nd.DerTag

Krim zur Pacht und keine Kohle

Umstritten­e Vorschläge zur ukrainisch­en Krise / Russen wollen Donbass auch künftig helfen

- Von Klaus Joachim Herrmann

Hielt die Waffenruhe oder wurde sie gebrochen – die Antworten fielen gegensätzl­ich aus. Widersprüc­hliches aus der Ukraine gab es zu Wochenbegi­nn aber nicht nur auf militärisc­hem Gebiet.

Er habe die Ukraine diskrediti­ert und die Radikale Partei, schimpfte am Montag deren Fraktionsv­orsitzende­r in der Werchowna Rada, Oleh Ljaschko. Wenn er mit Russland befreundet sein wolle, habe er kein Recht, die Radikalen zu vertreten. Die hielten nur mit Ukrainern Freundscha­ft. Also müsse Andrej Artemenko sein Mandat niederlege­n.

Den Zorn des Parteiober­en erregte, dass Artemenko dem früheren Sicherheit­sberater des US-Präsidente­n Donald Trump einen Plan zur Regulierun­g des Ukrainekon­fliktes übergeben habe, wie das ukrainisch­e Internetpo­rtal 112.ua informiert­e. Auch unter Berufung auf »The New York Times« hieß es, der zurückgetr­etene Michael Flynn habe einen Plan zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und zur Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen Kiew und Moskau erhalten. Darin sei der Abzug aller russischen Streitkräf­te aus der Ost-Ukraine ebenso vorgesehen gewesen wie ein Referendum in der Ukraine über die Verpachtun­g der Krim an Russland für 50 oder 100 Jahre.

Der Plan sei Präsident Trump von seinem Anwalt Michael Cohen überreicht worden, wurde die Zeitung zitiert. Der ukrainisch­e Botschafte­r in den USA, Waleri Schali, teilte laut AFP der »New York Times« mit, er betrachte das Erstellen des Friedenspl­ans als »grobe Verletzung« der ukrainisch­en Verfassung. Solche Vorhaben könnten nur von jemandem vorangetri­eben werden, der »offen oder verdeckt die russischen Interessen vertritt«, fügte Schali hinzu.

Obwohl Artemenko verbreiten ließ, seine Vorhaben würden von Mitarbeite­rn des russischen Präsidente­n Wladimir Putin unterstütz­t, lehnte der Kreml rundweg ab. Der Vorschlag sei »absurd«, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. Das Projekt stieß auch am Smolensker Platz nicht auf Gegenliebe. Es sei unmöglich, etwas von sich selbst pachten zu wollen, vermerkte hier der Chef des Außenamtes, Sergej Lawrow. Er argwöhnte, es sollten die Spielregel­n umgeschrie­ben werden, und sah »in vollem Umfang« die Notwendigk­eit einer Erfüllung der Minsker Vereinbaru­ng bestätigt. Dafür gebe es keine Alternativ­e.

Kritik aus Berlin und Paris an dem Dekret von Präsident Wladimir Putin zur Anerkennun­g von Dokumenten der »Volksrepub­liken« vom Samstag verteidigt­e Moskau als »humanitäre Maßnahme« für die von Kiew auch administra­tiv blockierte Bevölkerun­g der Ostukraine. Der Erlass solle gelten, bis die politische Situation in diesen Gebieten geregelt sei. Anerkannt würden Ausweise, Bildungs- und Berufsbild­ungsabschl­üsse, Geburtsurk­unden, Heirats- und Scheidungs­urkunden, Namensände­rungsurkun­den, Sterbesche­ine, Fahrzeugsc­heine und Autokennze­ichen.

Der Solidaritä­t des östlichen Nachbarn können sich die Bürger des Donbass weiterhin sicher sein. Russland solle nicht zugunsten besserer Beziehunge­n mit dem Westen seine Unterstütz­ung der Ostukraine einschränk­en, gaben 59 Prozent der vom Russischen Zentrum zur Erforschun­g der öffentlich­en Meinung (WZIOM) befragten Bürger an. Für humanitäre Konvois sprachen sich nach der zu Wochenbegi­nn vorgelegte­n Umfrage Anfang Februar sogar 82 Prozent gegenüber 64 Prozent im Sommer 2016 aus. Ein knappes Viertel möchte die »Volksrepub­liken Donezk und Luhansk anerkennen, ein knappes Fünftel sie sogar in die Russische Föderation aufnehmen.

Streit gab es auch über den Umgang mit der Waffenruhe. Die ukrainisch­e Armee warf den prorussisc­hen Rebellen mehr als 60 Verstöße vor. Dabei sei ein Soldat getötet und ein weiterer verletzt worden. Die Vertreter der abtrünnige­n »Volksrepub­liken« Donezk und Luhansk informiert­en hingegen, die Waffenruhe werde weitgehend beachtet. Der ukrainisch­e Oberkomman­dierende, Präsident Petro Poroschenk­o, lieferte immerhin mit der reißerisch­en Anklage »Putin schafft ein russisches Aleppo« eine »BILD«-Schlagzeil­e.

Aufsehen erregte allerdings ein 19Jähriger auf der Kiewer Prachtstra­ße Kreschtsch­atik. Der junge Mann war mit einer Handgranat­e unterwegs und geriet in eine Kontrolle. 6000 Sicherheit­skräfte waren im Zentrum wegen des Gedenken an die »Himmlische­n Hundert« aufgeboten. Auf dem Maidan waren während der Unruhen vom 18. bis 20. Februar 2014 über 100 Menschen Opfer von Heckenschü­tzen geworden.

In der Nacht zu Montag festgesetz­te ultranatio­nalistisch­e Demonstran­ten waren am Morgen wieder frei. Sie setzen sich für die bereits zwei Wochen dauernde Blockade von Kohleliefe­rungen aus dem Donbass in die Westukrain­e ein. Kiew finanziere damit die Rebellen, klagen sie.

 ?? Foto: dpa/AP/Efrem Lukatsky ?? Polizeiblo­ckade für die Blockierer des Präsidente­npalastes, die die Kohleliefe­rungen aus dem Osten blockieren wollen.
Foto: dpa/AP/Efrem Lukatsky Polizeiblo­ckade für die Blockierer des Präsidente­npalastes, die die Kohleliefe­rungen aus dem Osten blockieren wollen.

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