Tröööt! Tröööt! Tröööt!
Am Sonntag fand ein Autokorso für den in der Türkei inhaftierten Berliner Journalisten Deniz Yücel statt
Rund 300 bis 400 Menschen in 80 Fahrzeugen beteiligten sich an einem Autokorso für die Freilassung aller in der Türkei inhaftierten Journalisten. »nd« erklärt, wie es zu der Idee kam. Ein Autokorso als Form der Demonstration für die Pressefreiheit? Im Falle des derzeit in türkischem Polizeigewahrsam festgehaltenen Journalisten Deniz Yücel ist diese Art des Protests nicht ganz so schlecht gewählt. Doch dazu später. Freundinnen und Freunde des Türkei-Korrespondenten der Tageszeitung »Die Welt« riefen für den Sonntagnachmittag zu einer Solidaritätsaktion auf, genauer: zum »ersten internationalen Autokorso« (»#Korso4Deniz«), mit dem in Berlin für die Freilassung von Yücel und gegen die illegitime Inhaftierung zahlreicher kritischer Journalistinnen und Journalisten in der Türkei protestiert werden soll. Den Autokorso wollten die Veranstalter auch als deutliches »Zeichen für Presseund Meinungsfreiheit in der Türkei« verstanden wissen.
»Deniz Yücel ist es wichtig, auch auf die anderen Kollegen in der Türkei aufmerksam zu machen, die auch in Haft sitzen«, sagte die Journalistin Doris Akrap, die den Autokorso für Presse- und Meinungsfreiheit mitorganisiert hat. Gegen 15.30 Uhr setz- ten sich 80 Fahrzeuge mit 300 bis 400 Insassen in Bewegung. Der Korso sollte vom Kino »International« durchs Regierungsviertel bis zum Kreuzberger Oranienplatz führen.
Yücel, seit 2015 Korrespondent der »Welt« in Instanbul, gilt als mutiger Berichterstatter aus der Türkei. Von 2002 bis 2015 arbeitete der im hessischen Flörsheim aufgewachsene Journalist, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft hat, für linke Blätter. Er war Redakteur der linken Wochenzeitung »Jungle World« sowie der ökolibera- len Tageszeitung »Taz«. Aufgrund seiner kritischen Artikel und Wortmeldungen hinsichtlich des schleichenden Umbaus der Türkei zu einer Diktatur dürfte der 43-Jährige schon länger im Visier des Autokraten Recep Tayyip Erdoğan und der türkischen Behörden gewesen sein.
Zum Solidaritätskorso am Sonntag kam es, weil Freunde Yücels sich der Freude entsannen, die der beliebte Journalist gelegentlich an hupenden und im Kreis fahrenden Autos hatte, und sich eines älteren lustigen Textes des Autors erinnerten, mit dem er zur Zeit der Fußball-WM 2006 das Korsofahren als angemessene Form der Äußerung überschwänglicher Lebensfreude verteidigte. In der kleinen Glosse heißt es: »Der Türke fährt für sein Leben gern hupend, jauchzend und fahnenschwenkend durch die Stadt. Kein Anlass ist ihm zu gering. Canan heiratet? Haydi, lasst uns einen Korso fahren! Çetin wird beschnitten? Haydi Korso! Papa kommt von der Arbeit? Mama hat Bohneneintopf gekocht? Zeki hat eine Eins in Mathe? Tröööt!«
Davon, dass Yücels Vorgesetzter, der »Welt«-Chefredakteur und bekennende Porschefahrer Ulf Poschardt, an dem Autokorso teilgenommen hat, ist nicht auszugehen. Wenigstens konnten Beobachter, die fürs »nd« an Ort und Stelle unterwegs waren, Poschardts Porsche nicht erspähen.