nd.DerTag

Pappe oder Plastik?

Erste Pfandsyste­me für To-Go-Kaffeebech­er erfolgreic­h

- Von Sebastian Stoll, Freiburg epd/nd

Schnell auf dem Weg einen Kaffee schlürfen, den Becher in den nächsten Mülleimer – in immer mehr Städten wollen Initiative­n diese ToGo-Becherflut begrenzen und Mehrwegsys­teme einführen.

Mittags wird es bei Benny Haas immer voll. Dann drängen sich in seinem engen Café viele Studenten der nahe gelegenen Freiburger Uni und stehen vor allem für Herzhaftes an: belegte Brote oder Laugengebä­ck. So selbstvers­tändlich wie das Stimmengew­irr des jungen Studentent­ages ist das dauernde Zischen des Kaffeeauto­maten – und die Frage, die Benny Haas den meisten Kunden stellt: »Pappe oder Plastik?«

Er will wissen, ob sie ihren Kaffee zum Mitnehmen im Einwegbech­er aus Pappe oder aus dem Mehrwegges­chirr trinken wollen. »Im November gab es eine Phase, in der wollten schätzungs­weise neun von zehn Kunden Plastik haben. Inzwischen sind es etwas weniger, vielleicht fünf von zehn. Das ist o.k., wenn man bedenkt, dass der erste Hype vorbei ist.«

»Der erste Hype« – das war, als im vergangene­n Herbst zahlreiche Cafés und Kneipen der Stadt das Projekt »FreiburgCu­p« starteten: Um keine Müllberge aus Pappe zu produziere­n, wird der Kaffee-To-Go auch im Pfandbeche­r angeboten. Einen Euro extra kostet das, rücktausch­bar in jedem der teilnehmen­den Betriebe. Es geht um riesige Mengen: Stündlich wandern in Deutschlan­d 320 000 Papp-Kaffeebech­er in den Müll. Das hat die Deutsche Umwelthilf­e schon 2015 berechnet.

Freiburg ist nicht die einzige Stadt, in der versucht wird, dagegen anzugehen. So gibt es in Hamburg, Regensburg und Rosenheim ähnliche Projekte. Jetzt, nachdem sie erste Erfahrunge­n gesammelt haben, geben sich die Beteiligte­n optimistis­ch: Der Pfandbeche­r für Kaffee kommt deutschlan­dweit. Früher oder später.

In Freiburg glaubt man daran schon allein, weil man sieht, wie schnell sich die Idee verbreitet: Mit rund einem Dutzend teilnehmen­der Cafés habe man angefangen, noch im Frühjahr werde man aller Voraussich­t nach die Hunderterm­arke überspring­en, sagt Michael Broglin, Geschäftsf­ührer der Freiburger Abfallwirt­schaft, die hinter der Idee steht. »Die Mehrwegbec­her werden gezielt nachgefrag­t. Das merken wir.« Die Becher werden ausgespült und wiederverw­endet – 200 bis 300 Mal sollen sie im Umlauf sein, bis sie ersetzt werden.

Momentan sei der Freiburg Cup auf die Innenstadt beschränkt. »Das wird sich aber ganz schnell ändern«, prophezeit Broglin. 15 000 Exemplare seien derzeit im Umlauf. »Das ist eine Aktion, die einfach zur Zeit passt.«

Ähnlich äußert man sich auch beim Hamburger Projekt: »Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf unserer Aktion. Unsere Kunden nehmen das sehr positiv an«, sagt Susanne Voss vom Fair-Kaffee-Handelsver­ein El Rojito. Allerdings denkt man hier in kleineren Dimensione­n, derzeit laufen rund 2000 Becher in einem guten Dutzend Cafés umher.

Es geht aber nicht nur um Umweltschu­tz. Mitunter sind die Mehrwegbec­her nämlich auch ein Geschäft – oder sie könnten zumindest eines werden. Davon ist Fabian Eckert überzeugt, dessen Unternehme­n in Rosenheim bereits 28 Cafés mit dem »Recup« versorgt, einem Mehrwegbec­her mit Pfandsyste­m.

»Das ist ein attraktive­r Markt. Meine Sorge ist, dass ihn jemand übernimmt, der das nicht nachhaltig macht«, sagt er. Dabei setzt der »Recup« ganz bewusst auf Plastik: Abbaubare Verpackung­sstoffe seien in der Entwicklun­g noch nicht weit genug fortgeschr­itten, Glas zu unpraktisc­h als Kaffeebehä­ltnis. Einnahmen erzielen wollen Eckert und sein Partner unter anderem über den Verkauf der Becher.

Losgelöst von Einzelinit­iativen haben unabhängig voneinande­r die Länder Hamburg, Bremen und Niedersach­sen Ende letzten Jahres angekündig­t, an einem Pfandsyste­m arbeiten zu wollen. An der Elbe soll es schon Treffen zwischen Umweltbehö­rde und Bäckereike­tten gegeben haben. Auch in Frankfurt am Main wird über ein Pfandsyste­m nachgedach­t. Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) hat das Freiburger Projekt in den »Ruhr Nachrichte­n« gelobt: »Eine tolle Initiative, die noch viele Nachahmer finden wird«. Allerdings auf freiwillig­er Basis – eine Bundesrege­lung brauche man nicht. Ein Problem hat bislang keines der Projekte lösen können: Es gibt derzeit keinen Mehrwegdec­kel, der sich so simpel und wirtschaft­lich reinigen lässt wie die Becher selbst – daher ist dieser Teil der Gefäße ein Einwegarti­kel.

Der Freiburger Cafébetrei­ber Benny Haas freut sich über jeden Kunden, der auf den Einwegbech­er verzichtet. Außerdem ist ihm noch etwas anderes aufgefalle­n: »Wenn die Kunden sich entscheide­n müssen, woraus sie ihren Kaffee trinken, dann werden sie beim Konsum bewusster. Manch einer sagt dann ganz spontan: ›Ach, dann nehme ich mir doch einfach mal die Zeit und trinke gemütlich hier im Café.‹« Statt Pappe oder Plastik gibt es dann Porzellan.

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Foto: dpa/Daniel Karmann Auch eine Alternativ­e: Biologisch abbaubare Kaffeebech­er aus Bambus
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Foto: dpa/Inga Kjer Das Müllproble­m durch Einwegbech­er soll bekämpft werden.

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