Teilzeitstempel
Grit Gernhardt ärgert sich über fehlende Chancen für Mütter
Deutschland – Land der Mütter in Teilzeit. In Sachen ausgewogenes Geschlechterverhältnis zwischen Familien- und Erwerbsarbeit liegt hierzulande einiges im Argen, das bestätigt die neueste OECD-Studie zum Thema. In keinem anderen der 35 OECD-Länder tragen Frauen mit Kindern so wenig zum Haushaltseinkommen bei wie in der Bundesrepublik, in kaum einem arbeiten mehr Mütter in Teilzeit. Dafür gibt es viele Gründe: Fehlende Betreuungsplätze oder unvereinbare Betreuungszeiten, zu wenig staatliche Förderung für Alleinerziehende und Geringverdiener mit Kindern.
Doch am vielleicht wichtigsten ist die immer noch in vielen Teilen des Landes verbreitete gesellschaftliche Geringschätzung vollzeitarbeitender Mütter. Die Blicke der Erzieherinnen, wenn man abgehetzt als letzte seinen Nachwuchs abholt; die ungläubigen Blicke der Vollzeithausfrauen, wenn man nachmittags keine Zeit für Spielplatztouren hat; die herablassenden Worte des Chefs, der einen bei der letzten Beförderung wieder einmal übergangen hat. All das trägt nicht zu einem Klima bei, in dem Vereinbarkeit eine Selbstverständlichkeit ist.
Um das zu ändern, bedarf es mehr als der bisherigen Anstrengungen der Politik. Wirtschaft und Gesellschaft müssen umdenken, Väter sich in die Familienarbeit einbringen. Sonst geht der Teilzeitstempel nie wieder ab.