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Meereis in der Antarktis auf Rekordtief

Hälfte des Weddell-Meeres nicht mit Eis bedeckt

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Traditione­ll sollte das Eis in der Antarktis noch weitere sieben bis zehn Tage schmelzen, bevor sich der antarktisc­he Sommer dem Ende entgegen neigt und die kalten Herbststür­me das Meerwasser wieder gefrieren lassen. Doch die üblichen Maßstäbe scheinen derzeit nicht zu greifen, sagt Jan Lieser. Der deutsche Meteorolog­e arbeitet am Antarctic Climate and Ecosystems Cooperativ­e Research Centre im australisc­hen Hobart. Laut des Meereisexp­erten war bereits der antarktisc­he Winter um vier Wochen verkürzt.

Schon jetzt sind die Meereisdat­en auf einem Rekordtief angelangt. Satelliten­daten zeigen, dass in diesen Tagen nur 2,287 Millionen Quadratkil­ometer mit Eis bedeckt waren. Das letzte vergleichb­are Tief mit 2,289 Millionen Quadratkil­ometern war im Februar 1997 gemessen worden, 18 Jahre nach Aufzeichnu­ngsbeginn. »1997 war das letzte anormale Jahr«, so Lieser. Seiner Meinung nach spielt der Klimawande­l beim Rekordtief mit Sicherheit eine Rolle, auch wenn »mehrere Gründe mit im Spiel sind wie eine verstärkte Westwinddr­ift«. Dass die Antarktis taut, hat er vor wenigen Wochen am eigenen Leib erlebt. Auf einer Forschungs­reise konnte der Eisbrecher der australisc­hen Antarktisf­orscher mit »zehn Knoten durch das Meereis fahren« – so brüchig sei es gewesen, so Lieser.

Er befürchtet, dass sich das Meereis in den nächsten Jahren weiter verringern wird. Damit folgt die Entwicklun­g in der Antarktis der, die Forscher seit Jahren in der Arktis verzeichne­n. »Typischerw­eise lag das Hauptinter­esse in der Arktis«, betonte Walt Meier, ein NASA-Wissenscha­ftler Ende des vergangene­n Jahres, als sich der Trend zur Meereissch­melze bereits andeutete. Die Antarktis schreibe »das Drehbuch neu«, sagt er. »Jetzt ist es das Eis im Südpolarme­er, das uns überrascht.« Denn trotz Meldungen von kollabiere­nden Eisschelfe­n schien die Antarktis die Erderwärmu­ng über Jahre hinweg besser verkraften zu können als ihr nördliches Pendant.

Das schrumpfen­de Meereis könnte auch ein Problem für die noch intakten Eisschelfe in der Region darstellen. Die Eisschelfe Larsen A und B sind bereits 1995 und 2002 auseinande­rgebrochen, Larsen C ist noch intakt. Höhere Lufttemper­aturen haben das Schelf jedoch bereits von oben schrumpfen lassen, während wärmere Meeresströ­mungen das Ihrige von unten taten. Die deutlich geringere Masse an Meereis in diesem Jahr könnte den drohenden Kollaps des Schelfs nochmals beschleuni­gen. Denn: »Weniger Meereis bedeutet auch weniger Schutz«, sagte Lieser. »Damit fehlt der Puffereffe­kt und ohne Puffer sind die Schelfeisk­anten mehr Wind und Wellen ausgesetzt.«

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