Erdgas unter Druck
Alternativtreibstoff LNG könnte die Umweltbilanz der Schiffsmotoren verbessern – doch die Koalition spielt nicht mit
Schiffe sind für ihre gute Klimabilanz bekannt – jedenfalls, wenn man sie am Lkw misst. Dennoch gehören ihre gesundheitsschädlichen Abgase zu den größten Emissionsquellen in der EU.
Die Fähre »Ostfriesland« verkehrt zwischen der Nordseeinsel Borkum und Emden. Das ist nichts Besonderes. Besonders ist aber der Antrieb: Der Motor wird mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben. Im Sommer 2015 fand die Jungfernfahrt nach einem neunmonatigem Werftaufenthalt statt. Das Schiffsprojekt verlangte einen kompletten Neubau des Achterschiffes. In der EU gab es bis dahin kein Konzept, in dem eine Fähre vom schmutzigen Schiffsdiesel auf das umweltfreundlichere Flüssiggas umgerüstet wird. Es folgte der Neubau des Fahrgastschiffes »Helgoland« für über 1000 Passagiere. Der Eigentümer, die AG Ems, setzt mit seinen beiden Schiffen als erste deutsche Reederei auf LNG-Technik.
Doch im überschaubaren Ostfriesland zeigen sich die Probleme im Großen: Es fehlt wie bei den Elektroautos derzeit an ausreichend großen Stück- zahlen, um LNG-Schiffe wirklich wettbewerbsfähig zu machen. Und es gibt kaum Tankstellen. In Deutschland wird kein LNG produziert. Es existiert nicht einmal ein Hafen, in dem LNG-Tanker anliefern könnten.
Die Deutsche Flüssigerdgas Terminal Gesellschaft mbH plant zwar seit vielen Jahren in Wilhelmshaven den Bau des ersten deutschen LNG-Anlandehafens. Dort sollen 300 Meter lange Tanker entladen werden. Doch das Projekt kommt nicht voran. Als zu ungewiss gilt die Wirtschaftlichkeit. Stattdessen fördern Niedersachsen und der Bund den von den Reedern kaum genutzten Tiefwasserhafen mit insgesamt rund einer Milliarde Euro.
Das Flüssigerdgas LNG (Liquefied Natural Gas) gilt in der maritimen Wirtschaft als Kraftstoff der Zukunft. Der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) ist nach Schätzungen um bis zu 25 Prozent und der von Stickoxiden sogar um rund 80 Prozent niedriger als bei Schweröl oder Schiffsdiesel. Vor allem verbrennt LNG schwefel- und rußfrei. Das verflüssigte Erdgas wird auf eine Temperatur von minus 162 Grad Celsius abgekühlt. In dieser Form ist es nicht brennbar oder explosiv.
Für die neue Technik setzt sich hierzulande eine Initiative von In- dustrie, Reedereien und Häfen ein, die »Maritime LNG-Plattform«. Grundsätzlich tun dies auch Umweltverbände. Sie verweisen allerdings immer wieder auf umstrittene und umweltbelastende Fördermethoden wie das Fracking, mit denen der Grundstoff aus der Erde geholt wird. Auch beim Betanken kann klimaschädliches Gas entweichen. Hinzu kommt der hohe Energieverbrauch beim Herunterkühlen.
Weltweit wird heute ein Viertel des Erdgases verflüssigt, um es über weite Strecken transportieren zu können. In Japan wurde nach dem Atomunfall in Fukushima die Energieversorgung weitgehend auf LNG-Importe umgestellt. Die Technik zur Verflüssigung im Erzeugerland und zur Wiederverdampfung am Zielort ist so weit entwickelt, dass inzwischen weltweit über 200 Millionen Tonnen LNG pro Jahr transportiert werden. Experten erwarten in einem Jahrzehnt eine Verdoppelung.
Für die Schifffahrt sind aber spezielle Betankungsanlagen nötig. Die gibt es in Deutschland nicht. Die BorkumFähre der AG Ems und deren neue Helgoland-Fähre werden regelmäßig mit einem speziellen Tanklastwagen aus den Niederlanden aufgefüllt.
Der Bau einer Infrastruktur ist derzeit unabsehbar. Es fehlt an öffentlicher Förderung. Der Bund hat zwar für 114 Millionen Euro das hochseetüchtige Behördenschiff »Atair« in Auftrag gegeben und sponsert LNG-Tankstellen für Lkw an Land. Doch selbst auf der 10. Nationalen Maritimen Konferenz im April dürfte die Regierung Merkel noch keine schlüssige LNGStrategie vorstellen. Zumindest hat die Koalition aber die Ausrüstung von zwei Mehrzweckschiffen der Wasserund Schifffahrtsverwaltung mit LNGAntrieb in den Haushalt 2017 aufgenommen. Die Mehrkosten für die beiden Neubauten »Mellum« und »Scharhörn« wurden auf zunächst 13 Millionen Euro geschätzt.
Weltweit sollen in wenigen Jahren 1000 Schiffe den umweltfreundlichen Treibstoff nutzen, schätzt das Bundesverkehrsministerium in Berlin. Vorreiter sind jedoch die skandinavischen Länder. Und ausgerechnet die von Umweltverbänden attackierte Kreuzfahrtindustrie: Aus Sorge um ihr Image setzen Touristikunternehmen langsam auf LNG-Schiffe. Der Weltmarktführer Meyer Werft baut derzeit an mehreren Standorten insgesamt sechs Kreuzfahrtschiffe mit LNGTechnologie.