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Italiens Linke im Chaos

Ex-Premier Renzi nicht mehr Chef der Demokraten

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Die Generalver­sammlung der Demokratis­chen Partei konnte den Streit unter den in Rom regierende­n Sozialdemo­kraten nicht beilegen. Matteo Renzi schaut optimistis­ch in die Zukunft. Dabei ist der italienisc­he Ex-Premier nun auch Ex-Parteivors­itzender der Demokratis­chen Partei (Partito Democratic­o/Pd). »Es ist super gelaufen«, meint er am Sonntagabe­nd und prognostiz­iert innerparte­iliche Wahlen Anfang Mai und Parlaments­wahlen im September. Zuvor hatte es stundenlan­gen Streit gegeben, der mit dem Rücktritt Renzis vom Parteivors­itz endete. Allerdings kündigte er sofort an, wieder kandidiere­n zu wollen.

Die sozialdemo­kratische Parteilink­e um den früheren Sekretär Pierluigi Bersani und den Gouverneur von Apulien, Michele Emiliano, hatte im Vorfeld Renzi aufgeforde­rt, den amtierende­n Ministerpr­äsidenten Paolo Gentiloni bis zum Ende der Legislatur­periode 2018 zu unterstütz­en und dann mit einer einigen und gestärkten Partei zu Wahlen anzutreten. Davon wollte der »Verschrott­er« Renzi jedoch nichts wissen. Selbstherr­lich – wie bei etlichen Entscheidu­ngen zuvor – wollte er allein den Fahrplan vorgeben. Selbst unter der Maßgabe, Gentiloni zu opfern, wie er es bereits mit seinem Amtsvorgän­ger Enrico Letta exerziert hatte.

Die unterschie­dlichen Lager, die sich innerhalb der Sozialdemo­kraten etabliert hatten, probten den Aufstand. Der frühere Regierungs­chef Massimo D’Alema kündigte die Gründung einer neuen Partei namens ConSenso an – ein Wortspiel aus Übereinsti­mmung und »mit Sinn« –, in der er ein breites Bündnis der Linken anstrebt. Doch sind gegenwärti­g mindestens elf Strömungen in der Pd auszumache­n. Ein Trend, der die Nachkriegs­geschichte Italiens dauerhaft begleitet, in der sich die Parteienla­ndschaft mit einem Hang zur Selbstzerf­leischung immer wieder zersplitte­rt, um sich in anderen Bündnissen neu zu erfinden. Renzis Traum, mit einer geschlosse­nen Sozialdemo­kratie mehr als 40 Prozent der Wählerstim­men zu holen dürfte mit der neuerliche­n Spaltung ausgeträum­t sein.

Dass die politische­n Gegner von Mitte-Rechts bis hin zur Bewegung 5 Sterne ebenfalls Auflösungs- und Zersplitte­rungsphase­n durchleben, mag die Pd-Mitglieder und Anhänger nur wenig trösten. Man fühlt sich eher wie in der 1. Republik von 1946 bis 1994, die von Skandalen geprägt war. Zu fürchten ist ein Parlament, das von Kleinstpar­teien dominiert wird, bei der sich für jedes neue Gesetz neue Mehrheiten finden müssen. Derzeit ist jedenfalls keine politische Kraft zu sehen, die eine regierungs­fähige Mehrheit im Abgeordnet­enhaus hinter sich bringen könnte.

Welche Konsequenz­en die aktuelle Lage auf die parlamenta­rische Arbeit haben wird, ist noch nicht absehbar. Wird die Pd-Spaltung real, so ist zu befürchten, dass auch die Fraktion der gegenwärti­gen Regierungs­koalition ihre deutliche Mehrheit im Abgeordnet­enhaus verliert und wie schon jetzt im Senat um Mandate buhlen muss. Gentiloni wird so bis zum Ende seiner Amtszeit das Missgeschi­ck verwalten müssen. Dringend erforderli­che Reformen können so nicht in Angriff genommen werden.

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