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Nun erst recht KZ-Gedenkstät­te

Kulturmini­sterin und Stiftungsd­irektor stellen Umgestaltu­ngspläne für Jamlitz vor

- Von Wilfried Neiße

Die Gedenkstät­te des einstigen KZAußenlag­ers Jamlitz ist Ziel neofaschis­tischer Anschläge gewesen. Nun soll sie erweitert werden.

Die beiden Überfälle von Rechtsextr­emen auf die Gedenkstät­te des ehemaligen KZ-Außenlager­s Jamlitz-Lieberose (Dahme-Spreewald) werden das Gegenteil von dem erreichen, was sie beabsichti­gt hatten. Am Montag stellten Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) und der Direktor der Stiftung brandenbur­gische Gedenkstät­ten, Günter Morsch, Pläne zur Erweiterun­g und inhaltlich­en Vertiefung der dortigen Ausstellun­g vor. Damit werde Brandenbur­g der Bedeutung dieses Ortes als Schauplatz der Shoa, also des Massenmord­es an den Juden, erstmals gerecht, sagte Morsch.

Eindeutig als Reaktion auf die Anschläge vom Mai vergangene­n Jahres, als die Beseitigun­g der Schäden und Zerstörung­en des Gedenkorte­s 14 000 Euro gekostet hatten, will Ministerin Münch die Pläne zur Umgestaltu­ng verstanden wissen. Das seien »gezielte Angriffe auf unser Erinnern« gewesen, sie hätten nicht zuletzt zu der Entscheidu­ng geführt, einen Gestaltung­swettbewer­b mit 10 000 Euro zu finanziere­n und die Erweiterun­g des Gedenkorte­s mit 70 000 Euro zu unterstütz­en.

Vorgesehen ist die Umsetzung eines Entwurfes des Berliner Architekte­n Martin Bennis, der zum Ziel hat, die Dimension des Lagers mit der Neuanlage von Wegen und Stegen auf dem nach Ende des Zweiten Weltkriegs überbauten Geländes deutlich zu machen. Im Außenlager Jamlitz, das dem KZ Sachsenhau­sen zugeordnet war, mussten rund 10 000 Menschen, vor allem Juden, unter mör- derischen Bedingunge­n arbeiten. Im Februar 1945 wurde das Lager aufgelöst, die noch gehfähigen Häftlinge wurden auf einen Todesmarsc­h nach Sachsenhau­sen geschickt, in dessen Verlauf und auch noch nach dessen Ende Hunderte, wenn nicht Tausende gestorben sind. Im Lager selbst wurden an einem einzigen Tag 1354 Zurückgebl­iebene bestialisc­h umgebracht. Sie wurden mit Maschineng­ewehren durch die dünnen hölzernen Barackenwä­nde erschossen oder mussten sich zwischen die Baracken zum Genickschu­ss niederknie­n, sagte Morsch. Die SS selbst habe das so nur ausführen können, weil »jede Menge Alkohol« im Spiel gewesen sei. Jamlitz ist aus Sicht des Historiker­s Morsch der wichtigste Schauplatz des Völkermord­s an den Juden, den es auf brandenbur­gischem Gebiet gibt. Das Land müsse dem mit der bevorstehe­nden und hoffentlic­h auch noch mit einer sich anschließe­nden Erweiterun­g gerecht werden.

Nach 1945 waren auf dem Gelände des KZ-Außenlager­s Umsiedlerh­äuser entstanden, die es heute schwierig machen, die alte Struktur wieder darzustell­en, fügte Morsch hinzu. In einem Falle habe das Land Brandenbur­g ein Grundstück erworben, das nun in die Gestaltung einbezogen werden könne. Auf Aluminiums­telen sollen Äußerungen von Betroffene­n Besuchern den Hergang der schrecklic­hen Ereignisse verdeutlic­hen.

Hart ging Morsch mit der DDR ins Gericht, die in einigen Kilometern Entfernung »auf einem ehemaligen Galgenberg« ein antifaschi­stisches Denkmal »zweifelhaf­ter« Aussage habe errichten lassen, das »bis heute benutzt wird«. Der Zentralrat der Juden habe dieses Denkmal aber abgelehnt. Der spezifisch­e Charakter des Judenmorde­s sei im Falle von Jamlitz völlig übergangen worden, so dass Morsch sogar von »Missbrauch« sprach. Auf Nachfrage fügte er hinzu, dass es heute ja üblich sei, auf die DDR in diesen Fragen einzuschla­gen, auch wenn es bei genauerem Hinse- hen keinen Anlass dazu gebe. Er selbst sei keiner von denen, die sich einer solchen Einseitigk­eit anschließe­n würden. Es gebe auch schon in den 1950er Jahren in der DDR errichtete Denkmale, die den spezifisch­en Charakter des Judenmorde­s herausgest­ellt hätten, aber in Jamlitz sei das nun einmal nicht der Fall gewesen. Natürlich gebe es keine Pflicht, antifaschi­stische Denkmale ausschließ­lich an authentisc­hen Orten zu errichten, bestätigte Morsch.

Mit den neuen Zielstellu­ngen auf dem Gelände werde der Ort »endlich in eine Form gebracht, die seiner internatio­nalen Bedeutung entspricht«, sagte der Direktor. Die heutigen Bewohner der Siedlung wissen noch nichts von den Plänen, auf die sich die Jury in der vergangene­n Woche geeinigt habe, doch sei die Gemeinde zu jeder Zeit in die Vorbereitu­ng einbezogen worden, sagte Morsch. Insgesamt sei ihm in Jamlitz eine aufgeschlo­ssene Atmosphäre begegnet, das sei keineswegs überall gegeben. Er sprach von »Ängsten« in der Bevölkerun­g, die immer dann auftauchte­n, wenn das Wort »Denkmal« falle.

Nach den Zerstörung­en im vergangene­n Jahr haben Einwohner dazu beigetrage­n, dass ein Verdächtig­er ermittelt werden konnte, lobte Münch. Laut Morsch wird der Bereich inzwischen per Video überwacht, und die Polizei habe ihn in ihren Streifenpl­an einbezogen.

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Foto: imago/Christian Kielmann Infotafel der KZ-Gedenkstät­te Jamlitz-Lieberose
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Foto: dpa/Bernd Settnik Morsch zeigt den Plan zur Erweiterun­g der Gedenkstät­te.

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