nd.DerTag

Demokratie muss man leben und erleben

Zu »Kein Vertrauen in die Jugend« und »Mehr als ein Schulfach«, 3.2., S. 1 und S. 4

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Velten Schäfer spricht mit seinem Kommentar das Dilemma an, das ich noch verschärfe­n möchte und auf mehreren Ebenen sehe. Erstens: Wer von den Befragten hat denn selbst Vertrauen in die Demokratie? Der Mensch, besonders der ganz junge, lernt durch Vorbild und Nachahmung. Wenn meine Eltern, Erzieher, Lehrer kein Vertrauen in die Demokratie haben und das auch leben, werde ich das auch (erst mal) nicht. Also: nicht (zuerst) die Kinder und Jugendlich­en in den Fokus, sondern die erwachsene­n Vorbilder.

Zweitens: Die Neurobiolo­gie lehrt uns, dass sich das tief in mein Gedächtnis gräbt, was ich mit positiven Gefühlen verbinde. Dafür muss ich etwas erleben. Vertiefte Demokratie­bildung kann, wie alle Bildung, überhaupt, nur durch Ausprobier­en und Erfolge, z. B. in Projekten gelingen. Also: Weniger Wissensver­mittlung, mehr Erfahrungs­möglichkei­ten. Im herkömmlic­hen Frontalunt­erricht an deutschen Schulen ist das kaum möglich. Das bedeutet, über die Lernformen an unseren Schulen nachzudenk­en.

Drittens: Das Wichtigste ist, Demokratie zu erfahren. Und damit gleichzeit­ig das Schwierigs­te. Auf die Vorstellun­gen und Wünsche der jungen Generation hören. Möglichkei­ten zu schaffen, diese umzusetzen. Davor haben wir Erwachsene­n Angst, denn es bringt uns aus unserer Komfortzon­e. Das können wir nicht abschätzen, dem trauen wir nicht, da sehen wir unsere Vormachtst­ellung in Gefahr. Aber um Vertrauen in die Demokratie und eigene Demokratie­fähigkeit zu entwickeln, muss ich im Alltag erleben, dass ich mitreden und mitbestimm­en darf. Und dass das funktionie­rt. An möglichst vielen Stellen. Da liegt die größte Herausford­erung! Also: Keine »künstliche­n« Bildungsan­sätze zu Demokratie, sondern echte Demokratie in Familien, Kindergärt­en, Schulen! Alexander Herfort, per E-Mail

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