Gesichtserkennung am Südkreuz
Pilotprojekt zu intelligenter Videotechnik am drittgrößten Bahnhof in Berlin geplant
Bundesinnenministerium, Bundespolizei und Deutsche Bahn wollen mit neuer Technik die Fahndung nach Verdächtigen erleichtern.
Ein Koffer, der dem Anschein nach ohne Besitzer am Bahnsteig abgestellt ist. Ein Mann, der auf der Fahndungsliste der Polizei steht. Die Bundespolizei will künftig verdächtige Personen und Gegenstände am Bahnhof leichter aufspüren – mit Hilfe von intelligenter Videotechnik. Bereits im zweiten Quartal dieses Jahres soll nach Informationen des »neuen deutschland« ein entsprechender Pilotversuch am Bahnhof Südkreuz starten.
Das Bundesinnenministerium verspricht sich von dem Projekt, das es gemeinsam mit der Deutschen Bahn und der Bundespolizei startet, mehr Sicherheit der Bahnreisenden, vor allem aber schnellere Fahndungserfolge. Die Kameras sollen Gegenstände wie Koffer, die länger an einer Stelle stehen, erkennen. Auch sollen sie durch Gesichtserkennungstechnik Menschen auf den Aufnahmen auffinden, die polizeilich gesucht wer- den. Auch Graffitisprayer sollen die Kameras erkennen. Wenn eine der intelligente Kamera dergleichen registriert, löst sie einen Alarm aus, der direkt an die auf Bahnhöfen zuständige Bundespolizei gesendet wird. Das Bundesinnenministerium wollte das Vorhaben nicht offiziell bestätigen.
Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte die »Berliner Zeitung« über die Pläne von Bundespolizei und Deutscher Bahn berichtet. Auch damals war der Bahnhof Südkreuz bereits im Gespräch. Im August hatte dann Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) angekündigt, zur Terrorabwehr intelligente Videotechnik einführen zu wollen.
Ein Pilotprojekt im Jahr 2006 am Mainzer Hauptbahnhof war wegen unzureichender Technik erfolglos beendet worden. In der Antwort zu einer kleinen Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion vom Oktober vergangenen Jahres kommentierte das Innenministerium, seit 2006 hätten »sowohl die Industrie als auch die Forschung signifikante Verbesserungen auf diesem Gebiet erzielt. Hier vorliegende Informationen zu Tests von ausländischen Behörden lassen vermuten, dass die Erkennungsge- nauigkeit aktueller Systeme deutlich gestiegen ist.« Schon damals hatten Datenschützer Bedenken geäußert. Die Berliner Datenschutzbeauftragte will sich zum Fall nicht konkret äußern. »Sobald mit intelligenter Videotechnik von der Deutschen Bahn AG personenbezogene Daten verarbeitet werden, müssen wir uns das im konkreten Fall sehr genau anschauen«, sagte sie dem »nd«.
Explizite Kritik kommt hingegen von Hakan Taş, dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. »Kameras sind nicht die richtige Lösung«, sagte er dem »nd«. »Eine abschreckende Wirkung scheinen sie nicht zu haben«, so Taş, Dies zeige die anhaltend hohe Zahl von Gewalttaten in Berliner U-Bahnen trotz Kameraüberwachung.
Obwohl für Bahnhöfe der Bund zuständig ist, will Taş das Thema aufs Tableau der nächsten Koalitionsrunde noch in dieser Woche setzen. Auch im Innenausschuss soll das Pilotprojekt Thema werden. »Wir werden den Innensenator fragen, ob er über die Pläne informiert war.«
Innensenator Andreas Geisel (SPD) wollte zum Pilotversuch keine Stellung nehmen. Ein Sprecher sagte, die genauen Inhalte des Projekts seien der Senatsverwaltung nicht bekannt.
Erst im Januar hatte die neue rotrot-grüne Koalition ein Sicherheitspaket verabschiedet. Grüne und LINKE hatten durchgesetzt, dass Videoüberwachung im öffentlichen Raum nicht per se ausgeweitet wird, sondern dass lediglich anlassbezogen und temporär mehr Kameras installiert werden. Die Diskussion war durch mehrere Vorfälle im Herbst und Dezember vergangenen Jahres befeuert worden: Ein Mann hatte im UBahnhof Hermannstraße eine Frau offenbar grundlos die Treppe hinuntergetreten. Nach der Veröffentlichung von Videoaufnahmen wurde er gefasst. Im Dezember hatten außerdem mehrere junge Geflüchtete im U-Bahnhof Schönleinstraße versucht einen Obdachlosen anzuzünden.
»Kameras sind nicht die richtige Lösung.« Hakan Taş, LINKE