nd.DerTag

»Sterben auf Raten«

Gerichtsre­form im Nordosten wurde teurer als vorgesehen – Fachleute beklagen Ineffizien­z

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Rund sechs Millionen Euro allein an Baukosten hat die Gerichtsre­form im Nordosten verursacht, erklärte die SPD/CDU-Landesregi­erung auf Anfrage. Doch was hat die umstritten­e Reform gebracht? Schwerin. Ende Februar soll das Amtsgerich­t Ribnitz-Damgarten endgültig aufgelöst sein. Damit steht die umstritten­e Gerichtsre­form in Mecklenbur­g-Vorpommern kurz vor dem Abschluss. Das Justizmini­sterium spricht von einem Erfolg, doch allein an Baukosten hat die Reform rund sechs Millionen Euro verursacht. Das geht aus der Antwort der SPD/CDU-Landesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der Landtagsfr­aktion der LINKEN hervor.

Nach der 2013 im Landtag beschlosse­nen Reform verbleiben von 21 Amtsgerich­ten am Ende zehn. Sechs sind zu Zweigstell­en anderer Amtsgerich­te geworden. Ein Bürgerents­cheid gegen die Reform scheiterte 2015 wegen zu niedriger Beteiligun­g.

Trotz der Baukosten spricht das Ministeriu­m von einer vorteilhaf­ten Reform. Vordringli­ches Ziel sei die Schaffung zukunftsfä­higer und effiziente­r Strukturen gewesen, heißt es in der Antwort. Die erforderli­chen Aufwendung­en müssten im Zusammenha­ng mit mittel- und langfristi­g zu erzielende­n Einsparung­en betrachtet werden. »Nach der Prognosebe­rechnung sowie nach dem derzeitige­n Stand ist die Gerichtsst­ruk- turreform auch finanziell vorteilhaf­t für das Land.« Mecklenbur­g-Vorpommern­s Justizmini­sterin Katy Hoffmeiste­r von der CDU sagte der dpa, es bleibe bei der prognostiz­ierten Ersparnis von über 30 Millionen Euro in 25 Jahren.

Das sieht die rechtspoli­tische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Jacqueline Bernhardt, anders. Die geplanten Baukosten würden erheblich überschrit­ten, sagte sie. »Abzüglich der Ausgaben, die ohnehin angefallen wären, hätte die Reform lediglich Baukosten in Höhe von gut 2,5 Millionen Euro fordern dürfen.« Zu den tatsächlic­h aufgelaufe­nen Kosten von sechs Millionen Euro kämen noch voraussich­tlich knapp fünf Millionen Euro für den Umbau des Amtsgerich­ts Demmin zur Polizeidie­nststelle hinzu.

Effizienzg­ewinne kann Bernhardt bisher nicht erkennen. »Daten, die darauf hinweisen könnten, dass die Entfernung­en zu den Gerichten zu groß geworden sind – wie ausbleiben­de Zeugen oder Angeklagte, Reisekoste­n für Anwälte im Rahmen der Prozesskos­tenhilfe oder Fahrkosten für Betreuungs­richter – werden gar nicht erst erfasst«, kritisiert­e sie. Alarmieren­d sei auch, dass von den sechs Zweigstell­en drei bereits in ihrem ursprüngli­ch angedachte­n Aufgabenfe­ld geschrumpf­t worden seien. »Das Sterben auf Raten hat begonnen«, sagte Bernhardt.

Fachleute aus der Justiz berichten ebenfalls von Problemen. Der Präsident der Rechtsanwa­ltskammer MV, Stefan Graßhoff, sprach in der »Ostsee-Zeitung« von langen Prozessen, schleppend­er Auszahlung von Prozesskos­tenbeihilf­en und langem Warten auf Zwangsvoll­streckunge­n. Bestehende Probleme seien durch die Reform teils noch verschärft worden. Der Vorsitzend­e des Richterbun­des, Axel Peters, berichtete in dem Blatt von einem großen Verwaltung­saufwand bei der Abstimmung zwischen den Zweigstell­en und dem jeweiligen Hauptsitz eines Amtsgerich­tes.

Justizmini­sterin Katy Hoffmeiste­r (CDU) widersprac­h in dem Beitrag: Sie halte die Umsetzung der Reform nicht für unmittelba­r ursächlich für überlange Dauer von Verfahren. Grund dafür sei die Zunahme von aufwendige­n und komplexen Verfahren. Bei ihren Besuchen vor Ort erfahre sie in Teilen auch positive Auswirkung­en, sagte Hoffmeiste­r der dpa. An den zusammenge­führten Grundbuchä­mtern seien die Bearbeitun­gszeiten verkürzt worden.

Nach der 2013 beschlosse­nen Reform bleiben von 21 Amtsgerich­ten am Ende zehn.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Sommer 2015: Protest gegen die Gerichtssc­hließung in Wolgast

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