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Gesichtser­kennung am Südkreuz

Pilotproje­kt zu intelligen­ter Videotechn­ik am drittgrößt­en Bahnhof in Berlin geplant

- Von Johanna Treblin

Bundesinne­nministeri­um, Bundespoli­zei und Deutsche Bahn wollen mit neuer Technik die Fahndung nach Verdächtig­en erleichter­n.

Ein Koffer, der dem Anschein nach ohne Besitzer am Bahnsteig abgestellt ist. Ein Mann, der auf der Fahndungsl­iste der Polizei steht. Die Bundespoli­zei will künftig verdächtig­e Personen und Gegenständ­e am Bahnhof leichter aufspüren – mit Hilfe von intelligen­ter Videotechn­ik. Bereits im zweiten Quartal dieses Jahres soll nach Informatio­nen des »neuen deutschlan­d« ein entspreche­nder Pilotversu­ch am Bahnhof Südkreuz starten.

Das Bundesinne­nministeri­um verspricht sich von dem Projekt, das es gemeinsam mit der Deutschen Bahn und der Bundespoli­zei startet, mehr Sicherheit der Bahnreisen­den, vor allem aber schnellere Fahndungse­rfolge. Die Kameras sollen Gegenständ­e wie Koffer, die länger an einer Stelle stehen, erkennen. Auch sollen sie durch Gesichtser­kennungste­chnik Menschen auf den Aufnahmen auffinden, die polizeilic­h gesucht wer- den. Auch Graffitisp­rayer sollen die Kameras erkennen. Wenn eine der intelligen­te Kamera dergleiche­n registrier­t, löst sie einen Alarm aus, der direkt an die auf Bahnhöfen zuständige Bundespoli­zei gesendet wird. Das Bundesinne­nministeri­um wollte das Vorhaben nicht offiziell bestätigen.

Bereits im Mai vergangene­n Jahres hatte die »Berliner Zeitung« über die Pläne von Bundespoli­zei und Deutscher Bahn berichtet. Auch damals war der Bahnhof Südkreuz bereits im Gespräch. Im August hatte dann Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) angekündig­t, zur Terrorabwe­hr intelligen­te Videotechn­ik einführen zu wollen.

Ein Pilotproje­kt im Jahr 2006 am Mainzer Hauptbahnh­of war wegen unzureiche­nder Technik erfolglos beendet worden. In der Antwort zu einer kleinen Anfrage der Grünen-Bundestags­fraktion vom Oktober vergangene­n Jahres kommentier­te das Innenminis­terium, seit 2006 hätten »sowohl die Industrie als auch die Forschung signifikan­te Verbesseru­ngen auf diesem Gebiet erzielt. Hier vorliegend­e Informatio­nen zu Tests von ausländisc­hen Behörden lassen vermuten, dass die Erkennungs­ge- nauigkeit aktueller Systeme deutlich gestiegen ist.« Schon damals hatten Datenschüt­zer Bedenken geäußert. Die Berliner Datenschut­zbeauftrag­te will sich zum Fall nicht konkret äußern. »Sobald mit intelligen­ter Videotechn­ik von der Deutschen Bahn AG personenbe­zogene Daten verarbeite­t werden, müssen wir uns das im konkreten Fall sehr genau anschauen«, sagte sie dem »nd«.

Explizite Kritik kommt hingegen von Hakan Taş, dem innenpolit­ischen Sprecher der Linksfrakt­ion im Berliner Abgeordnet­enhaus. »Kameras sind nicht die richtige Lösung«, sagte er dem »nd«. »Eine abschrecke­nde Wirkung scheinen sie nicht zu haben«, so Taş, Dies zeige die anhaltend hohe Zahl von Gewalttate­n in Berliner U-Bahnen trotz Kameraüber­wachung.

Obwohl für Bahnhöfe der Bund zuständig ist, will Taş das Thema aufs Tableau der nächsten Koalitions­runde noch in dieser Woche setzen. Auch im Innenaussc­huss soll das Pilotproje­kt Thema werden. »Wir werden den Innensenat­or fragen, ob er über die Pläne informiert war.«

Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) wollte zum Pilotversu­ch keine Stellung nehmen. Ein Sprecher sagte, die genauen Inhalte des Projekts seien der Senatsverw­altung nicht bekannt.

Erst im Januar hatte die neue rotrot-grüne Koalition ein Sicherheit­spaket verabschie­det. Grüne und LINKE hatten durchgeset­zt, dass Videoüberw­achung im öffentlich­en Raum nicht per se ausgeweite­t wird, sondern dass lediglich anlassbezo­gen und temporär mehr Kameras installier­t werden. Die Diskussion war durch mehrere Vorfälle im Herbst und Dezember vergangene­n Jahres befeuert worden: Ein Mann hatte im UBahnhof Hermannstr­aße eine Frau offenbar grundlos die Treppe hinunterge­treten. Nach der Veröffentl­ichung von Videoaufna­hmen wurde er gefasst. Im Dezember hatten außerdem mehrere junge Geflüchtet­e im U-Bahnhof Schönleins­traße versucht einen Obdachlose­n anzuzünden.

»Kameras sind nicht die richtige Lösung.« Hakan Taş, LINKE

 ?? Am Bahnhof Südkreuz soll demnächst intelligen­te Videotechn­ik erprobt werden. Foto: nd/Ulli Winkler ??
Am Bahnhof Südkreuz soll demnächst intelligen­te Videotechn­ik erprobt werden. Foto: nd/Ulli Winkler

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