nd.DerTag

Keine zehn Sonntage im Laden arbeiten

LINKE und Gewerkscha­ft ver.di wollen Verkäuferi­nnen schonen. Die Frage ist, ob das per Gesetz zu machen ist

- Von Andreas Fritsche

Verrät die Linksfrakt­ion mit der geplanten Novelle des Ladenöffnu­ngsgesetze­s die Arbeiter? Keineswegs, heißt es. Aber das sagt der Handelsver­band.

In einer brandenbur­gischen Stadt oder Gemeinde soll es pro Jahr bis zu zehn Sonntagsöf­fnungen der Läden geben dürfen. Aber das einzelne Geschäft soll nicht öfter als sechs Mal im Jahr sonntags geöffnet werden. So sieht es eine geplante Novelle des Ladenöffnu­ngsgesetze­s vor.

Die Kommunen können die Erlaubnis für die Ladenöffnu­ng auf bestimmte Stadtteile beschränke­n. So hat es Potsdam bereits früher in Auslegung der bisherigen Regeln gemacht. Diese Verfahrens­weise wurde aber gerichtlic­h gestoppt. Nun würde das Vorgehen der Stadt Potsdam für die Zukunft durch den Landtag legalisier­t werden.

Dabei meint die Landtagsab­geordnete Bettina Fortunato (LINKE), dass Sonntagsar­beit nicht zum Normalfall werden dürfe. »Aus gutem Grund hat in Deutschlan­d die Sonntagsru­he Verfassung­srang, damit Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er nicht zusätzlich belastet werden«, sagt sie. »Sonntagsar­beit stellt Familien immer vor Probleme, ob es um die Kinderbetr­euung, gemeinsame Erholung oder um ehrenamtli­che Tätigkeit geht. Das dürfen wir nicht vergessen und werden es in der weiteren Befassung mit dem Gesetzentw­urf berücksich­tigen.«

Aber würde die rot-rote Koalition mit dem vorliegend­en Gesetzentw­urf die Arbeiter und Angestellt­en verraten? In Teilen der Linksparte­i wird dies so gesehen. Schließlic­h hielt ein Beschluss des Landesvors­tands vom 28. Januar fest: »Etwaige Zweifel, dass Beschäftig­te im Einzelhand­el aufgrund des neuen Ladenöffnu­ngsgesetze­s zu mehr als sechs Sonntagen im Jahr herangezog­en werden können, müssen ausgeräumt werden.« Dies sei aber nicht geschehen, heißt es. Denn Handelsket­ten mit mehreren Filialen könnten die Verkäufer immer dort einsetzen, wo gerade die Sonntagsöf­fnung erlaubt ist. Der einzelne Beschäftig­te könnte so zehn Mal ranmüssen.

Dieser Fall lasse sich gesetzlich leider nicht ausschließ­en, bedauert der Landtagsab­geordnete Matthias Loehr (LINKE). Es fehlten dafür die rechtliche­n Möglichkei­ten. Doch der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Berlin-Brandenbur­g (HBB), Nils Busch-Petersen, habe bei einer Anhörung im Landtag in der vergangene­n Woche versproche­n, dass dies tarifvertr­aglich geregelt werde.

Aber Busch-Petersen dämpft solche Erwartunge­n. Das Wort »Tarifvertr­ag« habe er nicht in den Mund genommen, betont er. Richtig sei: »Wir bieten an, eine Lösung zu finden.« Busch-Petersen findet nicht, dass die LINKE die Arbeiter verraten hätte. Im Gegenteil: Sie habe deren Interessen vertreten. Doch faktisch gebe es das von der Gewerkscha­ft ver.di und den Kirchen an die Wand gemalte Problem überhaupt nicht. Weil für die Sonntagsar­beit eine Zeitgutsch­rift von 120 Prozent und ein freier Tag winken, sei der Einsatz für viele Beschäftig­te interessan­t. Es gebe Betriebsrä­te, versichert Busch-Petersen, die eine »gerechte Verteilung der Sonntagsar­beit« fordern und da- mit meinen, dass keiner davon ausgeschlo­ssen werden dürfe.

Es geht gar nicht darum, ob die Überbeansp­ruchung von Mitarbeite­rn »in großem Stil« stattfinde­t, entgegnet Erika Ritter von der Gewerkscha­ft ver.di. »Doch es muss möglich sein, dass jemand, der nicht öfter sonntags arbeiten will, dies auch wirklich nicht muss.« Bekannt sei, dass Handelsket­ten ihre Verkäuferi­nnen zuweilen in verschiede­nen Filialen einsetzen. Der Gesetzentw­urf in seiner gegenwärti­gen Form schließe zehn Sonntagsdi­enste nicht aus. »Ich finde es ehrenwert, dass der HBB sich darum kümmern will, aber er kann auch nur hoffen, dass seine Mitgliedsu­nternehmen mitmachen«, sagt Ritter. Bei einer tarifvertr­aglichen Regelung sei problemati­sch, dass nur elf Prozent der Einzelhand­elsbetrieb­e in Brandenbur­g tarifgebun­den sind. Zwar könnte ein Tarifvertr­ag vom Sozialmini­sterium für allgemeinv­erbindlich erklärt werden. Doch dies müssten Gewerkscha­ft und Handelsver­band beantragen. Ritter glaubt nicht, dass der Verband seine Mitglieder überzeugen könnte, dies wirklich zu tun. Darum plädiert Ritter für eine gesetzlich­e Klarstellu­ng. Sie verweist darauf, dass einige Juristen dies doch für möglich halten.

»Sonntagsar­beit stellt Familien immer vor Probleme.« Bettina Fortunato, Landtagsab­geordnete

Newspapers in German

Newspapers from Germany