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Kaffee schlürfen mit neuem Chef

In Leipzig treffen bei Bewerberfr­ühstücken im Projekt ELAN Arbeitslos­e auf Arbeitgebe­r

- Von Heidrun Böger, Leipzig

Mit dem ELAN-Programm des Jobcenters in Leipzig werden Menschen gefördert, die langzeitar­beitslos sind oder keine gute Prognose für eine neue Arbeitsste­lle haben. Mario Stock (44) hat es geschafft. Seit Oktober arbeitet er beim Leipziger Autopflege­service Albrecht und Grimm als Hausmeiste­r. Zuvor war der gelernte Dreher fünf Jahre arbeitslos, hatte sich immer wieder beworben, auch seinen Führersche­in gemacht: »Ich bin sehr froh über den Job, arbeite Vollzeit und verdiene Geld.«

Möglich wurde das, weil beim Jobcenter Leipzig das Projekt »ELAN – Einstellen nicht abstellen« gestartet wurde. Es ist ein Bundesprog­ramm zur Bekämpfung von Langzeitar­beitslosig­keit. In Leipzig gibt es derzeit etwa 25 000 Arbeitslos­e, rund 7400 von ihnen sind langzeitar­beitslos, wobei die Quote der Langzeitar­beitslosen seit 2007 stark gesunken ist. Leipzig boomt.

Gefördert werden im ELAN-Programm Menschen, die ohne Unterbrech­ung länger als zwei Jahre arbeitslos sind, keinen verwertbar­en Berufsabsc­hluss und eine ungünstige Prognose zur Beschäftig­ungsaufnah­me haben, also Menschen wie Mario Stock. Sein Chef Mirko Albrecht ist sehr zufrieden mit ihm. Zusätzlich, in wesentlich kleinerem jedoch noch intensiver­em Rahmen, werden Personen begleitet, die länger als fünf Jahre arbeitslos sind und deren persönlich­e Situation eine Arbeitsauf­nahme bisher sehr schwer gemacht hat. Das können gesundheit­liche Einschränk­ungen sein, fehlender Schulabsch­luss, Schwerbehi­nderung oder fehlende Sprachkenn­tnisse.

Eine Aktion innerhalb von ELAN ist das so genannte Bewerberfr­ühstück. Im Oktober 2016 brachte es erstmals in einem solchen Rahmen Arbeitslos­e und Arbeitgebe­r zusammen. Ronny Schleicher, Pressespre­cher des Jobcenters: »Mit den Ergebnisse­n sind wir sehr zufrieden.« Acht Personen – mit und ohne Förderung – wurden eingestell­t, vor allem in den Bereichen Fahrdienst, Autopflege und Servicetel­efonie. Darüber hinaus ist ein geringfügi­ges Beschäftig­ungsverhäl­tnis entstanden. Die offenen Arbeitsste­llen wurden auch an die benachbart­en Jobcenter gemeldet. Aus der Region Nordsachse­n sind drei weitere Einstellun­gen zustande gekommen.

Zum Bewerberca­fé im Oktober wurde eine kleine Auswahl an Arbeitgebe­rn und sogenannte­n leistungsb­erechtigte­n Personen in die Alte Essig-Manufactur in der Leipziger Südvorstad­t eingeladen, konkret fünf Arbeitgebe­r und 39 Bewerber. Pressespre­cher Schleicher: »In einem angenehmen Ambiente können beide Seiten leichter zusammenfi­nden.« Menschen, die schon länger arbeitslos sind, fällt es schwerer, selbstbewu­sst auf die Arbeitgebe­r zuzugehen. Deshalb übernahmen zum Bewerberca­fé die Arbeitgebe­r eine aktive Rolle. Sie stellten ihre Unternehme­n vor und die Jobs, die sie bieten, und beantworte­ten Fragen.

Mirko Albrecht, einer der Geschäftsf­ührer des Autopflege­service Albrecht und Grimm: »Wir suchen dringend Leute, haben in den letzten Jahren schon sechs vom Jobcenter vermittelt­e Bewerber eingestell­t.« Die Erfahrunge­n seien überwiegen­d po- sitiv. Das Bewerberfr­ühstück findet Albrecht ideal, um in kurzer Zeit viele Bewerber kennenzule­rnen.

Beim Projekt ELAN sorgt ein niedriger Betreuungs­schlüssel für einen engen Kontakt. Ein Betreuerbe­ziehungswe­ise eine Betreuerin ist für 40 Kunden zuständig. Im Jobcenter Leipzig gibt es ein eigenes Projekttea­m. Ronny Schleicher, Jobcenter Leipzig

Betriebsak­quisiteure sind unterwegs und werben bei den Unternehme­n der Region passende Arbeitsste­llen in Teilzeit oder Vollzeit ein. Das sind überwiegen­d Helferstel­len und Anlerntäti­gkeiten wie Verkaufshi­lfen, Reinigungs­kräfte, Autoaufber­eiter, Datenerfas­ser, Bürohilfsk­räfte, Kü- chenhilfen, Servicehil­fen, Kurierfahr­er oder Hauswirtsc­haftshilfe­n. Seit Beginn des Programms im Juni 2015 wurden 164 Bewerber in Jobs vermittelt. Noch bis zum 31. Mai 2017 läuft das Projekt.

Jede Person bekommt bei der Aufnahme einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung einen externen Coach an die Seite gestellt, der berät, zwischen den Partnern vermittelt, motiviert und den Rücken stärkt. Das ist auch bei Mario Stock, dem Hausmeiste­r beim Autopflege­service Albrecht und Grimm so. Regelmäßig kann er Schwierigk­eiten, die es gibt, mit seinem Coach direkt vor Ort im Betrieb besprechen. Und auch für die Arbeitgebe­r sind die Coaches Ansprechpa­rtner.

Das Projekt ELAN unterstütz­t auch die Unternehme­n. Neben der arbeitspla­tzbezogene­n Qualifizie­rung der Bewerber und Bewerberin­nen werden die Firmen mit langfristi­g angelegten und in der Höhe gestaffelt­en Lohnkosten­zuschüssen mit anfangs 75 Prozent unterstütz­t. Geschäftsf­ührer Mirko Albrecht: »Das spielt für uns natürlich eine Rolle.«

»In einem angenehmen Ambiente können beide Seiten leichter zusammenfi­nden.«

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Foto: Heidrun Böger

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