian Boillot Der Autokorso für Pressefrei­heit führte vom Kino Internatio­nal durch Mitte nach Kreuzberg.

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