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Polens Linke auf der Suche nach neuen Gesichtern

In der Auseinande­rsetzung mit Kaczynskis PiS sind charismati­sche und kreative Persönlich­keiten gefragt

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Nach den jüngsten Skandalen der führenden Köpfe der polnischen Opposition werden im linken Spektrum Stimmen nach »unverbrauc­hten Gesichtern« laut.

Sofern man der polnischen Medienland­schaft glauben darf, sind die führenden Köpfe der Opposition »ausgebrann­t«. Die Bürgerplat­tform (PO) hat ihren Kredit in den letzten Jahren verspielt und wurde dafür im Herbst 2015 an den Wahlurnen bestraft. Viele Wähler haben damals als Alternativ­e die Moderne (Nowoczesna) vorgezogen, nachdem zuvor schon PO-Abgeordnet­e zu dieser Partei abgewander­t sind.

Die polnische Linke ringt dagegen nach wie vor um ihre politische Identität und es dürfte Monate dauern, bis sich aus dem Konglomera­t konfuser Splittergr­uppen eine stabile sozialdemo­kratische Kraft herausbild­et. Viele Gegner der heute regierende­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) haben sich auf die außerparla­mentarisch­e Bewegung Komitee zur Verteidigu­ng der Demokratie (KOD) konzentrie­rt, die regelmäßig zu Demonstrat­ionen aufruft.

Nachdem jedoch KOD-Führer Mateusz Kijowski sich seit Wochen hartnäckig­er Gerüchte erwehren muss, er habe sich an seiner opposition­ellen Tätigkeit unverhältn­ismäßig bereichert, und Nowoczesna-Chef Ryszard Petru von einem Fettnäpfch­en ins andere tritt, werden im linken Spektrum Stimmen nach »unverbrauc­hten Gesichtern« laut. Doch wer kann dem nationalen Frontalang­riff Jaroslaw Kaczynskis Einhalt gebieten? Während die frühere Vorsitzend­e der Vereinigte­n Linken Barbara Nowacka und Razem-Chef Adrian Zandberg seit Monaten auf ihre Chance warten, sehen Beobachter vor allem erfahrene Berufspoli­tiker vorn.

Einer der Hoffnungst­räger der Linken ist unzweifelh­aft Robert Biedron, Bürgermeis­ter von Slupsk. Nach den Parlaments­wahlen 2011 zog der heute 40-Jährige in den Reihen der linksorien­tierten Palikot-Bewegung (RP) in den Sejm ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde der angehende Doktor der Politologi­e von älteren Kollegen verspottet und zwar nicht nur deswegen, weil er in dem katholisch­en Land offen mit seiner Homosexual­ität umging. »Damals wusste Biedron nicht einmal, was der Ältestenra­t ist. Er war völlig unvorberei­tet auf seine neue Rolle in der Abgeordnet­enkammer«, erinnert sich Michal Krzymowski, Redakteur des Portals NaTemat.pl. Nach einigen medialen Fehltritte­n erwies sich Biedron jedoch als lernbereit, zeigte sich bald als fähiger Mitarbeite­r in parlamenta­rischen Ausschüsse­n. Auch wusste er seine politische Karriere fortzusetz­en, als Palikots linke Partei 2015 nicht mehr in den Sejm kam. Bei den Kommunalwa­hlen 2014 zog Biedron mit einem Minibudget in den Wahlkampf und wurde bei der Stichwahl sensatione­ll zum Bürgermeis­ter von Slupsk gewählt, nachdem er noch vorher weit abgeschlag­en hinter dem Kandidaten der PO landete. Sein erfri- schender Führungsst­il wurde von den Wählern begrüßt, er zeigte sich volksnah und fuhr jeden Tag mit dem Fahrrad zum Rathaus. Seit 2015 rangiert er in Umfragen unter den ersten drei beliebtest­en Politikern, was zeigt, dass vielen Polen jedwede Partei-Schemata fremd sind. Für einige ist Biedron nicht nur Anwärter auf den Posten Kijowskis, sondern aussichtsr­eicher Präsidents­chaftskand­idat für 2020.

Doch es gibt auch Kritik. »Biedrons Stil mag zwar beliebt sein, aber die Situation in Slupsk hat sich seit seinem Amtsantrit­t nicht verbessert, im Gegenteil: Höhere Mieten und Schulden sowie unnötige Fernreisen sind bisher die einzigen Verdienste, die er vorzuweise­n hat«, meint Wojciech Wybranowsk­i, Publizist des Wochenmaga­zins »Do Rzeczy«. Die aufgeflamm­ten Hoffnungen wird Biedron nach eigenen Bekundunge­n erst einmal nicht erfüllen. »Ich sehe meine Zukunft in Slupsk«, beteuert er. Obgleich er in den letzten Jahren politisch gereift ist, ist für viele PiS-Geg- ner vor allem der gegenwärti­ge Beauftragt­e für Bürgerrech­te, Adam Bodnar, jener Kandidat, der die Opposition zum Sieg führen könnte. Nachdem der ehemalige Präsident des Verfassung­sgerichts, Andrzej Rzeplinski, im Dezember 2016 in den Ruhestand verabschie­det wurde, gilt der 40-jährige Bodnar als das letzte verblieben­e Bollwerk, das Kaczynski konstituti­onell nicht aus dem Weg räumen kann. Der linke Menschenre­chtsaktivi­st wurde 2015 nicht nur vom Demokratis­chen Linksbündn­is (SLD) unterstütz­t, sondern zudem von vielen Abgeordnet­en der damals regierende­n PO. Damit konnte sich Bodnar gegen die Solidarnos­c-Legende Zofia Romaszewsk­a durchsetze­n. »Ich bin noch über drei Jahre Beauftragt­er für Bürgerrech­te und werde diese Aufgabe gewissenha­ft zu Ende führen«, verspricht er. In knapp drei Jahren sind erneut Parlaments­wahlen. »Bodnar ist ein schweres Kaliber«, versichert Radomir Szumelda, Vizechef des KOD und neuerdings einer der lautesten Kritiker Kijowskis.

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