Pappe oder Plastik?
Erste Pfandsysteme für To-Go-Kaffeebecher erfolgreich
Schnell auf dem Weg einen Kaffee schlürfen, den Becher in den nächsten Mülleimer – in immer mehr Städten wollen Initiativen diese ToGo-Becherflut begrenzen und Mehrwegsysteme einführen.
Mittags wird es bei Benny Haas immer voll. Dann drängen sich in seinem engen Café viele Studenten der nahe gelegenen Freiburger Uni und stehen vor allem für Herzhaftes an: belegte Brote oder Laugengebäck. So selbstverständlich wie das Stimmengewirr des jungen Studententages ist das dauernde Zischen des Kaffeeautomaten – und die Frage, die Benny Haas den meisten Kunden stellt: »Pappe oder Plastik?«
Er will wissen, ob sie ihren Kaffee zum Mitnehmen im Einwegbecher aus Pappe oder aus dem Mehrweggeschirr trinken wollen. »Im November gab es eine Phase, in der wollten schätzungsweise neun von zehn Kunden Plastik haben. Inzwischen sind es etwas weniger, vielleicht fünf von zehn. Das ist o.k., wenn man bedenkt, dass der erste Hype vorbei ist.«
»Der erste Hype« – das war, als im vergangenen Herbst zahlreiche Cafés und Kneipen der Stadt das Projekt »FreiburgCup« starteten: Um keine Müllberge aus Pappe zu produzieren, wird der Kaffee-To-Go auch im Pfandbecher angeboten. Einen Euro extra kostet das, rücktauschbar in jedem der teilnehmenden Betriebe. Es geht um riesige Mengen: Stündlich wandern in Deutschland 320 000 Papp-Kaffeebecher in den Müll. Das hat die Deutsche Umwelthilfe schon 2015 berechnet.
Freiburg ist nicht die einzige Stadt, in der versucht wird, dagegen anzugehen. So gibt es in Hamburg, Regensburg und Rosenheim ähnliche Projekte. Jetzt, nachdem sie erste Erfahrungen gesammelt haben, geben sich die Beteiligten optimistisch: Der Pfandbecher für Kaffee kommt deutschlandweit. Früher oder später.
In Freiburg glaubt man daran schon allein, weil man sieht, wie schnell sich die Idee verbreitet: Mit rund einem Dutzend teilnehmender Cafés habe man angefangen, noch im Frühjahr werde man aller Voraussicht nach die Hundertermarke überspringen, sagt Michael Broglin, Geschäftsführer der Freiburger Abfallwirtschaft, die hinter der Idee steht. »Die Mehrwegbecher werden gezielt nachgefragt. Das merken wir.« Die Becher werden ausgespült und wiederverwendet – 200 bis 300 Mal sollen sie im Umlauf sein, bis sie ersetzt werden.
Momentan sei der Freiburg Cup auf die Innenstadt beschränkt. »Das wird sich aber ganz schnell ändern«, prophezeit Broglin. 15 000 Exemplare seien derzeit im Umlauf. »Das ist eine Aktion, die einfach zur Zeit passt.«
Ähnlich äußert man sich auch beim Hamburger Projekt: »Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf unserer Aktion. Unsere Kunden nehmen das sehr positiv an«, sagt Susanne Voss vom Fair-Kaffee-Handelsverein El Rojito. Allerdings denkt man hier in kleineren Dimensionen, derzeit laufen rund 2000 Becher in einem guten Dutzend Cafés umher.
Es geht aber nicht nur um Umweltschutz. Mitunter sind die Mehrwegbecher nämlich auch ein Geschäft – oder sie könnten zumindest eines werden. Davon ist Fabian Eckert überzeugt, dessen Unternehmen in Rosenheim bereits 28 Cafés mit dem »Recup« versorgt, einem Mehrwegbecher mit Pfandsystem.
»Das ist ein attraktiver Markt. Meine Sorge ist, dass ihn jemand übernimmt, der das nicht nachhaltig macht«, sagt er. Dabei setzt der »Recup« ganz bewusst auf Plastik: Abbaubare Verpackungsstoffe seien in der Entwicklung noch nicht weit genug fortgeschritten, Glas zu unpraktisch als Kaffeebehältnis. Einnahmen erzielen wollen Eckert und sein Partner unter anderem über den Verkauf der Becher.
Losgelöst von Einzelinitiativen haben unabhängig voneinander die Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen Ende letzten Jahres angekündigt, an einem Pfandsystem arbeiten zu wollen. An der Elbe soll es schon Treffen zwischen Umweltbehörde und Bäckereiketten gegeben haben. Auch in Frankfurt am Main wird über ein Pfandsystem nachgedacht. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat das Freiburger Projekt in den »Ruhr Nachrichten« gelobt: »Eine tolle Initiative, die noch viele Nachahmer finden wird«. Allerdings auf freiwilliger Basis – eine Bundesregelung brauche man nicht. Ein Problem hat bislang keines der Projekte lösen können: Es gibt derzeit keinen Mehrwegdeckel, der sich so simpel und wirtschaftlich reinigen lässt wie die Becher selbst – daher ist dieser Teil der Gefäße ein Einwegartikel.
Der Freiburger Cafébetreiber Benny Haas freut sich über jeden Kunden, der auf den Einwegbecher verzichtet. Außerdem ist ihm noch etwas anderes aufgefallen: »Wenn die Kunden sich entscheiden müssen, woraus sie ihren Kaffee trinken, dann werden sie beim Konsum bewusster. Manch einer sagt dann ganz spontan: ›Ach, dann nehme ich mir doch einfach mal die Zeit und trinke gemütlich hier im Café.‹« Statt Pappe oder Plastik gibt es dann Porzellan.