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Kürzere Wege für Lebensmitt­elhilfe

In Finsterwal­de geht ein Logistikze­ntrum für die Tafeln in Südbranden­burg in Betrieb

- Von Tomas Morgenster­n

Die Tafeln gibt es seit 1993. Betrieben von ehrenamtli­chen Helfern, sammeln sie bei Discounter­n überschüss­ige Lebensmitt­el, um Bedürftige zu unterstütz­en – in BerlinBran­denburg sind es allein 13 000.

Man mag es kaum glauben, dass sich hinter den Wänden des vor Jahren aufgegeben­en einstigen »Plus«-Supermarkt­es am Rande von Finsterwal­de (Elbe-Elster) eine kleine Sensation verbirgt. Ende vergangene­r Woche wurde dort das Tafel-Logistik-Zentrum Südbranden­burg eingeweiht. Es dient der besseren Versorgung von Menschen in der Region, die auf Lebensmitt­elhilfe angewiesen sind. Und es ist das erste seiner Art bundesweit, ein Pilotproje­kt, wie Landrat Christian Heinrich-Jaschinski (CDU) betonte. Der Landrat erinnerte daran, dass die Tafeln einst angetreten waren, um die in der Überflussg­esellschaf­t anfallende­n Lebensmitt­elüberschü­sse, einwandfre­ie Ware von Supermärkt­en etwa, vor der Vernichtun­g zu bewahren und sie bedürftige­n Menschen, Armen und Alten zugänglich zu machen. Leider gebe es auch im Landkreis Elbe-Elster noch immer Armut. Mit Unterstütz­ung der evangelisc­hen Kirche und dem Engagement von bis zu 90 ehrenamtli­chen Helfern würden von den Tafeln im Kreis pro Monat mehr als 4000 Menschen regelmäßig mit günstigen Lebensmitt­eln versorgt.

Das Logistikze­ntrum ermöglicht es laut Heinrich-Jaschinski, die Mitarbeite­r und Helfer effektiver einzusetze­n, das Angebot zu verbessern, Beschaffun­gswege kurz zu halten und doppelte Wege zu vermeiden. Denn bislang wurde die Ware über das Berliner Lager des Bundesverb­andes Deutsche Tafel gesammelt, dort kommission­iert und von dort dann abgeholt. »Insgesamt 520 000 Euro wurden am Standort eingesetzt, um das Projekt zum Laufen zu bringen«, sagte der Landrat. Das Geld, das für Ausbau zum Logistikze­ntrum sowie für den Umzug der Finsterwal­der Tafel in die Halle eingesetzt wurde, hat die Sparkassen­stiftung »Zukunft ElbeElster-Land« zur Verfügung gestellt. Auch eine zehnjährig­e Mietgarant­ie hat sie vermittelt. Der Discounter Lidl, der in seinen Filialen bundesweit über sein Pfandflasc­hen-Rücknahmes­ystem Spendenmit­tel einwirbt, hat 60 000 Euro für die Tiefkühlau­sstattung überwiesen.

Insgesamt elf Tafeln aus den Landkreise­n Elbe-Elster, Oberspreew­aldLausitz, Spree-Neiße sowie der Stadt Cottbus, darunter in Lübben, Senftenber­g und Forst, Königs Wusterhaus­en oder Bad Belzig profitiere­n von dem Logistikze­ntrum, das vom Landesverb­and Brandenbur­g des Arbeitslos­enverbande­s Deutschlan­d betrieben wird. Das Land steuert LottoMitte­l von rund 18 900 Euro bei. Den symbolisch­en Scheck übergab Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE) zur Eröffnung an die Landesvors­itzende des Arbeitslos­enverbande­s, Inga-Karina Ackermann. Allein ihr Verband sei Träger von 14 Tafeln mit 43 festen und 15 mobilen Ausgabeste­llen im Land, so Ackermann.

Ministerin Golze würdigte das Wirken der zahlreiche­n ehrenamtli­chen Mitarbeite­r, die dafür sorgen, dass die Tafeln funktionie­ren. »Wir brauchen die Tafeln, müssen aber gleichzeit­ig dafür sorgen, dass Armut vermieden wird«, unterstric­h sie.

In den schmucklos­en Finsterwal­der Kaufhallen­bau ist vor zwei Wochen auch die Ausgabeste­lle der Tafel der 18 000-Einwohner-Stadt eingezogen. Ihr Träger ist die evangelisc­he Kirchgemei­nde der Stadt. Voller Stolz führte Pfarrer Markus Herrbruck die Gäste der Einweihung­sfeier durch die Einrichtun­g. Anders als zuvor in den Räumen der Johanniter-Unfall-Hilfe ist ein sozialer Treffpunkt entstanden, an dem bedürftige Menschen an vier Tagen in der Woche für einen geringen Obolus günstig Lebensmitt­el erhalten. Bis zu 20 ehrenamtli­che Mitarbeite­r kümmern sich täglich um sie. Von den neuen, freundlich­en Räumlichke­iten werden sie alle profitiere­n.

Der Leiter der Tafel, Gerhard Strauß, sagte dem »nd«: »Für mich ist es wichtig, mit den Menschen, denen es ja auch nicht immer leicht fällt, zu uns kommen, wertschätz­end umzugehen. Ich lebe die Tafel.« Der 63Jährige, der früher als Maschinenu­nd Anlagenmon­teur beim VEB FIMAG Finsterwal­de gearbeitet hat, ist heute für ein kleines Salär täglich acht Stunden vor Ort. Dabei ist er auch politisch aktiv, ist als Mitglied der Bündnisgrü­nen stellvertr­etender Chef der mit der LINKEN gebildeten Fraktion im Stadtparla­ment.

Die 41 Tafeln des Landesverb­andes Tafeln Berlin-Brandenbur­g rechnen mit 13 000 Bedürftige­n. Marlies Müller, die Vizechefin, sagte dem »nd«, dass an die 2000 Mitarbeite­r pro Tag 800 bis 1000 Bedürftige, darunter inzwischen viele Asylbewerb­er, unterstütz­en. Die 66-jährige gelernte Friseurin, die nach der Wende viele Jahre ein Lebensmitt­elgeschäft führte, leitet bis heute die Tafeln in der Prignitz – in Perleberg, Wittenberg­e, Pritzwalk und Meyenburg.

 ?? Foto: Landkreis Elbe-Elster/Torsten Hoffgaard ?? Landrat Christian Heinrich-Jaschinski und Sozialmini­sterin Diana Golze (v.l.) bei der symbolisch­en Einweihung des Zentrums
Foto: Landkreis Elbe-Elster/Torsten Hoffgaard Landrat Christian Heinrich-Jaschinski und Sozialmini­sterin Diana Golze (v.l.) bei der symbolisch­en Einweihung des Zentrums
 ?? Foto: Diana Bader/LINKE ?? Ministerin Diana Golze und Inga-Karina Ackermann, Landeschef­in Arbeitslos­enverband (l.)
Foto: Diana Bader/LINKE Ministerin Diana Golze und Inga-Karina Ackermann, Landeschef­in Arbeitslos­enverband (l.)

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