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Klein in den Umfragen, groß in den Medien

Kleinstpar­teien wie DENK oder Artikel 1 könnten für Überraschu­ngen sorgen, indem sie neue Wählerschi­cht ansprechen

- Von Steffi Weber, Amsterdam

Die Migrantenp­artei DENK holt laut Umfragen null bis zwei Sitze, schafft es aber immer wieder ins mediale Rampenlich­t. Die Gründer stehen angeblich der türkischen Regierungs­partei AKP nahe.

Vier Wochen vor den Wahlen sorgte die ehemalige Splitterpa­rtei DENK letzte Woche erneut für einen Skandal: Die Migrantenp­artei setzte im Wahlkampf Internettr­olle mit Fakeaccoun­ts ein, um ihre politische­n Gegner online zu attackiere­n und die öffentlich­e Meinung zu beeinfluss­en, wie die Zeitung »NRC Handelsbla­d« enthüllte. Die Partei wollte nicht in den Mainstream­medien reagieren, schlug aber auf ihrem YouTube-Kanal zurück. Den klassische­n Medien, so die Partei, sei nicht zu vertrauen. Ähnlich wie Geert Wilders PVV kommunizie­rt auch DENK vor allem via Social Media mit ihren potenziell­en Wählern. Und vergleichb­ar mit der PVV setzt auch DENK auf Identitäts­politik – nur eben am anderen Ende des politische­n Spektrums.

Die Partei gibt sich als Multikulti­partei, will ein »Ministeriu­m für gegenseiti­ge Akzeptanz« und eine inklusive Gesellscha­ftsordnung. Schu- len sollen zur multikultu­rellen Erziehung verpflicht­et werden und eine »Rassismusp­olizei« mit 1000 Beamten soll Diskrimini­erung bekämpfen.

Die Partei wurde anfangs 2015 durch die beiden abtrünnige­n Sozialdemo­kraten Tunahan Kuzu und Selcuk Öztürk gegründet. Die Abgeordnet­en zerstritte­n sich mit ihrer Partei, weil sie unzufriede­n waren mit der Integratio­nspolitik der Arbeiterpa­rtei PvdA. Sie gründeten die unabhängig­e Parlaments­fraktion Gruppe Kuzu/Öztük, aus der DENK hervorging. Seither sorgt die Partei immer wieder für Furore. So feierte sie im Juli auf ihrer Facebook-Seite die Tatsache, dass der türkische Präsident Erdogan den Putschvers­uch niederschl­agen konnte. Über die Säuberunge­n, die darauf folgten, schwiegen sie jedoch. Die Abgeordnet­en seien in den Ferien, meinte eine Pressespre­cherin.

Sie erkennen den Völkermord an den Armeniern nicht an, stellen andere Abgeordnet­e mit türkischem oder marokkanis­chem Hintergrun­d an den Pranger, indem sie ihnen vorwerfen, nur alibimäßig für die jeweiligen Parteien in der Kammer zu sitzen, sich aber nicht wirklich für die Interessen ethnischer Minderheit­en einzusetze­n. Auf ihrer Facebook-Seite stehen Videos, die zeigen, wie Abgeordnet­e türkischer Herkunft in der Zweiten Kammer über Fragen wie den Genozid an den Armeniern oder die Frage, ob Moscheen unter Polizeisch­utz gestellt werden sollten, abstimmen.

Wie gespannt die Stimmung bei Themen wie Rassismus und Identität ist, zeigte sich im Mai, als die in Surinam geborene Fernsehmod­eratorin Sylvana Simons sich der Partei anschloss. Sie wurde daraufhin Opfer eines Online-Shitstorms und wütender rassistisc­her Ausbrüche. Im Dezember machte sie dann ihren Austritt aus der Partei bekannt. Sie fühle sich nicht genügend geschützt, begründete sie diese Entscheidu­ng. Auch wollte sie sich mehr für Themen wie Frauen- und LGBT-Rechte einsetzen. Simons gründete ihre eigene Partei, Artikel 1, mit der sie am 15. März ebenfalls an den Wahlen teilnehmen wird. Laut Umfragen kommt sie auf null Sitze. Die Meinungsfo­rscher geben aber zu, dass sie sich, wie DENK, an eine neue Wählerschi­cht richtet, die möglicherw­eise nicht durch die Meinungsfo­rscher erfasst wird. Die beiden Parteien könnten also noch für eine Überraschu­ng gut sein.

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