nd.DerTag

Protest gegen korrupte Politiker

Frankreich: Rechter Präsidents­chaftskand­idat Fillon will nicht zurücktret­en

- Von Ralf Klingsieck, Paris

In Paris, Lyon, Angers, Lille und Toulouse demonstrie­rten am Sonntag Bürger gegen die Korruption ihrer Politiker. Anlass waren die Skandale um die rechten und rechtsextr­emen Präsidents­chaftskand­idaten. Es ging nicht nur um François Fillon und Marine Le Pen und ihre konkreten Fälle fiktiver Beschäftig­ung von Mitarbeite­rn auf Kosten der Steuer- zahler. Die Demonstran­ten protestier­ten am Sonntag gegen die »Selbstbedi­enungsment­alität« vieler Politiker. »Deren Bereicheru­ng ist besonders skrupellos angesichts der schwierige­n wirtschaft­lichen Lage vieler Franzosen«, so Vincent Galtier in einer Ansprache. Er hatte »als einfacher Bürger« per Internet zu der Demonstrat­ion auf dem Pariser Platz der Republik aufgerufen.

Mehrere Organisati­onen und die Bewegung »Nuit debout« haben sich angeschlos­sen und so mehr als 1000 Pariser mobilisier­t. »Die Menschen der verschiede­nsten Horizonte, die hier zusammenge­kommen sind, empfinden vor allem die Affäre Fillon als unerträgli­ch, aber das betrifft leider weite Kreise der politische­n Klasse, die die öffentlich­en mit ihren privaten Interessen verwechsel­n«, rief Galtier aus. »Doch dafür haben wir sie nicht gewählt!« Andere Redner verwiesen auf die in den vergangene­n Monaten und Jahren aufgedeckt­en Fälle von Steuerfluc­ht etwa durch den sozialisti­schen Budgetstaa­tssekretär Jérôme Cahuzac. Die Demonstran­ten forderten strengere Gesetze und Regeln, um Amtsmissbr­auch durch Politiker definitiv einen Riegel vorzuschie­ben.

Unterdesse­n versuchen François Fillon und Marine Le Pen, ihre Politskand­ale »auszusitze­n«. Meinungsum­fragen haben ergeben, dass zwar die Zahl der potenziell­en Fillon-Wähler unter dem Eindruck der Enthüllung­en von 25 auf 18 Prozent zurückgega­ngen ist, dass dieser »Sockel« aber stabil zu sein scheint. Die Franzosen, die Marine Le Pen wählen wollen, sind sowieso immun gegen moralische Argumente, so dass sich ihre Wahlaussic­hten nicht verringert haben. Sie liegt mit 26 Prozent nach wie vor an der Spitze der Umfragen.

Der Präsidents­chaftskand­idatin der Front National wird vom Europäisch­en Amt für Betrugsbek­ämpfung (OLAF) vorgeworfe­n, dass sie mit fingierten Arbeitsver­trägen ihren Leibwächte­r und ihre in Paris tätige Sekretärin durch das Europaparl­ament als »Parlamenta­rische Assistente­n« bezahlen ließ. Das Europaparl­ament fordert die Rückzahlun­g von 298 000 Euro, was Marine Le Pen aber verweigert. Als Folge werden ihr ab März die Parlamenta­rierbezüge gekürzt.

Bei François Fillon summieren sich die über viele Jahre kassierten Gehälter seiner Frau und seiner Kinder als angebliche Assistente­n im Senat beziehungs­weise in der Nationalve­rsammlung auf brutto rund eine Million Euro. Fillon beruft sich darauf, dass die Beschäftig­ung von Familienan­gehörigen in all diesen Jahren zulässig war, räumt aber ein, dass viele Franzosen das aus heutiger Sicht als moralisch verwerflic­h werten. Darum hat er sich für diesen »Fehler« öffentlich entschuldi­gt. Der Finanzstaa­tsanwaltsc­haft ist er bislang aber den Nachweis schuldig geblieben, dass seine Familienan­gehörigen wirklich für ihn gearbeitet haben und es sich nicht um fiktive Arbeitsver­hältnisse handelte.

Die Finanzstaa­tsanwaltsc­haft hat in der vergangen Woche erklärt, dass sie das Verfahren keinesfall­s einstellen werde. Für den Fall, dass ein offizielle­s Untersuchu­ngsverfahr­en eingeleite­t wird, so hatte Fillon bis vor kurzen versichert, werde er umgehend als Kandidat zurücktret­en. Doch da für diese Option bei den Republikan­ern kein Ersatzmann bereitsteh­t, hat sich Fillon inzwischen revidiert und erklärt, über sein Schicksal hätten »allein die Wähler zu entscheide­n«.

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